August 2018
Faszinierendes Filmportrait zum Montessori-Prinzip
Kinostart am 6. September 2018
Es war wohl die Faszination für seine Tochter oder besser für deren Entwicklung, die den Dokumentarfilmer Alexandre Mourot zu diesem Film inspirierte. Sobald sie laufen konnte, wollte seine Tochter alles entdecken und vor allem – auf eigene Faust und ohne Hilfe. Dabei gab es allerlei Gefahren, die jedem Erwachsenen den Angstschweiß auf die Stirn treiben konnten: an der Kante kann man stolpern, von der Leiter lässt es sich gut fallen oder von dieser Treppe schön herunterpurzeln. Mourot fragte sich, was treibt meine Tochter eigentlich an und wie soll ich mich dazu verhalten? Als er feststellte, wie groß die Fortschritte seiner Tochter waren, wenn er sie einfach gewähren ließ und ihre eigenen Energien respektierte, begann er sich für die Montessori-Pädagogik zu interessieren.
Ausgerüstet mit seiner Kamera verschlug es Mourot an Frankreichs ältestes Montessori-Kinderhaus in Roubaix. Zwei Jahre lang begleitete er die Klasse von Christian Maréchal und entdeckte dabei Kinder, die frei entscheiden dürfen, was sie wann lernen möchten, die ihre Fähigkeiten selbst entdecken und dabei immer wieder über sich hinauswachsen.
Für alle, die sich ausführlich mit den Gedanken von Maria Montessori auseinandergesetzt haben, hält der Film sicher nicht allzu viele neue Erkenntnisse bereit. Dennoch dürfte er genau jene begeistern. Denn Mourots Film ist ein faszinierendes Dokument dafür, wie sich diese Ideen in die Praxis umsetzen lassen und die Entwicklung der Kinder in beeindruckender Weise unterstützen. Er ist Beleg dafür, wie sich eine Pädagogik und Bildungsidee, die auf die Selbstbildung von Kindern setzt, mit einem selbstbewussten, erfahrenen und kompetenten Team erfolgreich umsetzen lässt. Darin liegt das besondere an diesem Film, der zudem mit beeindruckenden und schönen Szenen seine Zuschauer beeindruckt, die ganz nebenbei noch einmal Theorie und Praxis der Montessori Pädagogik erleben.
Der Film startet am 6. September in den Kinos.
Situationsorientiert Projekte planen
Ausgangssituation für Projekte
Der Situationsorientierte Ansatz geht grundsätzlich davon aus, dass Kinder in einer unüberschaubaren Welt von Eindrücken aufwachsen, die wiederum eine (un-)mittelbare Auswirkung auf Entwicklungsvorgänge haben: auf die Einstellungen der Kinder, ihre Weltwahrnehmung, ihre Weltbewertung, ihre tägliche Lebensgestaltung, ihre Erinnerungswelt und ihre perspektivische Sicht für das, was ihrer Meinung nach kommen wird.
Grundlagen dafür finden sich in den Ergebnissen der aktuellen Kindheits- und Bildungsforschung, ergeben sich aus den Konsequenzen der Entwicklungspsychologie sowie Neurobiologie im Hinblick auf die Bedeutung frühkindlicher Persönlichkeitsbildung und zeigen sich in den täglichen Ausdrucksweisen von Kindern. Wenn nun der Anspruch des Situationsorientierten Ansatzes darin besteht, KINDER und ihre Lebenswelt zum Ausgangspunkt der Arbeit zu machen, geht es zunächst um zwei Aufgaben:
- Zum einen müssen „Lebensthemen“ der Kinder gesehen, verstanden und aufgenommen werden, um den „Ausgangspunkt Kind“ auch tatsächlich(!) zu treffen.
- Zum anderen müssen alle außengerichtete Themen, wie sie einmal früher Schwerpunkte der Kindergartenpädagogik waren (Jahreszeiten/Orientierung nach Festen/Vorschulpädagogik …) bewusst und konsequent ausgeblendet werden, um einen Entwicklungsfreiraum für kindorientierte Pädagogik zu schaffen, getreu einer Kernaussage des 2. Vatikanischen Konzils: „Die Ordnung der Dinge muss der Person dienstbar gemacht werden und nicht umgekehrt“ (gaudium et spes).
Denken wir nur an die Biografien vieler Kinder (Stichworte: ein Leben mit unbefriedigten seelischen Grundbedürfnissen, Kompensation durch Konsum, die starke Zunahme an psychosomatischen Erkrankungen und Suchtverhaltensweisen, eine Zunahme an Verhaltensweisen, die vor allem durch Angstgefühle aufgebaut werden ...), so weisen diese darauf hin, dass Kinder unter Druck, Anspannungen, Irritationen stehen und gleichzeitig Hoffnungen, Wünsche, Träume haben.
Würden nun Themen aus der Erwachsenenwelt – und dann noch Themen einer bevorstehenden Zukunft – vorgezogen werden, mit denen sich Kinder im Kindergarten beschäftigen müssten, würde der Anspruch einer „Kindorientierung“ pädagogisch pervertiert.
Ausgangspunkt und Zielsetzung von Projekten
Kinder setzen sich mit ihren(!) Themen auseinander, mit ihren(!) Möglichkeiten, sich selbst zu entdecken, eine subjektive Beziehung zu ihrer(!) Welt aufzubauen und ihre Welt immer besser zu begreifen, ihre(!) Stellung in der Welt zu finden und ihre(!) Bedeutung der erlebten Umwelt abzugewinnen. Ihr Leben ist geprägt durch ihre(!) zurzeit vorherrschenden Gefühle und ihre(!) Einschätzung, ob sie in der Welt willkommen sind oder einen „Störfall“ darstellen.
Der Situationsorientierte Ansatz geht nun weiterhin davon aus, dass Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen (vor-, während- und nachgeburtlicher Art) das Leben der Kinder nachhaltig beeinflussen und prägen und dabei diese Summe der Einflüsse zu entsprechenden Persönlichkeitsmerkmalen der Kinder führen.
Fragt man sich nun, wie bzw. durch was Kinder diese Einflüsse nach außen tragen, so kann anhand der Entwicklungsforschung festgehalten werden, dass Kinder sechs Ausdrucksformen zur Verfügung haben. Dabei wird der Begriff „Ausdrucksform“ bewusst gewählt, steckt doch in ihm der Begriff „aus dem Druck kommen“.
Diese sechs Ausdrucksformen sind im Einzelnen:
- ihr gezeigtes Verhalten,
- ihre gewählten/vernachlässigten Spielformen,
- ihre Erzählthemen und ihre Sprache,
- ihr Malen und Zeichnen,
- ihre Tag- und Nachtträume sowie
- ihre zum Ausdruck gebrachte Motorik.
Ausdrucksformen werden im Situationsorientierten Ansatz – bildlich gesehen – als ein „Spiegel der Seele“ verstanden, durch den das Innenleben zum Vorschein kommt. (Auch bei uns Erwachsenen verhält es sich ebenso. Denken wir dabei an tägliche Situationen: Fühlen wir uns seelisch verletzt, ziehen wir uns zurück oder greifen emotionalisiert den anderen an; sind wir traurig, fangen wir an zu weinen oder fallen in eine Starrheit mit dem Ziel, Trauer zu unterdrücken; freuen wir uns, reagieren wir ausgelassen oder werden wir von massiver Angst beherrscht, sucht auch hier unsere Seele entsprechende Reaktionsmöglichkeiten …). Insofern ist jeder Mensch in seinem „So-Sein“ ein Abbild seines Seelenlebens. Das Drama liegt allerdings häufig darin, dass einerseits viele kleine und große Menschen durch hier nicht zu diskutierende Gründe den Kontakt zu sich selbst verloren haben und ihr Ausdrucksverhalten kaum oder nur verzerrt wahrnehmen. Andererseits können sie dadurch auch nur sehr eingeschränkt oder gar nicht ihre Außenwirkung auf andere einschätzen, sodass Kommunikationsstörungen/Fehlbeurteilungen programmiert sind. Diese führen bei Kindern (und Erwachsenen) zu Konfliktsituationen, aus denen sich bei einer entsprechend tief erlebten seelischen Verletzung bzw. bei einer häufig gleichbleibend tiefen Irritation etwa Auffälligkeiten in den unterschiedlichen Ausdrucksformen bilden und verstärken können.
Der Situationsorientierte Ansatz macht es sich nun zur ersten Aufgabe, diese sechs Ausdrucksformen der Kinder zu beobachten, über einen längeren Zeitraum(!) zu sichten und schriftlich zu protokollieren.
Nun würde aber alle Protokollierung nichts bringen, wenn den elementarpädagogischen Fachkräften kein Instrumentarium zur Verfügung stehen würde, ihre Beobachtungen über die Ausdrucksformen zu verstehen, steht doch die Frage an, wozu ein Kind diese oder jene Ausdrucksform wählt. Hier liegt nun die weitere, überaus bedeutsame zweite Aufgabe: Entwicklungspsychologische Forschungen im In- und Ausland haben es sich seit mehr als zwei Jahrzehnten unter anderem zur Aufgabe gemacht, die möglichen Hintergründe für die unterschiedlichen Ausdrucksformen auf der Grundlage der analytischen Psychologie zu „entschlüsseln“. Dies geschieht in der Annahme und in dem Wissen, dass alle sichtbaren Ausdrucksformen „codierte (= verschlüsselte) Botschaften“ sind, die es zu „decodieren“ gilt, um Kinder tatsächlich zu verstehen und zu wissen, wie es Kindern geht, womit sie sich intrapsychisch (= innerlich) tatsächlich auseinandersetzen, was sie seelisch bewegt und wozu sie ihre offenbarten Ausdrucksformen nutzen (wollen/müssen!).
Diese verstandenen/zu verstehenden Ausdrucksformen haben damit für die Beobachterinnen einen jeweiligen Erzählwert.
Ausdrucksformen erzählen Geschichten, berichten über Hintergründe/Ursachen, legen Erlebnisse der Kinder offen und fordern elementarpädagogische Fachkräfte auf, dafür zu sorgen, dass Ausdrucksformen positiver, konstruktiver, lebendiger Art unterstützt und ausgebaut werden. Ausdrucksformen destruktiver Art, durch die sich ein Kind selbst (immer wieder) in Schwierigkeiten bringt oder andere Menschen bzw. ihr Umfeld schädigt, werden dagegen als Impulse und klare Aufgabenstellungen verstanden, hier gemeinsam mit Kindern neue Lösungsmöglichkeiten zu finden, damit sie aus ihrem seelischen Erleben heraus andere Ausdrucksformen in Gang setzen/wählen können!
Der Begriff „Erzählwert“ kann auch mit dem Wort „Deutung von Ausdrucksformen“ beschrieben werden. Und hier kommt auf die elementar-pädagogischen Fachkräfte eine besondere Verantwortung zu, die durch Fachlichkeit und Professionalität durchaus übernommen werden kann/muss:
Deutungen sind keine Interpretationen! Fließen bei persönlichen Interpretationen subjektive Einstellungen, Annahmen, Vorurteile, Halbwissen und Halbwahrheiten mit ein, beziehen sich Deutungen dagegen auf Erkenntnisse. Solche Erkenntnisse können sich aus veröffentlichten Forschungsergebnissen ableiten oder auch auf langjährige Fachbeobachtungen und Auswertungen beziehen. Bevor sich also elementarpädagogische Fachkräfte an die Erzählwerte heranwagen, müssen entsprechende Grundlagen (beispielsweise durch besuchte Fort-/Weiterbildungsseminare, intensiv bearbeitete Fachliteratur – siehe dazu die im Anhang aufgeführten Buchhinweise –) erarbeitet worden sein und zur Verfügung stehen.
Deutungen der Erzählwerte dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn es um Ausdrucksformen der Kinder geht, die sie über einen längeren Zeitraum und in entsprechender Intensität zeigen! Es könnte gesagt werden, es sei „typisch“ für das Kind, diese oder jene besondere Ausdrucksform zu offenbaren. Der Begriff „typisch“ ist in diesem Zusammenhang nicht bewertend/stigmatisierend gemeint; vielmehr wird er als ein Synonym für ein oft beobachtetes Verhaltensmerkmal genutzt. In einem Überblick ergibt sich daher folgendes Bild:
Erfahrungen/Erlebnisse/Eindrücke (= lebensbedeutsame Situationen) offenbaren sich in sechs Ausdrucksformen:
- in spezifisch gezeigten Verhaltensweisen,
- in spezifisch gewählten/vernachlässigten Spielformen,
- in Erzählthemen/ihrer Sprache,
- im Malen und Zeichnen,
- in Tag-/Nachtträumen,
- in der Motorik.
Sie alle sind codierte Ausdrucksweisen und besitzen einen Ausdruckswert und einen Erzählwert.
Da Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke, die für Kinder bedeutsam waren, einen prägenden Wert besitzen (und auch noch uns als Erwachsene entscheidend in unserer Lebensgestaltung beeinflussen), hat der Situationsorientierte Ansatz das Ziel, Kindern dabei zu helfen, die entwicklungsförderlich erlebten Einflüsse zu intensivieren/zu stärken und die entwicklungshinderlich erlebten Eindrücke/Erfahrungen zu verarbeiten, damit sie ein stärkeres, innerlich festes Selbstwertgefühl aufbauen/weiterentwickeln können, um die eigene Autonomie und Selbständigkeit auszubauen und damit zu einer gefestigten Identität und Sozialkompetenz zu finden, die zu einer reichen, glücklichen Lebensgestaltung führen.
Eine Anmerkung sei an dieser Stelle gestattet: Dem Situationsorientierten Ansatz wird von Zeit zu Zeit – und dabei aus einer bestimmten pädagogischen Richtung – vorgehalten, er habe eine „therapeutische“ Zielsetzung, die von elementarpädagogischen Fachkräften nicht geleistet werden kann. Dazu sei Folgendes gesagt:
- Elementarpädagogische Fachkräfte sind keine „Kindergärtner/-innen“, die „zu dumm“ für eine Arbeit mit hoher Fachkompetenz wären!
- Wenn das Wort „therapeutisch“ im Sinne einer genauen Übersetzung aus dem Griechischen mit „dienlich“ angenommen wird und im Sinne einer Fortführung gesagt würde, die Arbeit habe „der Entwicklung von Kindern dienlich zu sein“, dann trifft das Wort „therapeutisch“ absolut exakt zu. „Therapeuten“ (also Menschen, die im Sinne einer Entwicklung anderen Menschen dienlich sind) sind genau genommen „Diener“ – sie haben einer inhaltlichen Aufgabenstellung zu dienen zum Wohl der ihnen anvertrauten Menschen. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass „therapeutische Arbeit“ nicht einer „psychotherapeutischen Arbeit“ gleichgesetzt wird bzw. werden darf. Hier gibt es Unterschiede!
- In dem Maße, in dem Fachschulen/-akademien sowie (Fach-)Hochschulen/Universitäten (mit dem Schwerpunkt der Elementarpädagogik) ihre Ausbildung fachlich/inhaltlich reformieren würden und dem Bereich der Entwicklungspsychologie, der Neurobiologie sowie der Bildungs- und Bindungsforschung eine erste, oberste Priorität beimessen würden, würde ein oben angesprochenes Fachwissen schon vor der Berufsaufnahme vorhanden sein – zumindest in basalen Grundlagen.
Die Zielsetzung des Situationsorientierten Ansatzeslässt sich also wie folgt beschreiben:
Der Kindergarten will Kindern die Möglichkeit geben, lebensbedeutsame Situationen, die das Kind in seinen Ausdrucksformen offenbart, in entwicklungsförderlicher Sicht zu unterstützen und bei entwicklungshinderlichen Eindrücken zu verarbeiten, um sich weiterhin bzw. impulsgebend, wahrnehmungsoffen und engagiert mit seinem gegenwärtigen Leben beschäftigen zu können.
Durch den Auf-/Ausbau seiner personalen Identität wird es Kompetenzen intensivieren bzw. neu entwickeln, die es die Gegenwart gestalten und die Zukunft bewältigen lässt.
Lebenspläne von Kindern als Grundlage für Projekte
Galt es zunächst, Kinder in ihren sechs Ausdrucksformen wahrzunehmen, diese wahrgenommenen Ereignisse in Beobachtungslisten schriftlich zu protokollieren und anschließend jedes Ausdrucksverhalten in seinem Erzählwert zu verstehen (zu deuten), so hat die Praxis gezeigt, dass es besonders aussagekräftig ist, wenn zu jeder Ausdrucksform möglichst mehrere (drei bis sechs) Beispiele aufgeführt sind! Je höher die Anzahl der beobachteten Beispiele ausfallen, desto aussagekräftiger kann der Erzählwert beschrieben und zusammengefasst werden!
Nehmen wir einmal an, dass die Beobachtung eines Kindes je vier „typische“ Beispiele einer jeden Ausdrucksform ergeben hat, so hat die elementarpädagogische Fachkraft insgesamt 24 Ausdrucksbelege zur Verfügung, um dann aus ihrem Fachwissen heraus diese spezifischen Ausdruckswerte mit ihren Erzählwerten zu versehen. Viele Erzieher/-innen haben sich mit der Zeit und durch die intensive Beschäftigung mit der Symbolik des Verhaltens, der Symbolsprache der Spielformen und des spezifischen Spielens der Kinder, der Symbolik der Bewegung/des Bewegungsverhaltens, der Symbolik des Erzählens und der Sprachgestaltung, der Symbolik des Malens und Zeichnens und der Symbolsprache der Träume ein eigenes „Symbol-be-deutungs-buch“ angelegt, das nach entsprechend besuchten Fachseminaren oder nach einer erfolgten Fachbuchbearbeitung immer wieder ergänzt wird.
Nun könnte man annehmen, dass bei entsprechenden Ausdrucks- und Erzählwerten sehr viele, ganz unterschiedliche Decodierungsergebnisse bei einem Kind herauskommen. Nun, das ist falsch. Immer gibt es zwischen den unterschiedlichen Ausdrucks- bzw. Erzählwerten einen roten Faden, eine Sinnverbindung, einen Leitwert, der sich durch alle (zumindest die meisten) Aussagen zieht. Anders ausgedrückt: Durch einen Vergleich und eine vernetzte Betrachtung der Ausdrucks- und Erzählwerte offenbart sich ein Verhaltensmuster, das sich offensichtlich im Laufe der Zeit und des Kind(-er-)lebens herausgebildet hat. Eine Auswertung ungezählter Ausdrucksformen und ihrer Erzählwerte hat ergeben, dass außergewöhnlich viele Kinder etwa ein Verhaltensmuster zeigen, welches deutlich macht, dass Kinder:
- unter Druck stehen und Druckentlastung suchen,
- unglücklich sind und Glück erleben wollen,
- sich schwach und minderwertig fühlen und Seelenstärke brauchen,
- Angstsituationen ausgesetzt sind und eine Befreiung aus der Angst suchen,
- Einsamkeit erleben und auf der Suche nach Annahme sind,
- unter Anspannungen leben und Entspannung suchen,
- mutlos sind und eigentlich mutig sein wollen,
- Anforderungen mit Resignation begegnen und lieber Wagnisse eingehen würden,
- Angst vor Versagenserlebnissen haben und daher innere Stärke brauchen,
- in Überforderungen stecken und sich davon zu befreien versuchen,
- unterfordert sind und auf der Suche nach „echten“ Herausforderungen sind,
- Enttäuschungen mit sich herumtragen und lieber eine emotionale Freiheit hätten.
Natürlich(!) gibt es daneben auch Kinder, die sogenannte positive Verhaltensmuster zum Ausdruck bringen, doch sind sie im Verhältnis zur Gesamtzahl der beobachteten Kinder deutlich in der Minderheit. Wichtig ist folgende Anmerkung: Es geht dem Situationsorientierten Ansatz nicht um eine negativ geprägte Projektarbeit. Wer das behaupten würde, hätte sich von einer fachlichen Diskussion weit entfernt. Vielmehr richtet sich der Ansatz – und damit auch die Projektorientierung – nach den Daten heutiger Kindheiten – und das direkt vor Ort – aus. Das bei den Kindern entzifferte Verhaltensmuster, das bei einem Zusammentragen aller Ausdrucksformen sowie einer vernetzten Betrachtung aller Erzählwerte entdeckt werden kann, wird im Situationsorientierten Ansatz als „individueller Lebensplan des Kindes“ bezeichnet. Seine genaue Definition lautet wie folgt:
Ein Lebensplan ist der rote Faden im Leben von Menschen. Er ist ein personell individuelles Verhaltensmuster, das sich in der Vielzahl der Ausdrucksformen und ihren spezifischen Ausdrucksweisen zeigt und einen jeweiligen Bedeutungs(-Erzähl-)wert besitzt. Der Lebensplan eines Menschen setzt sich aus der individuellen Bewertung bisheriger Lebenserfahrungen, -eindrücke und Erlebnisse zusammen und verfolgt den Zweck, lebensnotwendige Grundbedürfnisse zu befriedigen, um zu einer seelischen Stabilität auf der Grundlage einer personalen Identität zu finden.
Dazu ein paar einfache Beispiele, um den Zusammenhang von Lebensplan und Grundbedürfnisbefriedigung zu verdeutlichen:
- Kinder, die unter Spannung stehen, suchen häufig intensive Bewegungen, um sich von ihrem Stress zu befreien und um letztlich entspannter sein zu können; allzu schnell werden diese Kinder mit dem Etikettierungsbegriff „AD(H)S-Kind“ versehen, was fachlich in keinerlei Weise begründet ist!
- Einsame Kinder suchen häufig den Kontakt zu anderen Menschen, um Annahme und Geborgenheit zu spüren, und dabei würden diese Kinder am liebsten die ganze Zeit über die körperliche Nähe zum Erwachsenen genießen. Allzu schnell werden diese Kinder mit der unfachlichen Bewertung „distanzlos“ belegt, anstatt zu verstehen, dass Kinder ihr Grundbedürfnis „Liebe erfahren“ sättigen/nachholen wollen und müssen.
- Kinder mit vielen Unsicherheiten suchen Situationen/Personen/Umstände, die ihnen Sicherheiten geben und es fällt ihnen schwer, sich auf neue, unbekannte Situationen einzulassen. Diese Kinder haben beispielsweise Schwierigkeiten, sich von vertrauten Personen zu lösen, Spielgegenstände abzugeben, etwas zu teilen oder Spielabbrüche zu akzeptieren. Allzu schnell werden diese Kinder als „unselbstständig“, „unflexibel“ oder in ihren Verhaltensweisen als „nicht altersgerecht“ abgeurteilt.
- Kinder mit einem stark eingeschränkten Selbstwertgefühl bzw. Minderwertigkeitsgefühlen schaffen häufig Situationen, durch die sie auffallen und dadurch (endlich einmal) in den Mittelpunkt von Betrachtungen/Beachtungen kommen. Allzu schnell werden sie als „unangepasst“, „egoistisch“, „unsozial“ oder „aggressiv“ beurteilt, ohne zu sehen, dass es eine aktuelle Überlebensstrategie der Kinder ist, um nicht gänzlich in ihrer erlebten Bedeutungslosigkeit ganz abzurutschen.
- Kinder, die sich seelisch ohnmächtig fühlen, haben häufig den Wunsch, Macht über andere zu besitzen. Allzu schnell werden diese Kinder als „gewalttätig“ abgestempelt, ohne zu verstehen, dass Angst-, Verunsicherungs- und Ohnmachtsgefühle genau zu dieser Überlebensstrategie führen müssen …
Diese Aufzählung könnte endlos fortgesetzt werden. Wenn – und darauf weisen ungezählte Beobachtungen – kindeigene Ausdrucksformen beispielsweise sehr häufig dem Zweck dienen, sich aus einer Angst zu befreien, Stolz erleben zu wollen, sich aus Wut und Ärger frei machen zu wollen, „eigentlich“ Ruhe und Entspannung suchen, Sicherheiten finden wollen, eigene Stärke spüren möchten, Wertschätzung und Zuverlässigkeit erleben möchten, sich aus Drucksituationen befreien zu wollen …, dann hat ein Kindergarten, der sich dem Situationsorientierten Ansatz verpflichtet fühlt, dafür zu sorgen, dass die Kinder in ihrer elementarpädagogischen Einrichtung (und in der Zusammenarbeit mit Eltern auch wenn möglich im Elternhaus) das finden, was sie brauchen. Vielleicht kann auch so eine Erklärung dafür gefunden werden, dass Kinder, die keine Freude dabei empfinden zum Kindergarten zu gehen, bestimmte „Angebote“ immer wieder verweigern, das Abholen von den Eltern kaum abwarten können, eine sogenannte Kindergartenmüdigkeit entwickeln, mit Langeweile einen Großteil ihrer Tage im Kindergarten verbringen, aus dem Kindergarten abhauen, durch vielfältige Verhaltensirritationen auffallen, einfach nicht das erleben, wonach ihre Seele ruft!
Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Der situationsorientierte Ansatz - Auf einen Blick
Konkrete Praxishinweise zur Umsetzung
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548043
15,00 €
Minimaus auf Reisen
Helmut Spanner
Minimaus begibt sich auf eine Reise mit dem Zug. Natürlich nimmt sie da allerhand mit auf die Fahrt. Ob die kleinen Betrachter wohl schon alle Gegenstände erkennen? Begleitet von kurzen lustigen Texten lädt das Pappbilderbuch zum Sprechen und Erzählen ein.
Helmut Spanner beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit der Wahrnehmung von Kleinkindern und zeichnet seine Illustrationen so, dass es den Mädchen und Jungen leicht gelingt, die vertrauten Alltagsgegenstände auch im Buch zu erkennen.
Ausbildung zur FREUNDE TrainerIn
Lebenskompetenzen umfassend fördern
Die Aktion Jugendschutz und der Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern e.V. bieten eine kostenlose Fortbildung zum/zur FREUNDE TrainerIn an.
FREUNDE ist ein in der Praxis vielfach bewährtes Programm zur Förderung von Lebenskompetenzen, mit dem Kindertageseinrichtungen Prävention praktisch und lebendig umsetzen können. FREUNDE hat das Ziel, die Lebenskompetenzen der Kinder bereits im frühen Alter umfassend zu fördern. Die gute Vermittlung sozial-emotionaler Kompetenzen beeinflusst den Entwicklungsprozess von Kindern positiv und kann so später möglichen Gewalt- und Suchtproblemen vorbeugen.
Mit dieser Multiplikatoren-Schulung können Sie den Kindertageseinrichtungen in Ihrer Region FREUNDE Basisseminare anbieten. Mit FREUNDE qualifizieren Sie die pädagogischen Fachkräfte der Kindertageseinrichtungen, Lebenskompetenzen und Prävention nach den Leitlinien des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans praktisch und lebendig umzusetzen.
Dafür können Sie sich ab sofort bewerben. Voraussetzung ist ein staatlich anerkannter Berufs- oder Studienabschluss mit Bezug zu Gesundheit und Prävention, hinreichend Erfahrung im frühkindlichen Bildungsbereich sowie in der Erwachsenenbildung.
Die Ausbildung ist für Sie kostenfrei. Die Teilnehmenden verpflichten sich bis Ende 2019 für drei Basisseminare in Kindertageseinrichtungen zur Verfügung zu stehen. Ihre Honorar- und Sachkosten für die Basisseminare werden durch eine Kooperation zwischen der Aktion Jugendschutz und der AOK Bayern erstattet.
Veranstalter: Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V. und Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern
Anmeldung mit persönlicher Bewerbung (kurze Beschreibung Ihrer Qualifikation und Motivation) beim Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern. Ricarda Mursch, Tel 089 530725 - 16 • mursch@kath-kita-bayern.de
Fortbildung in München
Verb. kath. Kindertageseinrichtungen Bayern e.V.
Maistraße 5
80337 München
Mo, 12.11.2018, 09:30 Uhr - Mi, 14.11.2018, 16:30 Uhr
Fortbildung in Bamberg
Bistumshaus St. Otto
Heinrichsdamm 32
96047 Bamberg
Mo, 03.12.2018, 09:30 Uhr - Mi, 05.12.2018, 16:30 Uh
Kinderportfolio für das erste Fremdsprachenlernen
Angelehnt an das Europäische Fremdsprachenportfolio
Diese Broschüre hilft ErzieherInnen und Grundschullehrkräften dabei, ein für ihr Fremdsprachenangebot passendes Kinderportfolio zu erstellen. Die Publikation des Goethe Institutes ist an das Europäische Fremdsprachenportfolio angelehnt.
Die einführenden Kapitel erläutern ausführlich, wie und wann Sie mit der Arbeit eines solchen Lernwegbegleiters beginnen können. Der Praxisteil bietet eine Anzahl von Arbeitsvorlagen auf zwei Niveaustufen an.
- Eine Form, die ohne Vorkenntnisse von Schrift selbsterklärend für die Kinder ist
- Eine etwas anspruchsvollere Variante, die das Kind zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal bearbeiten kann.
Dieses Kinderportfolio können ErzieherInnen und Lehrkräfte nach Bedarf abändern und weiter entwickeln.
Kinderportfolio doppelseitig zum Download (PDF, 5 MB)
Kinderportfolio einseitig zum Download (PDF, 5 MB)
Fortbildung „Mehr als ein Fotobuch“
Portfolios und andere Dokumentationsformen für Krippe und Kindergarten
Wie war ich, als ich in die Krippe oder in den Kindergarten kam? Wo und mit wem habe ich gespielt? Was hat mich interessiert und wie habe ich gelernt? Portfolios sind mehr als Sammelordner oder kommentierte Fotoalben. Kinder, Eltern und ErzieherInnen profitieren von dieser Art der Dokumentation und Entwicklungsbegleitung. Die Kinder selbst lieben ihre Ordner, blättern mit Freude darin oder lassen sich daraus vorlesen. ErzieherInnen können Lern- und Bildungsprozesse der Kinder besser wahrnehmen, gezielt unterstützen und begleiten. Sie binden die Eltern in diesen Prozess wertschätzend mit ein. Wie gute Portfolios gelingen können und welche anderen Dokumentationsformen es gibt, erfahren Sie in dieser Fortbildung.
Inhalte:
- Beobachtung als Grundlage für Dokumentation
- Kollegialer Austausch im Team und pädagogische Planung
- Sinn und Zweck von Portfoliodokumentation
- Portfolios als Entwicklungsbücher
- Inhalte und Gestaltungsmöglichkeiten eines Portfolios
- Bildungs- und Lerngeschichten im Portfolio
- Aufbewahrung, Handhabung und Zuständigkeiten
- Dialogische Beteiligung von Kindern und Eltern
- Gestaltung von Wanddokumentationen
- Datenschutzbestimmungen
Methoden:
- Theoretische Inputs
- Anschauungsbeispiele
- Erfahrungsaustausch in Kleingruppen
- Praktische und spielerische Übungen
- Übungen anhand von Videosequenzen
Termin(e): 09./10.10.2018 9:00 - 16:30 Uhr
Ort: Schönstattzentrum Marienfried, Bellensteinstraße 25, 77704 Oberkirch
Dozent(in): Birgit Laux
Anmeldeschluss: ohne
Kursgebühr: 130,00 €, Verpflegung: 46,00, € Gesamtkosten: 176,00 €
Kursgröße: max. TN-Zahl: 20
Anmeldung an:
Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e. V.
Referat Tageseinrichtungen für Kinder
Sibyllastr. 17
76275 Ettlingen
Die Weisheit der Kinder
Wie sie fühlen, denken und sich mitteilen
- Advertorial -
Dr. Udo Baer beschreibt die uns allen gut bekannten, aber manchmal schwer verständlichen Verhaltensweisen von Klein- und Schulkindern und erklärt den dahinterliegenden Sinn. So lernen Erwachsene, Kinder aller Altersgruppen wirklich zu verstehen.
Baer nimmt eine radikale Änderung des pädagogischen Blickwinkels vor: Ihn interessiert nicht, wie Kinder sein oder wie Eltern erziehen sollen. Hier wird der unbewusste Sinn kindlicher Äußerungsformen aller Art entschlüsselt. Erwachsene lernen, Kinder aller Altersgruppen wirklich zu verstehen.
Warum spielen Kinder Verstecken? Warum lassen die Kleinen so oft den Löffel fallen? Und was bedeutet es, wenn manche Kinder nicht spielen können? Dem erfahrenen Pädagogen Udo Baer gelingt es, die Verhaltensweisen und Äußerungsformen von Kindern aller Altersstufen aus ihrer Perspektive zu entschlüsseln und den unbewussten Sinn darin deutlich zu machen. Das betrifft die verschiedensten Aspekte kindlichen Erlebens: die alltäglichen Lebensäußerungen, wie sie sich in Spielen und typischen Vorlieben oder Ablehnungen von Kindern äußern, und auch die besonderen Verhaltensweisen, die auf schwierige Lebensumstände antworten. Die „Weisheit der Kinder“ zeigt sich überall, wenn Eltern und Erzieher sie richtig zu deuten wissen und sensibel darauf eingehen. Wie das gelingt, zeigen die im Buch enthaltenen „Empfehlungen für liebende Eltern“.
Dr. Udo Baer
Die Weisheit der Kinder
Wie sie fühlen, denken und sich mitteilen
€ 16 (D)
ISBN 978-3-608-86122-8
Bedürfnisse - das Fundament der Entwicklung
- Advertorial -
Die Erzieherinnen kommen mit Jan (4 Jahre) in der Regelgruppe einfach nicht mehr zurecht. In allen üblichen Kompetenzerfassungsbögen und Entwicklungsrastern zeigt der Junge deutliche Entwicklungsverzögerungen auf. Sie haben schon mehrfach das Gespräch mit den Eltern gesucht, um auf die Schwierigkeiten des Jungen hinzuweisen und den Eltern nahezulegen, ihm verschiedene Förderungen zukommen zu lassen. Mittlerweile verweigern die Eltern weitere Gespräche und haben den Erzieherinnen unterstellt, dass sie ihren Sohn nicht leiden können. In der Teamsitzung besprechen sie den „Fall“ Jan. Die Heilpädagogin fragt die Erzieherinnen: „Was sind die wichtigsten Bedürfnisse von Jan? Was ist ihm wichtig? Was braucht er hier in der Einrichtung, um sich wohlzufühlen?“ So direkt gefragt fällt den Erzieherinnen kaum eine Antwort ein. „Er spielt ja nicht.“ sagen sie verzweifelt. „Er nimmt nur immer den anderen Kindern die Sachen weg oder macht Bauwerke kaputt. Wir wissen nicht, was er braucht.“ Sie zählen all das auf, was Jan nicht möchte oder was er nicht kann. Die Heilpädagogin bleibt beharrlich und gibt Tipps zur weiteren Beobachtung von Jan. Fast ist die Teamberatung zu Ende da fällt der Kinderpflegerin doch noch etwas ein: „Neulich hat er mir geholfen den Sandkasten nach dem Winter sauber zu machen. Da hat es ihm total Spaß gemacht mit seinen Händen und Armen in einer Wanne voll Matsch zu matschen und einzutauchen. An dem Nachmittag war er dann relativ friedlich.“
Dieses kurze Beispiel aus der Praxis zeigt, dass viele pädagogische Fachkräfte sehr geübt darin sind, Kompetenzen der Kinder zu erkennen. Aber die Bedürfnisse der Kinder gezielt zu beobachten und benennen zu können, das gestaltet sich schwieriger. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da die pädagogischen MitarbeiterInnen kompetenzorientierte Beobachtungsbögen ausfüllen sollen und nicht bedürfnisorientierte.
Die Bedürfnisse der Kinder sind in der Psyche der Kinder aber die Instanz, die Motivation erzeugt und somit Lernen ermöglicht. Anders formuliert: Die Bedürfnisse verursachen Entwicklung und Kompetenzerwerb. Deshalb sollten die Bedürfnisse der Kinder in jeder pädagogischen Konzeption das fachliche Fundament bilden.
Weiterführende Informationen und pädagogische Methoden zum Thema:
Kindliche Bedürfnisse als Mittelpunkt der Kita-Pädagogik:
Erst, wenn ihre grundlegenden Bedürfnisse befriedigt sind, können Kinder ihr großes Potenzial und ihre Kompetenzen entwickeln. Methoden zur bedürfnisorientierten Pädagogik. Sybille Schmitz, Don Bosco Medien
Kindliches Verhalten verstehen – Bedürfnisse erkennen:
Kindliche Bedürfnisse sind die treibende Kraft ihrer Entwicklung. Bleiben sie unbefriedigt, kann Kompetenzförderung nichts wettmachen. 45 Fotokarten für Teamarbeit, Fortbildung und Elterngespräch. Sybille Schmitz, Don Bosco Medien
Wie Kinder wachsen - Baum der kindlichen Entwicklung:
Bedürfnisorientierung - ein wesentlicher Punkt Ihrer Kita-Konzeption auf einem riesigen Poster - als dekorativer Aushang und für die Öffentlichkeitsarbeit. DIN A1 Poster. Sybille Schmitz, Don Bosco Medien
PERiK oder „Was braucht ein Kind?“
Hier geht es zu einem Beitrag von Sybille Schmitz auf der Website von Don Bosco Medien.
Dabei stellt sie die Frage einer bedürfnisorientierten, integrativen Pädagogik in den Mittelpunkt:
„Was braucht ein Kind,
- um sein Potential entfalten zu können,
- um sich in die Gruppe integrieren zu können,
- um vom Kita-/Krippen-Besuch profitieren zu können?“
Wie Sie Kinder stark machen
Selbst gemachte Erfahrungen fördern die Entwicklung
Kinder stärken und sie in ihrer Entwicklung unterstützen. Das ist der Weg, Kinder körperlich, geistig und seelisch zu erziehen. Bewegung und selbst gemachte Erfahrungen sind wichtige Vorraussetzungen, damit Kinder zu starken Persönlichkeiten werden, die sich nicht in Angst, Gewalt oder Sucht flüchten.
Erzählen Erwachsene über ihr Leben und blicken dabei auf ihre Kindheit und Jugend zurück, wird es immer dann besonders spannend, wenn es um Erlebnisse geht, bei denen sie Erfahrungen sammeln konnten, die weit über den Augenblick hinaus für sie von Bedeutung waren.
Kindheitserfahrungen können ein ganzes Leben prägen.
Ein bekannter Kinder- und Jugendpsychiater sieht es als wichtigen Grund für seine spätere Berufswahl an, sich einmal gegen die ganze Klasse für seinen zu Unrecht bedrängten Freund eingesetzt und dann zu zweit dem Ansturm der Mitschüler standgehalten zu haben. Mit dem Ergebnis, dass der Ansturm sich angesichts zweier offensichtlich unerschütterlich Verbündeter in Luft auflöste. „In dieser Situation habe ich viel über Aggression und Angst gelernt. Wie oft habe ich später an diese Minuten gedacht und immer wieder gespürt, welche Gefühlswechsel von Wut über Angst bis zu höchster Siegesbefriedigung ich damals empfunden habe. Dieses Erlebnis habe ich als Erfolg verbucht – als echte Stärke – und es hat mich geprägt. Es hat mich bei anstehenden Entscheidungen und Reaktionen immer wieder nach dieser Stärke in mir suchen lassen. Denn dass sie da ist, das weiß ich seit damals.“
Aktiv Erfahrungen zu sammeln und sie, wenn es darauf ankommt, als Wissen und Fähigkeiten zur Verfügung zu haben – das ist eine wesentliche Voraussetzung, um auf Anforderungen vorbereitet zu sein. Das bedeutet im Alltag nichts anderes, als sich nicht schnell verunsichern oder einschüchtern zu lassen und jede Gelegenheit, sich zu beweisen, wahrnehmen und nutzen zu können.
Kevin (5 Jahre alt) war erst vor wenigen Wochen mit seinen Eltern in eine neue Wohngegend gezogen. Obwohl zwei der Nachbarskinder mit ihm in denselben Kindergarten gingen, hatte er beim Spiel auf der Straße noch keinen richtigen Kontakt gefunden. Als die Kinder eines Nachmittags auf jeder Baumscheibe auf dem Bürgersteig einen dicken Belag grob geschredderter Rindenstücke vorfanden, war Kevins Stunde gekommen. Dank seiner Erfahrungen mit Treibholzstückchen am Strand konnten die Kinder unter seiner Regie mit größtem Vergnügen eine Hafenanlage mit Schiffen bauen und stundenlang spielen. Einer seiner Kindergarten-Kameraden begleitete Kevin gegen Abend nach Hause. „Ich will mal sehen, wo deine Klingel ist. Sollen wir morgen im Kindergarten draußen zusammen spielen?“
Wer schon früh Anforderungen meistert, ist auf spätere Anforderungen vorbereitet.
Kevin kam in die Gruppe rein, weil er eine Idee hatte und diese offensichtlich geschickt unter die Kinder brachte. Das hat ihm die Eingliederung erleichtert – sicher nicht nur die akut anstehende, sondern auch die nächste und die übernächste. Denn Kevin wird ähnliche Anforderungen nicht mehr als unüberwindbare Hürde ansehen.
Mit Anforderungen zurechtgekommen zu sein, schafft ein Sicherheitspolster, das in schwierigen Situationen – wenn überhaupt – viel seltener und dann auch erst viel später ausrasten und verzweifeln lässt.
Es ist gut zu wissen:
- „Ich habe schon so viel geschafft, also schaffe ich das auch!“
- „Ich weiß mir zu helfen, notfalls hole ich mir Hilfe!“
- „Ich kenne mich!“
- „Ich kann mich auf mich verlassen!“
Aktiv Erfahrungen sammeln ist eine Sache – Erfahrungen sammeln können und dürfen die andere. Die Dinge unserer Umgebung schaffen „Lebensbedingungen“. Was einen großen oder kleinen Menschen umgibt, beeinflusst sein Leben. Damit ist nicht nur das Haus gemeint, in dem er wohnt, mit seiner Ausstattung und mit den anderen Grundstücken und Gebäuden in nächster Nähe oder die Straße und die Stadt, in der dieses Haus steht. Damit sind auch die Aktivitäten gemeint, die dieser Lebensraum zulässt, die Kontakte, die dort zu anderen Menschen möglich sind. Handelt es sich dabei um Angebote, mit denen Kinder etwas anfangen können, mit denen sie groß werden können?
Der Lebensraum unserer Kindheit beeinflusst unser Leben.
Sich frei bewegen und spielen – zwei Erfahrungsschatzkisten, die während der Kindheit gefüllt werden können.
Sich bewegen: Lust pur
„Bewegt es sich?“ fragen Kinder aufgeregt, wenn sie ein kleines Tier am Boden finden. Denn wenn es sich bewegt, lebt es. Bewegung – das bedeutet Leben und Aktivität. Die Kindsbewegungen sind für die werdende Mutter die ersten, eindeutig wahrnehmbaren Signale ihres Kindes. In den Armen von Mutter oder Vater gewiegt zu werden stillt das Kontaktbedürfnis und vertreibt die Verlassenheitsangst des Säuglings. Selbstverständlich verschafft sich ein gesundes Kind schon im Säuglingsalter selbst Bewegung. Mit der eigenen Hand etwas bewirken zu können, sich etwas herbeiholen oder vom Leib halten zu können, darf zu den ersten großen Erfolgserlebnissen gezählt werden.
Menschen haben eine starke Motivation, sich zu bewegen. Worte wie „Bewegungsfreude“, „Bewegungslust“ oder „Bewegungsdrang“ zeugen davon. Kinder müssen sich bewegen. Nicht weil Erwachsene Bewegung für gesund und für pädagogisch wichtig halten, sondern weil Kinder sich bei und nach motorischer Aktivität wohlfühlen, befriedigt und bereit für neue Aktivitäten sind. Plötzlich können sie wieder konzentriert nachdenken, vertieft lesen, auf andere zugehen und aufkommende Langeweile mit Ideen besiegen.
Bewegung bedeutet Leben und Aktivität.
Jede motorische Aktivität lässt Kinder mehr über ihren Körper erfahren, über seine Beweglichkeit und seine sich durch Wachstum und Übung verändernden Möglichkeiten. Ein ungestörter Entwicklungsablauf braucht Bewegungsanreize, hat Bewegungsvielfalt eingeplant. Deshalb wird Springen, Rennen, Sich-Drehen, Hüpfen und Schaukeln als schön, spannend und lustvoll empfunden.
Viel Bewegung macht körperlich und geistig beweglich
Dieser körpereigene Belohnungseffekt hat seinen Grund: Während all dieser Bewegungsabläufe formen und verknüpfen sich Neuronenmuster in den verschiedenen Gehirnarealen und werden durch Üben stabiler. Kaum jemand weiß, dass beim Klettern, Malen, Nussknacken, Balancieren, Fußballspielen und Tanzen großteils dieselben Schaltstellen gebahnt werden, die auch beim Sprechen, Rechnen, Lesen und Nachdenken in Aktion sind. Je häufiger sie alle aktiviert sind, desto stärker und leistungsfähiger werden die Verschaltungen. Das bedeutet: Man „schaltet“ also auch geistig schneller und besser.
Viele Bewegungserfahrungen lassen also körperlich und geistig beweglicher werden. Zuerst einmal motiviert Kinder die reine Bewegungsfreude selbst. Dann wird der Vergleich verlockend, wer von den anderen Mädchen und Jungen auch so schnell laufen, so weit springen oder bei den tollkühnsten Kletterpartien mithalten kann – und mit wem es am meisten Spaß macht, sich zu messen und auszupowern. Erst viel später – meist auch von außen angeregt – geht es um in Metern und Sekunden messbare Leistung. Der wahre Erfahrungsschatz, der für die kindliche Entwicklung relevant ist, liegt auf den ersten beiden Stufen.
Kinder mit Bewegungsdefiziten reagieren alarmierend, denn sie sind arm dran. Ihre Reaktionen sind Notsignale der Natur, damit der schnell gefährlich werdende Bewegungsentzug, der den ganzen Erregungshaushalt durcheinanderbringt, nicht noch länger anhält.
Mittlerweile verstehen viele Fachleute diese vehementen Hilferufe richtig und können den Eltern beim Übersetzen helfen. Die Botschaft der Kinder heißt:
„Lasst uns draußen toben,damit es nicht drinnen in uns wütet!“
Krach machen und Bewegung sind für Kinder oft eng gekoppelt. Lärm und Bewegung sind starke Ausdrucksmittel, mit denen man ein Revier abstecken und etwas Eindrucksvolles unüberhörbar und unübersehbar produzieren kann. Wer regelmäßig im Freien toben darf, dem fällt es auch leichter, drinnen leiser zu spielen. Denn diese Ausdruckskomponente ist als Kontrast dann auch wieder spannend.
Kleinkinder besiegen Zehnkämpfer.
Kinder wollen sich bewegen. Beobachten Sie einmal in der Reisezeit, wie die Kinder auf den Rastplätzen aus den engen Autos purzeln. Sie explodieren fast. Kein Körperteil will unbewegt bleiben. Bewegungsabläufe im Übermaß sind angesagt – keineswegs alle dafür gedacht, sich in kürzester Zeit von Punkt A nach Punkt B zu bewegen. Sondern einfach nur mit dem Zweck und Ziel, beweglich zu sein. Erst wenn sie sich ein bisschen ausgetobt haben und atemlos geworden sind, sind Kinder wieder auf andere Bedürfnisse ansprechbar: Erst dann nehmen sie wieder wahr, dass sie hungrig oder durstig sind oder Pipi machen müssen.
Die Bewegungsressourcen eines Kleinkindes sind beeindruckend. Seine kurzfristige Regenerationsfähigkeit lässt Erwachsene geradezu neidisch werden. Seit einem Test in den 70er Jahren wissen wir, dass ein trainierter Zehnkämpfer nur etwa vier Stunden lang in der Lage ist, die körperlichen Aktivitäten drei- bis vierjähriger Kinder mitzumachen. Danach ist er geschafft – während die Kinder immer noch, von kurzen Pausen unterbrochen, weiter agieren können, wollen und müssen. Kinder leiden, wenn ihr altersgemäßer Bewegungsdrang unterdrückt wird. Am meisten, wenn sie womöglich für mobile Aktivitäten auch noch mit Bewegungs- und Liebesentzug bestraft werden.
Diesen Kindern widerfährt Schlimmes, sie werden motorisch depriviert. Das heißt: Sie werden einer für ihren Entwicklungsverlauf wichtigen Erfahrungsmöglichkeit beraubt. Dagegen revoltieren sie lautstark, setzen sich mit Händen und Füßen zur Wehr, sobald sie festgehalten werden, still sitzen müssen und nicht rumrennen dürfen. Ruhe wird zum verhassten, gefürchteten Zustand, der – wenn man Glück hat – über einen aufwändigen Umweg nach Jahren wieder zu etwas Erstrebenswertem werden kann.
Aggression ist die erste Reaktion auf diese verhinderte Triebbefriedigung. Völlig gerechtfertigt begehrt ein Kind gegen diese folgenschweren Einschränkungen auf. Doch auf den ersten Blick sieht sein Verhalten zunächst einmal nur böse und ungezogen aus. Das Kind gefährdet andere – oft auch sich selbst –, bis endlich jemand den wahren Grund für diese extremen Reaktionen erkennt und sich die Mühe macht, die zugrunde liegenden Zusammenhänge zu verstehen – und dann noch für Änderung sorgt.
Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Stark von Anfang an
Kinder auf dem Weg zur Resilienz begleiten
Haug-Schnabel, Gabriele
Schmid-Steinbrunner, Barbara
Oberstebrink
ISBN: 9783934333451
20,00 €
Einer für Alle – Alle für Einen!
Akzeptanz und Toleranz sind das Fundament der Freundschaft
Eigentlich sollte es immer so sein“, meint Max. „Dass jeder dem anderen hilft …“
„Dann bleiben wir einfach immer zusammen!“,
rufen die Freunde.
„Einer für alle – Alle für Einen!“
Das sind die letzten Zeilen, nicht aus Alexandre Dumas „Die drei Musketiere“ wie man angesichts des Spruchs zunächst meinen möchte, sondern aus dem Bilderbuch von Brigitte Weninger und Eve Tharlet mit demselben Titel „Einer für Alle – Alle für Einen!“.
Das Buch gibt es nun schon seit 13 Jahren. Aber weil es so besonders ist, verdient es eine besondere Erwähnung. Denn in der Tiergeschichte geht es um die fünf Freunde Max Maus, Molli Maulwurf, Fido Frosch, Anni Amsel und Ivan Igel. Sie alle haben ein Handicap. Jeder hat aber auch besondere Stärken – auch wenn sie manchmal nicht so leicht zu erkennen sind. Und so ist jeder für sich etwas Besonderes und gemeinsam sind sie richtig stark.
Brigitte Weninger erzählt ihre kleine Geschichte mit wenigen, aber klaren und treffenden Worten. Eve Tharlet hat dazu schöne Bilder gemalt. Jedes davon erzählt nochmal eine kleine eigene Geschichte, die zum Verweilen einladen.. So gibt es viel zum Schauen, aber noch mehr zum Nachdenken und Reden. Denn Weninger hat klare Botschaften. Dabei stehen Freundschaft, Toleranz, Respekt und Solidarität im Mittelpunkt. Kaum zu glauben, dass so viel in zwischen den wenigen Seiten eines Bilderbuchs stecken kann. Das sind einige der wichtigsten Werte, die wir an Kinder vermitteln sollten. Deshalb ist „Einer für Alle – Alle für Einen!“ nicht nur ein tolles Bilderbuch, das Kindern auch gefällt, sondern auch eine wunderbare Geschichte, gespickt mit den aktuellen Themen. Eben ein ganz besonderes Bilderbuch.
Neben dem Bilderbuch ist auch eine Softcoverband mit DVD erschienen. Beim Abspielen der DVD lassen sich vier Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch) anwählen, mit oder ohne Untertitel.
Brigitte Weninger/Eve Tharlet
Einer für Alle – Alle für Einen!
Hardcover, A4, 32 Seiten
ISBN 978-3-86566-034-3
12,95 €