Juni 2023

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Tag der kleinen Forscher: Kitas, Horte und Grundschulen können ins Weltall reisen

Christoph Wehrer / Stiftung Kinder forschen

Tag der kleinen Forscher

Von der Erde bis zum Mars: Der „Tag der kleinen Forscher“ 2023 will in diesem Jahr hoch hinaus – und Erzieherinnen und Erzieher sowie Grundschullehrkräfte in ganz Deutschland sind eingeladen, mit den Kinder dabei zu sein. „Abenteuer Weltall – komm mit!“ lautet das Motto des diesjährigen Aktionstags, den die Stiftung Kinder forschen am 13. Juni feiert.

„Sobald es draußen dunkel wird, suchen Kinder oft den Mond am Himmel. Dann fragen sie sich: Warum ist der Mond mal hell erleuchtet und riesengroß, mal nur halb und manchmal überhaupt nicht am Himmel zu sehen? Wenn Kinder in den Nachthimmel blicken, stellen sich ihnen viele spannende Fragen“, sagtMichael Fritz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kinder forschen. „Ich lade alle Kitas, Horte und Grundschulen ein, diesen Fragen auf den Grund zu gehen, gemeinsam zu philosophieren und das Abenteuer Weltall zu erleben.“ 

Kostenloses Material zum Entdecken und Forschen mit Kindern

Der Aktionstag richtet sich in diesem Jahr am Wissenschaftsjahr 2023 – Unser Universum aus. Für eine entdeckungsreiche Reise Richtung Mars stellt die Stiftung Kinder forschen kostenfrei Material und Ideen zur Verfügung. Anregungen zum Forschen, Hintergrundinformationen und Tipps für Forscherfeste zum Aktionstag gibt es kostenfrei unter tag-der-kleinen-forscher.de/mitforschen. Dort finden pädagogische Fach- und Lehrkräfte auch den perfekten Song für ein rauschendes Forscherfest: „Abenteuer Weltall“ der Band 3Berlin feat. Lumi. Das forschende Wesen aus einer fernen Galaxis begleitet den „Tag der kleinen Forscher“ hier auf der Erde.

Der „Tag der kleinen Forscher“ ist ein bundesweiter Mitmachtag. Er widmet sich jedes Jahr einem neuen, spannenden Thema rund um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT) und Nachhaltigkeit.

Festakt und galaktische Aktionen

Die Stiftung selbst feiert den Aktionstag in diesem Jahr mit einem Festakt in Berlin an der Archenhold-Sternwarte – gemeinsam mit Kita- und Grundschulkindern, die an diesem Tag für eine Weltraummission trainieren werden. Bei der Veranstaltung wird das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt einen Teil einer Forschungsrakete übergeben, die im Mai mit tausenden Missionslogos von Kindern aus ganz Deutschland ins All flog. Zudem bieten rund 40 Planetarien, verteilt auf 13 Bundesländer, am 13. Juni kostenfreie Shows für Kita- und Grundschulgruppen an. Das Projekt wird gefördert durch die Carl-Zeiss-Stiftung.

Über die Stiftung Kinder forschen

Die gemeinnützige Stiftung Kinder forschen engagiert sich für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) – mit dem Ziel, Mädchen und Jungen stark für die Zukunft zu machen und zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Gemeinsam mit ihren Netzwerkpartnern vor Ort bietet die Stiftung bundesweit ein Bildungsprogramm an, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei unterstützt, Kinder im Kita- und Grundschulalter qualifiziert beim Entdecken, Forschen und Lernen zu begleiten. Die Stiftung Kinder forschen verbessert Bildungschancen, fördert Interesse am MINT-Bereich und professionalisiert dafür pädagogisches Personal. Partner der Stiftung sind die Siemens Stiftung, die Dietmar Hopp Stiftung, die Dieter Schwarz Stiftung und die Friede Springer Stiftung. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Mehr über die Bildungsinitiative Stiftung Kinder forschen: www.stiftung-kinder-forschen.de


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Studie: Gender in Kinderkrippen

Sebastian Wolf/Frankfurt UAS

Doing Gender bedeutet, dass wir Geschlecht nicht einfach haben, sondern „tun“. Während zum Doing und Undoing Gender in frühpädagogischen Kontexten mit über dreijährigen Kindern etliche Untersuchungen vorliegen, ist Gender in Kinderkrippen ein Forschungsfeld, das bisher wenig bearbeitet wurde. Prof. Dr. Ute Schaich, Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), möchte mit ihrer ethnographischen Studie „Geschlechterdifferenzierung in Krippen“ einen Beitrag leisten, um diese Lücke zu schließen. Die Studie berücksichtigt alle Akteurinnen und Akteure (Kinder, Fachkräfte, Eltern) sowie die materielle Umwelt in diesem ersten außerfamiliären Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsfeld. Die Erkenntnisse beziehen sich auf die Geschlechterkonstruktionen der Kinder, auf geschlechtsbezogene Aspekte der Fachkraft-Kind- und Eltern-Kind-Interaktionen, auf Zusammenhänge zwischen Körper, Differenz und Geschlecht und auf die Bedeutung der Auswahl von Mobiliar und Spielzeug. Aufgrund der gesammelten Erkenntnisse wurden Kriterien für ein genderreflektiertes Arbeiten in Krippen zusammengestellt. 

Im Fokus der Studie standen drei Fragen: 1. Wie wird Geschlecht in den Interaktionen zwischen Kindern in den ersten drei Lebensjahren, ihren Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen bedeutsam gemacht? 2. Wie stellen sich Verknüpfungen zu weiteren sozialen Differenzlinien dar, zum Beispiel zu „class, race and body“? 3. Welche Bedeutung haben Mobiliar und Spielzeugausstattung bei den Interaktionen bezogen auf Geschlecht?

Die Forschung wurde in drei Kinderkrippen im städtischen Raum mit heterogenen Einzugsgebieten im Hinblick auf Bildungsnähe, Einkommensniveau und Migrationserfahrungen der Familien durchgeführt. In ihnen wurden morgendliche Ankommens-, Frühstücks- und Spielsituationen teilnehmend beobachtet, um die Interaktionen aller Beteiligten – Kind(er), Eltern und pädagogische Fachkräfte – zu erfassen. Ebenso wurden Interviews mit Fachkräften und Eltern durchgeführt und ausgewertet. Es liegen insgesamt 15 Beobachtungsprotokolle und 18 transkribierte Interviews (neun mit Fachkräften und neun mit Eltern) vor. Das Alter der 31 beteiligten Kinder lag zwischen 14 und 36 Monaten.

„Eine Herausforderung bestand darin, dass Kinder in diesem Alter noch relativ am Anfang ihrer Sprachentwicklung stehen. Zur Erfassung ihres Relevanzsystems war es deshalb bedeutsam, den Blick gerade auch auf Körperhaltungen, Bewegungen, Stimme, Kleidung und Körperschmuck zu richten“, so Schaich. Um Geschlechterstereotype nicht zu reproduzieren, galt es bei der Auswertung dann zu beachten, dass Handlungen, Kleidung oder Spielgegenstände zwar geschlechtlich codiert, Geschlechtersymboliken aber dynamisch sind.

Schaich hebt folgende Ergebnisse besonders hervor: 1. Auf der Ebene der Kinder wurde deutlich, dass es in ihren Interaktionen mit Erwachsenen oder Gleichaltrigen vier Tendenzen im Hinblick auf die Konstruktion von Geschlecht gab: sich ähneln bzw. sich unterscheiden; Reflexion auf Geschlechterinszenierungen der Erwachsenen; Bezug zu Körpermerkmalen; Bezug zu symbolhaften Körperausstattungen und/oder geschlechtersymbolisch besetzten Gegenständen. 2. Auf der Ebene der Fachkraft-Kind-Interaktion zeigten sich Tendenzen der Reproduktion wie auch der Überschreitung von herkömmlichen Geschlechtermustern. Zum Beispiel wurden Jungen schwerpunktmäßig für motorische Handlungsautonomie im Zusammenhang mit Mut, Kraft und Stärke gelobt, Mädchen für Selbstständigkeit in alltäglichen Dingen, wie sich beispielsweise selbst an- oder auszuziehen. Bei Mädchen wurden auffallend häufig Schönheitsattribute hervorgehoben (Haare, Kleidung, Schmuck), und es gab viele Szenen, in denen ihnen die Haare gerichtet wurden. Sie wurden für Kraft ebenso wie für Grazie gelobt, aber wenig zu kühnen Aktivitäten ermutigt. Jungen bekamen auch Komplimente für ihr Aussehen, aber nicht so ausgeprägt. Sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen fanden sich zahlreiche Situationen, in denen ihnen unterschiedliche Gefühlsqualitäten zugestanden wurden (Ärger und Wut ebenso wie Angst oder Traurigkeit). Letzteres spricht für eine Haltung der Fachkräfte, Gefühle nicht nach Geschlecht zuzuschreiben. Indes fielen insbesondere bei Jungen Sequenzen auf, in denen sie durch Spielobjekte und Aktivitäten von schwierigen Emotionen abgelenkt wurden. 3. Bei den Fachkräften besteht ein Bewusstsein dafür, dass es gilt, das eigene geschlechterstereotype Handeln kritisch zu überdenken, und es werden Freiräume gewährt, um Kindern flexible geschlechtliche Erprobungen zu ermöglichen, auch jenseits der herkömmlichen Geschlechterdichotomie. Zugleich bleiben heteronormative, geschlechterbinäre Reproduktionsmechanismen wirkmächtig. 4. In Kinderkrippen findet eine Bandbreite an körperlichen oder körperbezogenen Handlungen (z.B. in Pflegesituationen, aber auch in der sonstigen Alltagsbegleitung) statt, die an der Konstruktion von Geschlecht beteiligt sind. Entsprechend haben körperlich-affektive Faktoren eine hohe Bedeutung, wenn es darum geht, Prozesse der Vergeschlechtlichung zu verstehen. Je nachdem, welche körper-, race- und geschlechtsbezogenen Normen vermittelt werden, wenn über die Körper- und Geschlechtsmerkmale oder Ausscheidungsprodukte der Kinder gesprochen wird, können anerkennende oder abwertende Botschaften transportiert werden, die ggf. auch soziale Ausgrenzung befördern. 5. Eine entsprechende Umgebungsgestaltung unterstützt eine gleichmäßige Inanspruchnahme der Materialien durch die Kinder, jenseits herkömmlicher Geschlechterzuschreibungen. Günstig ist eine Umgebung, in der es kaum vorgefertigte, sondern überwiegend naturbelassene Materialien aus Holz (Spielfahrzeuge, Kinderküchenaccessoires) oder Körbe gibt sowie Knetmasse, Malrequisiten und nackte oder schlicht bekleidete Babypuppen unter Berücksichtigung verschiedener Hautfarben. 6. Die Rekonstruktion der Wahrnehmungen, die die Fachkräfte über Familien zum Ausdruck bringen ebenso wie die Schilderungen der Eltern, lassen auf Lebensrealitäten schließen, in denen eine Haupt-Zuständigkeit von Müttern bei der Kinderbetreuung bewahrt und die frühe Vater-Kind-Beziehung als weniger zentral erachtet wird, trotz beruflichem Engagement der Frauen und Beteiligung der Männer an Fürsorgeaufgaben. 7. Die Eltern wünschen sich ein starkes und durchsetzungsfähiges Kind, egal, wie die Geschlechtszugehörigkeit ist. Während der Geschlechterbezug in diesem Leitbild neutralisiert wird, werden kindliche Schwäche und Vulnerabilität ausgeblendet. 8. In der Praxis des pädagogischen Alltags ist eine intersektionale Haltung angezeigt, die die Kategorien „gender, body, class and race“ der Reflexion zuführt. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass Wissen allein nicht genügt. Zu einer genderreflektierten Auseinandersetzung gehört die Offenheit gegenüber Widersprüchlichkeiten und der Einbezug der affektiven Ebene mit Hilfe von Fallbeispielen, z.B. basierend auf den ethnographischen Protokollausschnitten des Forschungsprojekts“, so Schaich.

Schaichs Studie wurde im Zeitraum Oktober 2020 bis Juli 2022 durchgeführt und vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Schwerpunkt „Frauen- und Geschlechterforschung“ gefördert. Ihr im Mai 2023 erschienenes Buch „Gender in Kinderkrippen. Wie Geschlecht bedeutsam gemacht wird. Eine ethnographische Studie“ enthält zahlreiche Beobachtungs- und Interviewsequenzen, die in der Lehre und in Fortbildungen für Fachkräfte verwendet werden können sowie Hinweise für genderreflektiertes Arbeiten im Hinblick auf unterschiedliche Praxisebenen.