März 2023

Top Themen Ernährung

AOK-Familienstudie: "Nachhaltige Ernährung gehört in die Lehrpläne"

Annie Spratt auf Unsplash
Annie Spratt auf Unsplash

Viele Eltern sehen die Zukunft ihrer Kinder durch die Klimakrise zwar bedroht, doch nur ein Drittel misst einer nachhaltigen Ernährung eine hohe Bedeutung bei. Laut aktuellem wissenschaftlichen Studienbericht zur AOK-Familienstudie 2022, deren zentrale Ergebnisse Ende vergangenen Jahres vorgestellt wurden, zeigt sich ein großes Wissensdefizit rund um nachhaltige Ernährung. Insbesondere der Bildungsgrad der Eltern hat großen Einfluss darauf, wie nachhaltig sich Familien ernähren. "Nachhaltige Ernährung ist Teil der Gesundheitsbildung und gehört in die Lehrpläne", fordert AOK-Vorständin Dr. Carola Reimann. Bereits in der Kita müsse begonnen werden, dieses Wissen erlebbar zu machen. Kinder brauchen zudem mehr gesunde Angebote in den Kitas und Schulen. Deshalb müssen die Qualitätskriterien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Gemeinschaftsverpflegung verbindlich mit der Ernährungsstrategie der Bundesregierung festgeschrieben werden.

Für die AOK-Familienstudie wurden vom IGES Institut bundesweit rund 8.500 Eltern befragt. Obwohl 82 Prozent in der Klimakrise eine große Bedrohung für die Zukunft ihrer Kinder sehen und 79 Prozent den Einfluss der Ernährung auf Klima und Umwelt als bedeutsam einschätzen, wirkt sich das nicht gleichermaßen positiv auf das Ernährungsverhalten im Alltag aus. Laut des ermittelten Summen-Scores zur nachhaltigen Ernährung, in den unter anderem Ergebnisse zum Fleischkonsum, der Zubereitung von Speisen und Nachhaltigkeitsaspekte eingeflossen sind, erachten nur 32 Prozent der befragten Eltern nachhaltige Ernährung für bedeutend oder sehr bedeutend. Auffällig ist, dass im Süden Deutschlands und in den Stadtstaaten wie Berlin, Bremen und Hamburg einer nachhaltigen Ernährung eine höhere Bedeutung beigemessen wird als in anderen Regionen Deutschlands.

Laut AOK-Familienstudie glaubt sogar mehr als jeder Dritte (38 Prozent), dass nachhaltige Ernährung ungesund sei. Weniger als die Hälfte (41 Prozent) haben ihr Ernährungsverhalten auf Grund der Klimakrise hin zu mehr Nachhaltigkeit verändert.

Unter nachhaltiger Ernährung versteht man eine vollwertige Ernährung, die sowohl für die menschliche Gesundheit als auch für die ökologische Nachhaltigkeit optimal ist und als "Planetary Health Diet" bezeichnet wird. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer pflanzenbetonten Ernährung, bei der Vollkornprodukte, Obst, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte einen größeren Anteil ausmachen. Fleisch und Milchprodukte sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Ernährung, jedoch in einem deutlich reduzierten Umfang.

Kinderzeit-Podcast: Nachhaltiges Kita-Essen

Bildungsgrad beeinflusst nachhaltige Ernährung

Der sozioökonomische Status sowie insbesondere der Bildungsgrad der Eltern haben großen Einfluss darauf, wie nachhaltig sich Familien ernähren. Während für 39 Prozent der Befragten mit Hochschulreife nachhaltige Ernährung eine sehr hohe oder hohe Bedeutung hat, ist das für Befragte mit einem Haupt- oder Volksschulabschluss nur bei 23 Prozent der Fall. Auch wer in Regionen lebt, die durch besondere soziale Problemlagen gekennzeichnet sind, ernährt sich seltener umwelt- und klimafreundlich. "Hier muss sich Politik stärker um die sozialen Rahmenbedingungen kümmern, damit sozial benachteiligte Familien einen besseren Zugang zu nachhaltiger Ernährung erhalten," sagt Reimann.

Grundsätzlich wünschen sich 87 Prozent der Eltern, dass ihre Kinder etwas über klima- und umweltfreundliche Ernährung in der Schule lernen. "Das Kultusministerium in Baden-Württemberg zeigt mit ,Science Kids', dass Gesundheitsbildung in die regulären Unterrichtsfächer der ersten bis zur zehnten Klasse integriert werden kann. Es fehlt nicht an Geld, sondern am politischen Willen, dieses Modell bundesweit an alle Schulen zu bringen ", so Reimann.

Wissenslücken durch breite gesellschaftliche Anstrengungen schließen

Noch an anderen Stellen zeugen die Ergebnisse der AOK-Familienstudie von Wissensdefiziten der Eltern: So weisen 43 Prozent eine inadäquate oder problematische Ernährungskompetenz auf. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) geben an, bereits auf eine umwelt- und klimafreundliche Ernährung zu achten, obwohl sie gleichermaßen pflanzliche und tierische Produkte konsumieren (Mischkost). Knapp drei Viertel (70 Prozent) der Eltern findet es zu kompliziert, neben gesunder Ernährung auch auf Klima- und Umweltfreundlichkeit zu achten. Während im Norden und Osten zwischen 21 und 41 Prozent der Kinder fleischreduziert ernährt werden, sind es im Westen bis zu 42 und in Berlin sogar 47 Prozent. "Dieses offenkundige Wissensdefizit gilt es zu schließen. Dafür braucht es breite gesellschaftliche Anstrengungen", fordert Reimann.

Immer mehr Heranwachsende werden ganztags betreut und essen mittags in Kitas und Schulen. 83 Prozent der befragten Eltern halten es für wichtig, dass ihr Kind außer Haus gesund und nachhaltig verpflegt wird. "Deshalb müssen die DGE-Qualitätskriterien für die Gemeinschaftsverpflegung verbindlich in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung festgeschrieben und in Kitas und Schulen umgesetzt werden", fordert Reimann und ergänzt: "Dafür ist die Bereitschaft von Bund, Ländern und Kommunen zur gemeinschaftlichen Finanzierung von gesunder Ernährung nötig." Allen Kindern und Jugendlichen müssen unabhängig vom Einkommen der Eltern qualitativ hochwertige und ausgewogene Mahlzeiten angeboten werden.

 


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Für einen Nationalen Bildungsgipfel: Breiter Appell an Bundeskanzler und Länderchef:innen

Bertelsmann Stiftung

Für einen Nationalen Bildungsgipfel: Breiter Appell an Bundeskanzler und Länderchef:innen

Leistungsdefizite, Chancenungleichheit, Pädagog:innenmangel: Die massiven Probleme im deutschen Bildungssystem verletzen die Rechte jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung und haben Folgeschäden für die gesamte Gesellschaft. Deshalb erfordern sie politisches Handeln in gesamtstaatlicher Verantwortung. Ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften appelliert an den Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder, mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten.

Die Lösung der massiven Probleme im deutschen Bildungssystem duldet keinen weiteren Aufschub. Aus dieser Überzeugung heraus richtet ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften einen gemeinsamen Appell an alle Verantwortlichen in der Politik. Anlass ist der heutige Bildungsgipfel am Rand der Bildungsforschungstagung des Bundesbildungsministeriums, der mit Blick auf Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmende der Dimension der Herausforderung nach Ansicht der Unterstützer:innen des Appells nicht gerecht wird. "Es ist höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschef:innen der Bundesländer einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen. Dieser Gipfel sollte alle relevanten Akteur:innen in der Bildung an einen Tisch bringen und den Auftakt zu einem grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Reformprozess markieren, um einen Neustart in der Bildung einzuleiten“, appellieren die Unterstützer:innen.

Die Alarmsignale sind längst unverkennbar und zeigen sich bereits in der frühen Bildungsphase: Bundesweit fehlen Hunderttausende Kita-Plätze, zudem können viele Kitas aufgrund einer nicht kindgerechten Personalausstattung ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen. An den Grundschulen wiederum gehen die Leistungen seit Jahren zurück, vor allem in den Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen. Auch an den weiterführenden Schulen sinkt das Leistungsniveau auf allen Ebenen dramatisch. Der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss bleibt hoch. Zugleich wächst die Zahl junger Menschen, die im Berufsleben den Anschluss verlieren: Mehr als eine halbe Million junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren gehen weder einer Arbeit noch einer schulischen oder beruflichen Ausbildung nach. Neben individuellen Risiken erwachsen daraus auch soziale und wirtschaftliche Belastungen für die Gesellschaft. Ein Kernproblem deutscher Bildungspolitik bleibt über alle Bildungsstufen hinweg ungelöst: Bildungserfolge hängen hierzulande noch immer zu stark von der sozialen Herkunft ab. Auf diese Weise werden die Chancen und Rechte von Kindern und Jugendlichen beschnitten und Begabungen vergeudet.

Strukturelle Probleme angehen: Fachkräftemangel, Finanzierung, Steuerung

Obwohl sich alle Beteiligten viel Mühe geben: Dem Bildungssystem gelingt es immer weniger, die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Das liegt zum einen am massiven Mangel an Lehrer:innen und pädagogischen Fachkräften, der sich in den kommenden Jahren noch zu verschärfen droht. Darunter leiden nicht nur die Verfügbarkeit und Qualität der Bildungsangebote an Schulen und Kitas, sondern auch das vorhandene Personal. Die steigende Arbeitsbelastung, insbesondere durch nicht-pädagogische Aufgaben, mindert die Attraktivität der Berufsbilder und schreckt künftige Nachwuchskräfte ab. Die Engpässe haben auch Folgen für die Wirtschaft: Fehlende Plätze in Kitas und der Ganztagsförderung von Grundschüler:innen erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, während häufiger Unterrichtsausfall die Vermittlung grundlegender Kompetenzen für die Fachkräfte von morgen behindert.

Ein weiteres Problem stellt die Finanzierung des Bildungssystems dar. Sie ist häufig weder auskömmlich noch sozial gerecht. Gerade im Bereich der außerschulischen Angebote ist das Geld zu knapp und nicht langfristig zugesichert. Zudem werden Gelder noch immer zu oft nach dem Gießkannenprinzip verteilt, anstatt sie gezielt dort einzusetzen, wo sie am meisten bewirken können.

Schließlich behindert die Struktur des Bildungssystems selbst Anpassungen und Reformen. Die unsystematische Verflechtung der politischen Ebenen erfordert komplexe Abstimmungen, sowohl zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den jeweils beteiligten Ressorts, als auch mit den Trägern. Wohin das führt, zeigen zum Beispiel die zähe Umsetzung des Digitalpakts, der schleppende Ausbau des Ganztagsangebots für Grundschulkinder, die stagnierende Inklusion oder das Fehlen bundesweiter Qualitätsstandards in vielen Bereichen. Gefragt ist eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen, wie sie der Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hat.

Es braucht eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen

Allerdings lässt es die Dringlichkeit der Probleme nicht zu, auf eine Neuordnung der kommunalen und föderalen Zuständigkeiten zu warten. Die Missstände im Bildungswesen reichen weit über Kitas und Schulen hinaus. Sie gefährden sowohl die Chancen und Rechte jedes einzelnen jungen Menschen als auch die Zukunft unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie. Bildung soll den jungen Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung helfen und Orientierung bieten. Sie soll es ihnen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, an der Gesellschaft teilzuhaben und diese mitzugestalten. Sie soll ihnen die Kompetenzen vermitteln, um in der immer komplexeren Arbeitswelt ihren Platz zu finden. Bildung ist die Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand, Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit unserer demokratischen Gesellschaft. Daher ist es erforderlich, jetzt die Weichen für ein leistungsfähigeres, begabungs- und chancengerechteres Bildungssystem zu stellen.

Um den dringend benötigten Reformprozess herbeizuführen, braucht es eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen. Ein Nationaler Bildungsgipfel wäre das starke Signal, die Bildung endlich zur gemeinsamen Chef:innensache zu erklären. Der Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder haben das nötige Gewicht, um gemeinsam mit den Bildungs-, Wissenschafts- und Jugendminister:innen von Bund und Ländern, Vertreter:innen aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, Zivilgesellschaft sowie von Eltern und Schüler:innen zusammenzubringen. Der Nationale Bildungsgipfel sollte den Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess mit gemeinsamen Arbeitsstrukturen markieren. Dabei müssen sich alle relevanten Akteur:innen auf gemeinsame Ziele sowie geeignete Maßnahmen verbindlich einigen und darauf hinwirken, diese in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung pragmatisch, lösungsorientiert und entschlossen umzusetzen. Denn nur mit vereinten Kräften kann der Neustart in der Bildung als elementare Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gelingen.

Den Appell unterstützen:

Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.
Allgemeiner Schulleitungsverband Deutschlands (ASD)
Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.
Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Bertelsmann Stiftung
BöfAE e.V. (Bundesarbeitsgemeinschaft öffentlicher und freier Ausbildungsstätten für Erzieherinnen und Erzieher)
Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt)
Bundeselternrat
Bundesverband der Kita- und Schulfördervereine e.V.
Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V. (BvLB)
Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
Deutsche Liga für das Kind e.V.
Deutsche Telekom Stiftung
Deutscher Caritasverband
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Deutscher Lehrerverband
Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Deutsches Komitee für UNICEF e.V.
Diakonie Deutschland
Dieter Schwarz Stiftung
Dieter von Holtzbrinck Stiftung GmbH
Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule – Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V. (GGG)
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Grundschulverband e.V.
Heraeus Bildungsstiftung
Karg-Stiftung
Kita-Fachkräfte-Verband Hessen e.V.
Kita-Fachkräfteverband Niedersachsen-Bremen e.V.
komba gewerkschaft
Körber-Stiftung
Landesverband Sozialpädagogischer Fachkräfte Berlin e.V.
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V.
Reinhard Mohn Stiftung
Robert Bosch Stiftung
Schöpflin Stiftung
SOS-Kinderdorf e.V.
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Stiftung Bildung
Stiftung Haus der kleinen Forscher
Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. - Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft
Verband für Kitafachkräfte NRW e.V.
Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg
Verband Kita-Fachkräfte Bayern e.V.
Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz
Verband Kitafachkräfte Saar
Verband Sonderpädagogik e.V.
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di
Vodafone Stiftung Deutschland
Wübben Stiftung
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland


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Forscheridee im März: Wasser filtern – fast wie im All

© Thomas Ernst / Stiftung Haus der kleinen Forscher

Wasser filtern – fast wie im All

Wie jeder andere Mensch benötigen auch die Astronautinnen und Astronauten an Bord der ISS täglich frisches, sauberes Wasser. Im Weltall gibt es aber keine Quelle und es wäre viel zu teuer, ständig frisches Wasser von der Erde zur ISS zu transportieren. Also muss das vorhandene Wasser immer wieder gereinigt und erneut verwendet werden. Dabei wird jeder Tropfen eingesammelt, sogar aus der Atemluft und dem Urin der Crewmitglieder.

Sie brauchen:

  • Wasser
  • Erde, Sand, Kies, Gras, Blätter, Zweige, kleine Steine
  • Grobe und feine Siebe
  • Kaffeefilterpapier, Watte, Stoffreste
  • Durchsichtige Plastikbecher (oder abgeschnittene Plastikflaschen)
  • Schüsseln oder Eimer

Alltagsbezug aufgreifen

130 Liter – fast eine Badewanne voll – so viel Wasser verbraucht im Durchschnitt jeder Mensch in Deutschland an einem einzigen Tag! Überlegen Sie gemeinsam mit den Kindern, wofür wir überhaupt so viel Wasser brauchen: Zum Trinken, zum Waschen, zum Saubermachen, zum Kochen, zum Blumengießen, zum Matschen in der Sandkiste, zum Tuschen mit Wasserfarben – was fällt den Kindern noch ein?

Für uns ist es selbstverständlich, dass jederzeit frisches, klares Wasser aus dem Wasserhahn kommt. Aber was wäre, wenn nicht? Wie könnten wir das Wasser, das wir im Laufe des Tages dreckig gemacht haben, wieder sauber kriegen?

Tag der kleinen Forscher 2023 - Wasserfilter selber bauen

Reinigung von Wasser auf der Erde

Auf der Erde filtern wir die Flüssigkeiten im Prinzip wie im All, nur in einem viel größeren Maßstab: Unser Schmutzwasser wird in großen Kläranlagen gereinigt und aufbereitet, so dass es anschließend wieder Trinkwasserqualität hat. Auch in der Natur finden ähnliche Vorgänge statt: das versickernde Wasser läuft durch mehrere Erdschichten, die wie Filter wirken. In den darunterliegenden Schichten sammelt es sich dann als sauberes Grundwasser. Erkunden Sie gemeinsam mit den Kindern, wie sie Erde, Sand und Kies als Filter nutzen können und bauen Sie eine kleine Wasserreinigungsanlage.

Experimentieren mit dem Wasserfilter

Schritt 1: Dreck rein ins Wasser

Stellen Sie zunächst Dreckwasser her. Die Kinder geben dazu z. B. Sand, Erde, kleine Ästchen, Steinchen und verdorrte Blätter in einen Eimer oder eine Schüssel voll Wasser. Betrachten Sie gemeinsam das Schmutzwasser. Was beobachten die Kinder? Was schwimmt oben, was sinkt zu Boden und welche Verunreinigungen haben sich gleichmäßig im Wasser verteilt?

Schritt 2: Dreck raus aus dem Wasser

Fragen Sie die Kinder, wie man den Dreck wieder aus dem Wasser herausholen kann. Vielleicht mit einem Löffel? Oder gelingt es, das Wasser so abzugießen, dass nur der Schmutz im Eimer bleibt? Welche Ideen haben die Kinder? Probieren sie es gemeinsam aus. Schlagen Sie dann vor, das Wasser zu filtern. Bieten Sie den Kindern grobe und feine Siebe an, z. B. aus der Küche oder der Sandkiste, und bauen Sie eigene Filter aus den Plastikbechern: Stechen Sie vorsichtig kleine Löcher in die Böden der Becher. Decken Sie die Löcher mit kleinen Steinen oder Tonscherben ab oder legen Sie eine Filtertüte hinein. Dann werden die Becher mit Sand, Kies oder Erde gefüllt. Was könnte noch als Filter dienen, vielleicht Watte, Küchenkrepp, Stoffreste oder ein Stück Fliegengitter?

Im nächsten Schritt testen die Kinder, wie gut sich die selbstgebauten Filter zur Reinigung des Wassers eignen. Welche Probleme treten auf und wie könnte man sie beheben? Läuft das Wasser zu schnell durch, ohne dabei sauberer zu werden? Oder verstopft der Filter zu schnell, weil Blätter und Zweige alles blockieren? Regen Sie die Kinder dazu an, die verschiedenen Filter nacheinander einzusetzen, so dass das Wasser von Schritt zu Schritt sauberer wird: Zuerst werden die groben Verunreinigungen entfernt, z. B. mit einem grobmaschigen Sieb. Im nächsten Schritt könnte der Kiesfilter zum Einsatz kommen, um mittelgroße Dreckstücke aus dem zu Wasser filtern. Im Anschluss könnte das Wasser noch durch den Sandfilter laufen, usw., bis es möglichst klar und frei von Verunreinigungen ist.

Der Wasserfilterturm

Das Wasser nacheinander durch all diese Filter zu gießen ist ganz schön mühselig und zeitaufwändig. Schlagen Sie deshalb vor, die Becherfilter zu einem Turm zusammenzusetzen, in dem das Wasser in einem einzigen Durchgang gereinigt wird. Welcher Filter kommt ganz nach oben, welcher nach unten? Wie viele Filter braucht es dazwischen? Lassen Sie die Kinder gemeinsam diskutieren, planen und ausprobieren: Bei welcher Anordnung wird das Wasser am saubersten? Was lässt sich verändern oder ergänzen, damit die selbstgebaute Anlage möglichst reibungslos läuft?

Hinweis: Das so gereinigte Wasser sollte auf keinen Fall getrunken werden! Auch wenn es sauber aussieht, können Mikroorganismen und andere gesundheitsschädliche Partikel darin enthalten sein.

Kinderzeit-Podcast: Forschendes Lernen in der Kita

Wissenswertes für Erwachsene

Nicht jede Verunreinigung lässt sich mit solchen „physikalischen“ Filtern aus dem Wasser entfernen, denn viele Substanzen lösen sich im Wasser auf oder gehen chemische Verbindungen mit ihm ein. In Kläranlagen wird das Wasser deshalb zusätzlich mit weiteren Methoden gereinigt, z. B. mit der sogenannten biologischen Reinigung. Sie ist der Natur nachempfunden: Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen bauen organische Verbindungen (z. B. Exkremente) im Schmutzwasser ab. Anschließend folgt eine chemische Reinigung, die z. B. Rückstände von Waschmitteln, Lebensmittelzusätzen und weitere gesundheitsschädliche Substanzen entfernt.

Neben Wasser sind auch Luft und Energie wichtige Ressourcen, mit denen an Bord der ISS äußerst schonend und nachhaltig umgegangen werden muss, denn sie sind nur sehr begrenzt verfügbar. Und was im Kleinen für die Raumstation gilt, gilt auch für die Erde, nur im größeren Maßstab: unsere Ressourcen sind begrenzt! Darum wird gelegentlich auch vom „Raumschiff Erde“ gesprochen. Je nach Alter und Vorerfahrungen der Kinder können Sie dieses Experiment zum Anlass nehmen, darüber zu diskutieren, was wir aus der bemannten Raumfahrt für die Erde lernen können. Welche Probleme gibt es hier mit Wasser, Luft und Energie? Was könnte man verbessern?

Malt ein Missionslogo für eine echte Forschungsrakete!

Zum „Tag der kleinen Forscher“ gibt es in diesem eine besondere Aktion: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ laden alle Kitas, Horte und Grundschulen ein, ihr eigenes Missionslogo für eine echte Forschungsrakete des DLR zu gestalten. Also an die Stifte, fertig, los! Einsendeschluss ist am 15. April 2023. Alle Informationen zur Aktion gibt es unter https://www.tag-der-kleinen-forscher.de/mitforschen/mal-aktion.

 

Die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“

Die gemeinnützige Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ engagiert sich für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) – mit dem Ziel, Mädchen und Jungen stark für die Zukunft zu machen und zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Gemeinsam mit ihren Netzwerkpartnern vor Ort bietet die Stiftung bundesweit ein Bildungsprogramm an, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei unterstützt, Kinder im Kita- und Grundschulalter qualifiziert beim Entdecken, Forschen und Lernen zu begleiten. Das „Haus der kleinen Forscher“ verbessert Bildungschancen, fördert Interesse am MINT-Bereich und professionalisiert dafür pädagogisches Personal. Partner der Stiftung sind die Siemens Stiftung, die Dietmar Hopp Stiftung, die Dieter Schwarz Stiftung und die Friede Springer Stiftung. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.


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Trotz Betreuungswunsch bekommt in Familien, die zuhause kein Deutsch sprechen, nur jedes zweite Kind einen KiTa-Platz

Ob Kinder einen Betreuungsplatz in einer KiTa bekommen, hängt stark von den sozioökonomischen Verhältnissen der Eltern ab. Daran hat sich auch zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen KiTa-Platz nach dem vollendeten ersten Lebensjahr wenig geändert. Zu diesem Schluss kommt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in einer neuen Studie. Demnach haben Kinder aus bildungsferneren Familien, aus armutsgefährdeten Verhältnissen oder aus Haushalten, in denen kein Deutsch gesprochen wird, deutlich geringere Chancen auf einen Betreuungsplatz. Die Forscherinnen und Forscher des BiB empfehlen, gerade für diese Kinder Zugangsbarrieren zu frühkindlicher Bildung weiter abzubauen.

Geringe Teilhabe von Kindern aus armutsgefährdeten Familien

Im Jahr 2020 hatte nur etwa jedes vierte (23 %) armutsgefährdete Kind unter drei Jahren einen Platz in einer KiTa, während es bei Familien aus nichtprekären Verhältnissen doppelt so viele waren (46 Prozent). Gleichzeitig ist die Betreuungslücke bei KiTa-Plätzen in ärmeren Familien viel größer – sie beträgt rund 17 Prozent, bei reicheren Familien ist nur etwa jeder zehnte Betreuungswunsch nicht erfüllt. „Armutsgefährdete Familien sind in einem sehr viel größeren Umfang in der Teilhabe beschränkt als wohlhabendere“, fasst der Ökonom und Mitautor Dr. Mathias Huebener zusammen, „und diese Unterschiede haben sich über die Zeit sogar verstärkt“.

Größter Betreuungsbedarf in Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen

Ein ähnliches Muster zeigt sich bei Familien mit Migrationshintergrund. Unter allen Kindern, die zu Hause hauptsächlich Deutsch reden, besuchen 38 Prozent eine KiTa. Unter Jungen und Mädchen, in deren Familien kein Deutsch gesprochen wird, sind es hingegen nur 24 Prozent. Dr. Sophia Schmitz, Mitautorin der Studie, weist auf eine große Betreuungslücke hin: „Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen, äußern genauso häufig einen Wunsch nach einem KiTa-Platz wie andere Familien. Trotzdem gehen diese Kinder viel seltener vor dem 3. Lebensjahr in KiTas: Nur jedes zweite Kind besucht eine Kita, trotz eines Betreuungswunsches der Eltern.“ Vor dem Hintergrund, dass diese Kinder von einem frühen KiTa-Besuch und einem schnellen Spracherwerb besonders profitieren würden, seien diese Befunde alarmierend.

Frühzeitige Bildungsteilhabe von hoher gesellschaftlicher Bedeutung

Trotz vielfältiger Ausbaubemühungen in den vergangenen Jahren halten die Autorinnen und Autoren der Studie zusätzliche Anstrengungen für nötig. „Wenn wir Bildungsungleichheiten verringern wollen und möchten, dass alle Kinder ihre Potenziale bestmöglich entfalten, dann müssen wir die Teilhabechancen für alle Kinder erhöhen“, resümiert Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB und ebenfalls Mitautorin der Studie. Dazu gehört auch, Familien niedrigschwellig über die Vorteile einer frühen KiTa-Bildung zu informieren oder Eltern bei der Suche nach Betreuungsplätzen aktiv zu unterstützen – aber auch der weitere Kita-Ausbau gehört dazu. „Wenn man bedenkt, dass heute nahezu jedes zweite Kind unter zehn Jahren eine Zuwanderungsgeschichte hat, müssen Zugangsbarrieren zu einer guten frühkindlichen Bildung für Kinder mit Migrationshintergrund dringend abgebaut werden“, so Spieß weiter. Dies sei auch im Hinblick auf die alternde Gesellschaft in Deutschland eine wichtige Aufgabe, denn Bildungsinvestitionen in der frühen Kindheit seien im Vergleich zu späteren Bildungsphasen besonders effizient.

Umfassende Datenanalyse zur Betreuungssituation

Die Untersuchung basiert auf der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) für die Jahre 2013 bis 2020 und beruht auf den aktuellsten Daten, die der Forschung gegenwärtig zur Verfügung stehen. Sie sind repräsentativ für Deutschland und umfassen Informationen von etwas weniger als 96.000 Kindern unter drei Jahren zu KiTa-Betreuungswünschen der Eltern sowie der tatsächlichen KiTa-Nutzung.

Zum Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz

Der bundesweite Rechtanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege ab dem ersten vollendeten Lebensjahr wurde zum 1. August 2013 eingeführt. Seitdem ist der quantitative KiTa-Ausbau im U3-Bereich weiter vorangeschritten und wurde durch weitere Gesetze und Investitionsprogramme zu qualitativen Verbesserungen – wie dem Gute-KiTa-Gesetz - erweitert. Das Gute-KiTa-Gesetz sah vor, die Qualität der frühen Bildung, Erziehung und Betreuung in den Einrichtungen bundesweit weiterzuentwickeln und die Teilhabe in der Kindertagesbetreuung zu verbessern. Zur weiteren Finanzierung dieses Vorhabens trat zum 1. Januar 2023 das KiTa-Qualitätsgesetz in Kraft; dabei unterstützt der Bund die Länder in den kommenden beiden Jahren mit insgesamt rund vier Milliarden Euro.


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Elternarbeit: Kleine Hilfe reicht für Erfolg bei Kita-Platz und Arbeitsmarkt

Um mehr bildungsferneren Familien einen Kita-Platz zu ermöglichen, reicht schon eine geringe Unterstützung bei den Bewerbungen aus. Eine neue Studie zeigt, dass Mütter anschließend länger arbeiten und sich der Einkommensunterschied zwischen Müttern und Vätern verringert. Dieser Effekt konnte erstmals kausal für Frauen mit vergleichsweise niedrigem Schulabschluss nachgewiesen werden, die am Arbeitsmarkt besonders benachteiligt sind.

In Deutschland trägt die Geburt eines Kindes nach wie vor stärker als in vergleichbaren Ländern dazu bei, dass Frauen langfristig weniger arbeiten und verdienen. Für Frauen mit niedrigem Schulabschluss ist der sogenannte Gender-Gap bei der Arbeitszeit besonders groß. Auffällig ist, dass weniger gebildete Eltern deutlich seltener Betreuungsangebote für Kinder bis drei Jahren wahrnehmen als besser gebildete Eltern.

„Ein wichtiger Grund für diese Ungleichheit ist die komplizierte, dezentralisierte und vielfach intransparente Vergabe der Kita-Plätze. Höher gebildete Eltern haben hier Vorteile, weil sie oft mehr Wissen und Ressourcen haben, um das Anmeldeverfahren erfolgreich zu durchlaufen“, so beschreibt Dr. Henning Hermes von der Universität Düsseldorf die Hypothese eines Teams aus mehreren Forschungseinrichtungen.

Die Wissenschaftler:innen haben deshalb untersucht, ob bildungsferneren Familien der Zugang zu Kita-Plätzen erleichtert werden kann und ob Frauen dadurch bei Arbeitszeit und Einkommen profitieren. Sie befragten zunächst mehr als 600 Familien mit Kindern unter einem Jahr. Anschließend sah ein Teil der Eltern ein vierminütiges Informationsvideo über den Anspruch auf Betreuung, die Gebührenbefreiung bei niedrigem Einkommen sowie die Vorteile, die frühzeitige und mehrfache Bewerbungen bringen. Außerdem bekamen sie das Angebot, bei der Kita-Bewerbung individuell von (dafür geschulten) Studierenden unterstützt zu werden. Diese recherchierten beispielsweise Informationen über Betreuungseinrichtungen und Bewerbungsverfahren, halfen beim Ausfüllen von Formularen und erinnerten an wichtige Termine. Ein halbes Jahr und anderthalb Jahre später wurden die Familien erneut befragt.

Deutliche Steigerung von Arbeitszeit und Einkommen der Mütter

Eine erste, bereits 2021 publizierte Analyse zeigte: Der Anteil der Familien mit einem Kita-Platz war unter den bildungsferneren Familien, denen bei der Bewerbung geholfen worden war, um rund zwei Drittel größer. Gleichzeitig kümmerten sich die Väter mehr um die Kinder, wodurch die Ungleichheit zwischen Müttern und Vätern beim Betreuungsaufwand um 30 Prozent geringer war.

Nun hat das Forschungsteam für die Mütter mit niedrigerem Schulabschluss gezeigt: Aufgrund der Entlastung durch die Kindertagesstätten konnten viele Frauen Vollzeit oder mit einer substanziellen Arbeitszeit in ihren Beruf zurückkehren. Mütter, denen bei der Kita-Bewerbung geholfen wurde, arbeiteten rund zweieinhalb Mal so häufig mindestens 30 Stunden pro Woche wie Mütter, die nicht unterstützt wurden. Im Vergleich arbeiteten sie wöchentlich fünf Stunden mehr. In den unterstützten Familien war zudem die Wahrscheinlichkeit einer Rollenverteilung, bei der der Vater Vollzeit und die Mutter Teilzeit arbeitet, um 20 Prozent geringer.

Die Arbeitszeiten wirkten sich deutlich auf die finanziellen Verhältnisse der bildungsferneren Familien aus. In den unterstützten Familien war das Einkommen der arbeitenden Mütter 22 Prozent höher, das Haushaltseinkommen dadurch 10 Prozent höher. Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen fiel innerhalb der Haushalte rund ein Drittel kleiner aus.

Bei Familien mit höherem Bildungsabschluss hatte die Unterstützung bei der Kita-Bewerbung dagegen keine Effekte – weder auf die Kita-Betreuung noch auf Arbeitszeiten oder Einkommen der Mütter.

Nur anderthalb Stunden Unterstützung nötig

„Ein besserer Zugang zu Kita-Betreuung führt zu mehr Gerechtigkeit – sowohl zwischen höher und niedriger gebildeten Familien als auch innerhalb der Familien zwischen Vätern und Müttern. Das gilt für die Aufteilung der Betreuungszeiten genauso wie für die Arbeitszeiten und das Einkommen“, sagt Prof. Dr. Philipp Lergetporer von der Technischen Universität München (TUM).

Die Untersuchung ist die erste randomisiert kontrollierte Studie (bei der Teilnehmer:innen zufällig unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden), die nachweist, dass der Kita-Zugang tatsächlich einen Effekt auf die Arbeitsmarktbeteiligung von Müttern mit niedrigerem Schulabschluss hat. „Das ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil Frauen ohne Abitur schon vor der Geburt eines Kindes weniger arbeiten als Frauen mit Abitur“, sagt Marina Krauß von der Universität Augsburg.

Um diese Ziele zu erreichen, ist nur wenig Aufwand nötig – die Studierenden halfen den Familien im Mittel lediglich anderthalb Stunden. „Unterstützung für Familien, die Schwierigkeiten haben, sich mit dem Kita-System zurechtzufinden, ist also ein einfaches Mittel mit großem Ertrag“, sagt Dr. Frauke Peter vom Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). „Noch sinnvoller wäre es allerdings“, betont Prof. Dr. Simon Wiederhold von der KU Eichstädt-Ingolstadt, „die Bewerbungsverfahren so stark zu vereinfachen und die Zahl der Kita-Plätze so zu erhöhen, dass gar keine Unterstützung von außen mehr nötig ist.“

Über das Forschungsprojekt:

Am Forschungsprojekt waren das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, die Technische Universität München (TUM), die Universität Augsburg und das ifo Institut beteiligt. Sie wurde gefördert von der Jacobs Foundation und dem Research Council of Norway.

Henning Hermes, Marina Krauß, Philipp Lergetporer, Frauke Peter, Simon Wiederhold. Early Child Care and Labor Supply of Lower-SES Mothers: A Randomized Controlled Trial. Munich Papers in Political Economy, Working Paper No. 07/2022
http://go.tum.de/089708

Henning Hermes, Philipp Lergetporer, Frauke Peter, Simon Wiederhold. Behavioral Barriers and the Socioeconomic Gap in Child Care Enrollment. CESifo Working Paper No. 9282/2021
https://www.cesifo.org/DocDL/cesifo1_wp9282.pdf


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Das sind die Preisträger des Deutscher Lesepreis 2023

Stiftung Lesen Radke

25.000 Euro Preisgeld, 16 Preisträgerinnen und Preisträger, 6 Kategorien – der Deutsche Lesepreis, eine Initiative von Stiftung Lesen und Commerzbank-Stiftung, ist seit 10 Jahren eine Instanz der Sprach- und Leseförderung. Der Preis honoriert herausragenden Einsatz für die Förderung von Kindern und Jugendlichen in den Kategorien Individuelles und kommunales Engagement, Sprach- und Leseförderung in Kitas und in Schulen sowie die Leseförderung mit digitalen Medien. Die Unternehmerin und Autorin Tijen Onaran erhält als Lesebotschafterin und Gesicht des Ehrenamtsportals der Stiftung Lesen den Sonderpreis für prominentes Engagement der Commerzbank-Stiftung. Der Preis wird unterstützt von Schirmfrau und Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth sowie den weiteren Kategoriepartnern Arnulf Betzold GmbH, Deutscher Städtetag und Deutsche Fernsehlotterie, FRÖBEL e.V. und PwC-Stiftung.

Mona Ameziane, Natalia Avelon, Jo Schück, Melanie Raabe – auf der prominent besetzten Preisverleihung haben die Stiftung Lesen und die Commerzbank-Stiftung den Deutschen Lesepreis 2023 an 16 Personen und Einrichtungen übergeben, die sich nachhaltig für die Leseförderung einsetzen. Die prominente Preisträgerin Tijen Onaran ist nicht nur tatkräftige Lesebotschafterin, sie ist das Gesicht des Ehrenamtsportals der Stiftung Lesen und gibt der Leseförderung eine überzeugende Stimme. Eine Stimme, mit der sie auch andere kontinuierlich motiviert, sich zu engagieren: „Wer selbst liest, weiß, wie viel jede Zeile für die Schule und das Leben allgemein geholfen hat. Leider wird diese Erfahrung in Deutschland nicht allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen ermöglicht. Deswegen sind engagierte Ehrenamtliche und Fachkräfte so enorm wichtig. Meinen Preis nehme ich daher symbolisch für alle entgegen, die sich in für die Leseförderung einsetzen. Vielen Dank für Ihre Energie, die jeden Tag einen echten Unterschied für Kinder und Jugendliche macht.“ Die Preisträgerinnen und Preisträger des Deutschen Lesepreises 2023 wurden aus über 400 Einreichungen ausgewählt.

Preisverleihung im Herzen Berlins mit Schirmfrau Claudia Roth

Die Preisverleihung im Humboldt Carré in Berlin fand am 7. März im feierlichen Rahmen statt und wurde von Lesebotschafterin Jess Schöne moderiert. Schirmfrau und Kulturstaatsministerin im Kanzleramt Claudia Roth unterstreicht: „Lesen ist eine der wichtigsten Grundkompetenzen für eine lebendige Demokratie, weil es das nötige Wissen und Verständnis für eine selbstständige Meinungsbildung im gesellschaftspolitischen Diskurs vermittelt. Deswegen sind Projekte, wie sie der Deutsche Lesepreis auszeichnet, so wichtig. Mit inspirierenden Ideen zeigen sie, wie es im Alltag gelingen kann, noch mehr Menschen für den Wert des Lesens zu begeistern. Dafür danke ich den Preisträgerinnen und Preisträger des Deutschen Lesepreises 2023 sehr.“ Das musikalische Highlight des Abends war Saxofonist Noah Fischer. Der aus dem Panikorchester von Udo Lindenberg bekannte Herzblutmusiker überzeugt mit seiner kreativen Mischung aus Smooth Jazz, Pop und Rock, die das Saxofon von einer ganz neuen Seite zeigt.
 

Die Preisträgerinnen und Preisträger des Deutschen Lesepreises 2023 sind:

Herausragendes individuelles Engagement

Gefördert von der PwC-Stiftung

1. Preis: Lena Stenz: BÜCHERALARM. Leseförderung per Podcast (Hofheim, Hessen)

Aus dem eigenen Bücher-Podcast für Kinder entwickelt Lena Stenz die bundesweite Initiative BÜCHERALARM und BÜCHERALARM@school. Bibliotheken, Büchereien, Schulen und Partner aus ganz Deutschland nutzen das Netzwerk und den Podcastkoffer von Lena Stenz bereits, um gemeinsam Lesen per Podcast zu fördern. Weitere Informationen

2. Preis: Margret Schaaf: MENTOR – Die Leselernhelfer in Hürth und im Bundesverband (Hürth, NRW)

Mentorin, Gründerin, 1. Vorsitzende, Förderin – Margret Schaaf setzt sich seit über einer Dekade für die Leseförderung ein. MENTOREN unterstützen Kinder mit Lese- und Sprachproblemen, um ihnen eine bessere Chance auf einen Schulabschluss und damit ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Weitere Informationen

3. Preis: Anke Heitmeier: „einfach märchenhaft“ – ein inklusives Märchenbuch (Leverkusen, NRW)

Kunst und Lesen verbindet Menschen. Das beweist das inklusive Märchenbuch „einfach märchenhaft“ mit Hörversion und Gebärdensprache. Erstellt von jungen Menschen mit und ohne Behinderung ermöglicht das Buch allen Kindern und Jugendlichen einen barrierefreien Zugang zu märchenhaften Geschichten. Weitere Informationen

 

Herausragendes kommunales Engagement

Gefördert vom Deutschen Städtetag und der Deutschen Fernsehlotterie

1. Preis: Förderverein Kinderzirkus Giovanni e.V. in Kooperation mit Friedrich-Bödecker-Kreis e.V. Niedersachsen und Landeshauptstadt Hannover: Salto Wortale – Kinderliteraturfestival im Zirkuszelt (Hannover, Niedersachsen)

Das interdisziplinäre, bundesweite Netzwerk stellt sinnerfassendes Lesen und die spielerische Auseinandersetzung mit Geschichten in den Mittelpunkt. Die Schülerinnen und Schüler der Stufen 1–5 finden nach einer Lesung im Zirkuszelt in verschiedenen Workshops einen ganz eigenen, kreativen Zugang zu Literatur. Weitere Informationen

2. Preis: Kinderbücherei im Dr. von Haunerschen Kinderspital
LMU-Klinikum: „Lesen hilft – Lesen heilt“ (München, Bayern)

Ängste reduzieren, die eigene Krankheit verstehen, mit Krisen umgehen oder einfach eine Auszeit nehmen – Bücher können bei all dem helfen. Deswegen hat das Team des Kinderkrankenhauses Titel zusammengetragen, die Kinder, Angehörige und Bezugspersonen auch in schwierigen Zeiten unterstützen. Weitere Informationen

3. Preis: Bücherpiraten e. V.: „Wir teilen Geschichten“ (Lübeck, Schleswig-Holstein)

Bücher sind Heimat und heißen Willkommen. Im Rahmen der Aktion „Wir teilen Geschichten“ haben Kinder und Jugendliche zusammen mit Kunstschaffenden bilinguale Geschichten und Illustrationen kreiert, die Menschen aus der Ukraine willkommen heißen und den Familien kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Weitere Informationen

 

Herausragende Sprach- und Leseförderung in Kitas

Gefördert von FRÖBEL e.V.

1. Preis: Kindergarten Sternenhimmel
                Eberhardshof Nürnberg (Nürnberg, Bayern)

Die Sprach-Kita überzeugt mit umfassender Leseförderung und lies sich auch in der Pandemie nicht stoppen. Neben vielseitigem Spiel- und Lesematerial für zu Hause, erfand das Team „Igel Paul entdeckt den Frühling“. Das neuste Projekt bindet die Kinder ein, regt zu kreativen Geschichten an und fördert aktives Vorlesen – übersetzt in die 11 Sprachen der Familien. Mehr Informationen

2. Preis: Kindertagesstätte der Lebenshilfe Watzenborn (Pohlheim, Hessen)

Ob Sprach- oder Forscherwerkstatt oder Rollenspielraum: Die Kita der Lebenshilfe Watzenborn bietet Kindern viele Angebote, mit denen sie ihren eigenen Zugang zur Sprache finden. In den Themenkisten finden die Kinder etwa Lautepuzzle, Bücher, Spiele oder Material für Rollenspiele, die sie allein, gemeinsam oder unterstützt von Sprachförderkräften entdecken können. Mehr Informationen

3. Preis: Kinder- und Familienzentrum Haus Windeck (Bremen-Grohn, Bremen)

Ob Bücherei, Bücherrucksäcke zum Ausleihen oder regelmäßige Besuche von mehrsprachigen Müttern und Vätern zum Vorlesen in der Familiensprache – als lizensierte Sprach- und Bücherkita wird im Kinder- und Familienzentrum Haus Windeck viel Wert auf Sprache in jeglicher Form gelegt, sodass sich jedes Kind abgeholt fühlt.
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Herausragende Leseförderung an Schulen

Gefördert von der Arnulf Betzold GmbH

1. Preis: Grundschule Lorch-Waldhausen (Lorch, Baden-Württemberg)

Fixe Lesezeiten, Büchertipps von Kindern für Kinder, Lesekuscheltiere, Lesepaten, Lesenächte – das Leseförder-programm reicht von kleinen täglichen Anstößen bis zum neuen Herzstück der Grundschule, die Lese-Oase. Sie lädt zusammen mit dem Büchertauschregal Kinder zum gemeinsames Lesen und Austausch ein. 

2. Preis: Cusanus-Gymnasium Wittlich (Wittlich, Rheinland-Pfalz)

Von Autorenlesungen, über Austauschprogramme, Lesetrollys, Tandemlesen, Poetry-Workshops bis Fremdsprachenabende – das Gymnasium sorgt dafür, dass junge Menschen einen ganz persönlichen Bezug zu Lesen und Sprache entwickeln können.  Mehr Informationen

3. Preis: Geschwister-Scholl-Schule
Grundschule der Stadt Leipzig (Leipzig, Sachsen)

Einen speziellen Leseraum hat die Grundschule der Stadt Leipzig für ihre Schülerinnen und Schüler eingerichtet. Hier gibt es zahlreiche Bücher und Medien zum Entdecken und Ausleihen. Noch mehr Leseimpulse bekommen die Kinder durch aktive Projekte wie die Buchkulturwoche oder den Buchadventskalender. Mehr Informationen

 

Herausragende Leseförderung mit digitalen Medien

Gefördert von der Staatsministerin für Kultur und Medien

1. Preis: Stadtschule Travemünde: Erster hybrider Bücherschrank Lübecks (Lübeck, Schleswig-Holstein)

Den ersten hybriden Bücherschrank gibt es jetzt dank der Klasse 4B der Stadtschule in Travemünde. Das Besondere: Ein Avatar stellt die Bücher vor und bewertet sie. Die Videos haben die Schülerinnen und Schüler selbst erstellt und animieren andere Kinder zum Lesen – einfach abrufbar per QR-Codes am Schrank, clever! Mehr Informationen

2. Preis: Tina Kemnitz und Kaspar Ensikat: Buchfindomat.de (Berlin, Berlin)

Kein passendes Buch zu Hand? Die interaktive Website Buchfindomat.de stellt Buchempfehlungen für Kinder und Jugendliche auf Klick bereit. Einfach Alter und Klasse angeben und auswählen, ob das Buch z. B. humorvoll oder actionreich sein soll und schon gibt es passende Ergebnisse – mit Kurzbeschreibung, Hörprobe und Ausleih-/ Kaufmöglichkeit. Mehr Informationen

3. Preis: Grundschule Mühlenredder: Leseförderung durch die Integration digitaler Medien im Unterricht (Reinbek, Schleswig-Holstein)

Lernapps können Kinder und Lehrkräfte im Schulalltag ideal unterstützen – sie müssen aber genutzt und pädagogisch begleitet werden. Genau das passiert im multimedialen Computerkabinett der Grundschule Mühlenredder. Und die Eltern? Werden per Kita-Info-App auf dem Laufenden gehalten – so geht digitale Leseförderung. Mehr Informationen

Sonderpreis für prominentes Engagement der Commerzbank-Stiftung

Tijen Onaran: Die Unternehmerin und Autorin setzt sich nicht nur für Diversität, sondern auch für Chancengleichheit ein – und die beginnt beim Lesen. Denn Bildungschancen sind in Deutschland noch immer stark mit der Herkunft von Kindern und Jugendlichen verknüpft und nur wer lesen kann, hat den Schlüssel zur Bildung selbst in der Hand. Als Gesicht des Ehrenamtsportals der Stiftung Lesen setzt sich Tijen Onaran für freiwilliges Engagement ein, ist selbst ehrenamtliche Lesebotschafterin und zeigt öffentlichkeitswirksam im eigenen Podcast, über Videos auf Social Media oder Statements in Presse und Co, wie wichtig Lesen für den Einzelnen und die Gesellschaft ist. Mit dem Deutschen Lesepreis erhält sie eine Auszeichnung, die sie selbst schon in einer anderen Kategorie vergeben durfte: den Deutschen Lesepreis 2021 für herausragendes kommunales Engagement an die damaligen Gewinner, die Freunde der Stadtbücherei Augsburg.

 


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Expertin Viernickel: „Das Wohlbefinden von Kindern hat in unserer Gesellschaft nicht die höchste Priorität“

Foto: Swen Reichhold

Ausgrenzung und Mobbing in Kita, Schule oder den sozialen Medien, Spannungen oder gar Gewalt in der Familie, überfordertes pädagogisches Personal – Kinder werden in unserer modernen Gesellschaft mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Diese stellen eine Gefahr für ihr gesundes Aufwachsen dar. Wie der Gefahr begegnet werden kann, diskutieren Expert:innen verschiedener Fachbereiche neben anderen Themen bei der Jahrestagung der Kommission Pädagogik der frühen Kindheit in der deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vom 9. bis 11. März an der Universität Leipzig.

Prof. Dr. Susanne Viernickel, Expertin der Universität Leipzig für den Bereich Pädagogik der frühen Kindheit, gehört zu den Organisator:innen der Tagung. Im Interview berichtet sie über die noch immer spürbaren Auswirkungen der Pandemie, den Fachkräftemangel in den Kitas und den großen Einfluss der Elternhäuser auf die kindliche Entwicklung.


Frau Prof. Viernickel, was bedroht ein gesundes Aufwachsen unserer Kinder derzeit am meisten?

Das ist eine Frage, die man je nach Fokus unterschiedlich beantworten kann. Da ist zum einen der Klimawandel, eine sehr ernste und umfassende Bedrohung, von der wir noch nicht wissen, was sie für die heutigen Kinder bedeutet. Spürbar ist aber auch der Anstieg psychischer Belastungen bei Kindern durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen. Da gibt es Verunsicherung, Überforderung und Spannungen in den Familien sowie eine gestiegene Zahl von Kindeswohlgefährdungen. Kitas mussten schließen oder boten monatelang nur Notbetreuung an. Dadurch fehlen vielen Kindern die Bildungsangebote der Einrichtungen. Mit der Pandemie wurde die Schere zwischen Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien und Kindern aus nicht benachteiligten Familien noch größer. Wir sorgen uns, weil dadurch auch der Anteil der Kinder steigt, die schon beim Eintritt in die Grundschule abgehängt werden. Und es gibt auch noch das Problem mit dem Kita-System selbst. Die Beschäftigten dort sind am Limit – das System selber auch wegen des Fachkräftemangels und der Unterfinanzierung. Zudem ist das Kita-Personal teilweise schlecht qualifiziert. Die Fachkräftekataloge werden immer weiter aufgeweicht. Es werden beispielsweise so genannte Alltagshelfer:innen in den Kitas angestellt, die gar nicht die entsprechende Ausbildung haben.

Hat sich die Bedrohungslage für die Kinder in den vergangenen Jahren gewandelt? Wenn ja, inwiefern?

Die Lage hat sich zugespitzt. Wir wissen, dass in der frühen Kindheit die Weichen für eine gelungene Bildungsbiografie gestellt werden. Aber die Ressourcen in den Familien sind sehr unterschiedlich. Zum Ausgleich und für Bildungsgerechtigkeit brauchen wir gute Kitas und Unterstützungsangebote für die Familien. Allerdings tut sich da angesichts der krisenhaften Entwicklung der vergangenen Jahre mit den Einflüssen verstärkter Flucht- und Migrationsbewegungen und verfestigter Kinderarmut noch zu wenig. Das Wohlbefinden von Kindern hat in unserer Gesellschaft und auf der politischen Agenda nicht die höchste Priorität. Ich denke da nur an die Kita- und Schulschließungen während der Pandemie sowie die Diskussion um die Kindergrundsicherung in der jüngsten Vergangenheit.

Wo liegen konkret die Gefahren für Kinder im Elternhaus und in der Kita oder Schule?

Das Elternhaus hat im Positiven und im Negativen den größten Einfluss auf die kindliche Entwicklung, mehr als die Einflüsse außerhalb der Familie. Wenn es in den Familien schlecht läuft, die Kinder vernachlässigt oder gar häuslicher Gewalt ausgesetzt werden, wirkt sich das am schlimmsten aus. In den Institutionen ist diese Gefahr insgesamt geringer. Da ist die formale Kontrolle viel stärker. Und da ist auch die emotionale Verstrickung weniger stark als in der Familie. Aber auch in den Institutionen gibt es Fehlverhalten von Pädagog:innen, wenn Kinder beispielsweise zum Essen gezwungen werden. Das wurde lange Zeit tabuisiert. Seit einigen Jahren gibt es darüber aber mehr Diskussionen und Maßnahmen dagegen. Wir Forschende wollen, dass dieses Thema an die Öffentlichkeit kommt, wollen dafür sensibilisieren und die Träger der Kitas dabei unterstützen, Schutzkonzepte einzuführen. Ausgrenzung und Mobbing erfahren Kinder weniger zu Hause, sondern eher in der Kita oder in der Schule.

Sollten Eltern versuchen, möglichst viele unangenehme äußere Einflüsse von ihren Kindern fernzuhalten oder ist eine Konfrontation der Jüngsten damit sogar förderlich für deren Entwicklung?

Der Slogan „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“ trifft nicht auf das frühe Kindesalter zu. Es wäre fahrlässig zu denken, die Kinder müssen schlimme Erfahrungen machen, um gestärkt zu werden für die Zukunft. Besonders junge Kinder kommen damit nicht zurecht. Allerdings können Eltern ihre Kinder im Alltag nicht vor allen negativen Emotionen schützen und ihnen alle Steine aus dem Weg räumen. Sie sollten ihren Kindern etwas zutrauen, sie eigenständig handeln lassen und ihnen nicht alles abnehmen. Sonst lernt das Kind: Ich schaffe es nicht allein. Besser ist es, wenn Eltern ihr Kind ermutigen, vielleicht einen kleinen Hinweis geben, dass es die Aufgabe allein schafft. Dann überwindet es die Frustration, versucht es noch einmal und hat ein Erfolgserlebnis. Anders ist das beispielsweise bei Kriegsbildern im Fernsehen. Die sollten Kinder nicht ungefiltert ansehen – auch nicht in Anwesenheit der Eltern, denn die können die Bilder nicht steuern. Es gibt kindgerechte Materialien über Flucht, Krieg oder Trauer, die sich besser eignen, um mit Kindern über diese Themen ins Gespräch zu kommen, die nun mal leider zur Lebensrealität gehören.

Welchen Einfluss hat das Verhältnis von Kindern untereinander auf ein gesundes Aufwachsen?

Andere Kinder haben einen enormen Einfluss auf das gesunde Aufwachsen von Kindern. Meist sorgen sie für eine positive Entwicklung. Schon ab einem Jahr zeigen Kinder Interesse aneinander, tauschen Spielzeug aus. Später sind es Rollen- und Regelspiele, die für sprachlich-kognitive Prozesse wichtig sind, aber auch für die soziale und emotionale Bildung. Mit zunehmendem Alter werden Freundschaften immer wichtiger, dieser besondere Mensch, der auch das Gegengewicht zum Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern ist. Kinder sind füreinander eine ganz große Entwicklungsressource. Das wird häufig von den Erzieher:innen in den Kitas unterschätzt. Natürlich gibt es auch Konflikte zwischen den Kindern. Sie lernen dabei, wie man sich behauptet oder dass man mal zurückstecken muss. So entwickeln sie soziale Kompetenz. Ausgrenzung und Aggression kommen in der frühen Kindheit eher selten vor. Dann sind Erwachsene wie die Eltern oder das Kita-Personal gefragt, die das im Blick haben und regulieren sollten.

Hinweis:
Prof. Dr. Susanne Viernickel ist eine von mehr als 200 Expert:innen der Universität Leipzig, auf deren Fachwissen Sie im Expertendienst der Hochschule zurückgreifen können.


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Fast 20 Millionen Kinder sind in Europa von Armut und Ausgrenzung betroffen

Immer mehr Familien in Europa rutschen in Armut ab. Die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Kinder stieg im Jahr 2021 um 200.000 auf 19,6 Millionen - das ist jedes vierte Kind in Europa, wie ein neuer Bericht von Save the Children zeigt. Zu den maßgeblichen Ursachen zählen die gestiegenen Lebenshaltungskosten, die Covid-19-Pandemie und die Klimakrise.

"Die Zahlen zur Kinderarmut in Europa sind verheerend", sagt Eric Großhaus, Advocacy Manager Kinderarmut und soziale Ungleichheit bei Save the Children Deutschland. "In der EU leben 19,6 Millionen Kinder in Armut, über zwei Millionen davon allein in Deutschland. Angesichts der Tatsache, dass bei uns bundesweit jedes fünfte Kind in Armut lebt, darf es keine Ausreden mehr geben: Die Bundesregierung muss endlich ambitioniert ihre Versprechen zur Bekämpfung von Kinderarmut einlösen."

Der Report "Kindern eine Zukunft garantieren" - Wie sich die COVID-19-Pandemie, steigende Lebenshaltungskosten und die Klimakrise auf Kinder in Armut auswirken und was europäische Regierungen jetzt tun müssen" untersucht die Kinderarmut in zehn EU-Staaten, darunter Deutschland, sowie in vier weiteren europäischen Ländern. Im Durchschnitt stieg das Risiko für Kinderarmut in Europa demnach von 2020 bis 2021 von 24,0% auf 24,4%. Am höchsten war das Armutsrisiko 2021 in Rumänien: Dort waren 41,5% der Kinder von Armut bedroht, gefolgt von Spanien mit 33,4%. Deutschland lag mit 23,5% leicht unter dem europäischen Durchschnitt, während das Armutsrisiko für Kinder in Dänemark (14%) und Finnland (13,2%) am niedrigsten war.

Kinderarmut: Das große Versagen der Politik

Die Untersuchung zeigt eine besondere Armutsgefährdung für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen, etwa Migrant*innen und Geflüchtete, körperlich oder geistig beeinträchtigte Kinder, Angehörige ethnischer Minderheiten oder Kinder mit einem alleinerziehenden Elternteil.

Die infolge des Ukraine-Krieges sprunghaft gestiegenen Lebensmittelpreise für Grundnahrungsmittel wie Milch, Getreide und Speiseöl verschärfen die Lage zusätzlich. Familien im unteren und mittleren Einkommenssektor, die bereits unter der Pandemie gelitten hatten, spüren die Preissteigerungen besonders stark. Viele Familien lassen Mahlzeiten ausfallen oder verkleinern die Portionen.

Eine Verbesserung könnte die im Juni 2021 beschlossene Europäische Kindergarantie bringen. Sie ist das erste EU-weite Instrument zur Bekämpfung von Kinderarmut. Die Mitgliedstaaten sind angehalten, armutsgefährdeten Kindern Zugang zu kostenloser und qualitativ hochwertiger frühkindlicher Betreuung, zu kostenloser Bildung und schulischen Aktivitäten, zu mindestens einer gesunden Schulmahlzeit pro Tag, zu Gesundheitsversorgung und zu angemessenem Wohnraum zu bieten. Bis zum 15. März 2023 sollen die Mitgliedstaaten dazu Nationale Aktionspläne vorlegen. 19 Staaten kamen dem bislang nach, acht - darunter Deutschland - fehlen noch.

"Kein Kind sollte mit leerem Magen zur Schule gehen, sich Sorgen um den Job der Eltern machen oder in einer kalten Wohnung leben", sagt Ylva Sperling, Leiterin des Europa-Büros von Save the Children. "Aber die jüngsten Krisen haben dazu geführt, dass viele Familien in Europa sich nicht mehr aussuchen können, ob sie heizen oder essen wollen. Die Europäische Kindergarantie ist der Schlüssel zur Bekämpfung wachsender Ungleichheit und zur Schaffung einer besseren Zukunft für Millionen von Kindern. Die europäischen Regierungen müssen sicherstellen, dass sie den Rahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut voll ausschöpfen und ihre nationalen Aktionspläne ambitioniert umsetzen. Jetzt ist der Moment für mutige Entscheidungen."

Eine Zusammenfassung zu der Studie finden Sie hier.

Über Save the Children

Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können - seit über 100 Jahren.

Mehr über Save the Children: savethechildren.de


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Studie: „Soziale Berufe. Was junge Männer darüber denken“

Männliche Schüler in Deutschland interessieren sich für soziale und pädagogische Themen. Dies bestätigt die Kurzstudie der IU Internationalen Hochschule (IU) Soziale Berufe. Was junge Männer darüber denken“. Dennoch würden sich nur 21,8 Prozent der jungen Männer für eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich entscheiden. Für 51,3 Prozent der Befragten käme dies eher nicht oder überhaupt nicht in Frage.

Wenig überraschend: Mehr als die Hälfte der befragten Schüler (54,1 Prozent) könnten die zu niedrigen Verdienstmöglichkeiten von einer Ausbildung oder einem Studium im sozialen Bereich abhalten. 45,0 Prozent gefallen die Arbeitsbedingungen nicht.

Trotzdem sind für mehr als die Hälfte der Befragten (53,0 Prozent) die Herausforderungen in sozialen Berufen kein Grund, der gegen eine Ausbildung oder ein Studium im Sozialwesen spricht. Was andere wie Freund:innen oder Familie über diesen Berufswunsch denken, würde jeweils mehr als die Hälfte der Befragten nicht davon abhalten, eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich zu beginnen.  

Prof. Dr. Fabian van Essen, Professor für Heilpädagogik und Inklusionspädagogik an der IU Internationalen Hochschule ist Mitinitiator der Studie. Er meint dazu:

„Obwohl das Potenzial grundsätzlich da ist und laut Studie weder die Meinung anderer noch das fordernde Berufsfeld einen Hinderungsgrund darstellen, kommt für viele männliche Schüler ein sozialer Beruf nicht infrage. Was können Gründe sein? Mehr Schulfächer zu sozialen Themen braucht es nicht, aber es fehlt vielen jungen Männern an praxisorientierten Einblicken wie zum Beispiel durch Praktika oder Hospitationen. Ein Kernproblem ist der Wegfall des Zivildienstes, der früher junge Männer für soziale und pädagogische Berufe sozialisierte. Heutzutage fehlt vielen Männern diese Kennenlernmöglichkeit.“

Kinderzeit-Podcast: Männer in der Kita Zu Gast: Kita-Erzieher Daniel

Kaum männliche Vorbilder

Laut Studienergebnissen sind auch kaum männliche Verwandte oder Bekannte vorhanden, die im Sozialwesen arbeiten und junge Männer für soziale Berufe begeistern oder sozialisieren könnten: Zwar geben 64,3 Prozent der Befragten an, eine oder mehrere Personen zu kennen, die im sozialen Bereich arbeiten. Allerdings sind 65,6 Prozent dieser Bekannten oder Verwandten weiblich. Gerade mal 13,1 Prozent der jungen Männer geben an, dass ihr Vater oder Opa in diesem Bereich arbeitet.

Den hohen Frauenanteil bestätigen auch Statistiken: Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit(*) arbeiten im sozialen Bereich mehr als 70 Prozent Frauen.

Laut IU-Studie wirkt sich dieser hohe Frauenanteil kaum auf das Bild aus, das sich männliche Schüler zu sozialen Berufen machen: Nur 24,4 Prozent der befragten Schüler stimmen der Aussage zu, dass „soziale Berufe eher was für Frauen als für Männer sind“.

„Wie der Klischee-Check der Studie zeigt, scheint die hohe Quote weiblicher Fachkräfte nicht zwangsläufig dazu zu führen, dass junge Männer denken, soziale Berufe seien typische Frauenberufe. Und trotzdem benötigen Kinder und Jugendliche sowohl männliche als auch weibliche Rollenbilder im Bildungs- und Sozialwesen. Das betrifft das Geschlecht, aber auch andere Dimensionen, wie beispielsweise Behinderung, den Migrationshintergrund oder die sexuelle Orientierung“, sagt Prof. Dr. Fabian van Essen.

Berufsbild Erzieher ist Favorit bei jungen Männern

In ganz Deutschland herrscht Personalmangel in Kindertagesstätten und der Männeranteil in Kitas ist verschwindend gering(**). Doch laut der IU-Studie ist gerade das Berufsbild Erzieher bei den befragten Schülern sehr beliebt: Unter den 21,8 Prozent derjenigen Befragten, für die eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich in Frage käme, würden sich 26,2 Prozent am ehesten für den Beruf des Erziehers entscheiden. An zweiter Stelle folgt mit jeweils 25,4 Prozent das Berufsbild Pädagoge beziehungsweise Sozialpädagoge. Weniger interessant sind Berufe wie Medienpädagoge (14,6 Prozent) oder Schulbegleiter (13,1 Prozent).

Über die Studie

In der im Oktober 2022 durchgeführten IU-Kurzstudie wurden 620 männliche Schüler befragt. Unter den Befragten befanden sich Hauptschüler, Realschüler, Fachoberschüler und Gymnasiasten.

Das Factsheet zur IU-Kurzstudie ist hier verfügbar.

ÜBER DIE IU INTERNATIONALE HOCHSCHULE 

Mit über 100.000 Studierenden ist die IU Internationale Hochschule (IU) die größte Hochschule in Deutschland. Die private, staatlich anerkannte Bildungseinrichtung mit Sitz in Erfurt versammelt unter ihrem Dach mehr als 200 Studienprogramme im Bachelor- und Masterbereich, die in deutscher oder englischer Sprache angeboten werden. Studierende können zwischen dualem Studium, Fernstudium und myStudium, das Online- und Präsenzveranstaltungen kombiniert, wählen und mithilfe einer digital gestützten Lernumgebung ihr Studium selbstbestimmt gestalten. Zudem ermöglicht die IU Weiterbildungen und fördert die Idee des lebenslangen Lernens. Ziel der Hochschule ist es, möglichst vielen Menschen weltweit Zugang zu personalisierter Bildung zu verschaffen. Im Jahr 2000 hat die IU ihren Betrieb aufgenommen, inzwischen ist sie in mehr als 30 deutschen Städten vertreten. Sie kooperiert mit über 15.000 Unternehmen und unterstützt sie aktiv bei der Entwicklung ihrer Mitarbeitenden. Zu den Partnern gehören unter anderem Motel One, VW Financial Services und die Deutsche Bahn. Weitere Informationen unter: www.iu.de


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Angebote der Kindertagesbetreuung weiter ausbauen

Wie viele Eltern haben Bedarf an Kinderbetreuung und welche Betreuungsform wünschen sie sich? Wie hat sich der Bedarf in den vergangenen Jahren entwickelt? Diese und weitere Fragen müssen geklärt werden, um den Status Quo und den Bedarf des quantitativen Ausbaus der Kindertagesbetreuung in Deutschland zu ermitteln und zu steuern.

Im Rahmen der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) analysieren die Forschenden daher mittels einer jährlichen, länderrepräsentativen Elternbefragung Betreuungsbedarf und Betreuungssituation von Kindern ab der Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit. Die Studie ermittelt seit mittlerweile elf Jahren auch Diskrepanzen zwischen dem Bedarf und der Verfügbarkeit von Kindertagesbetreuung.

Die jetzt vorliegende Studie 1 des DJI-Kinderbetreuungsreports 2022 befasst sich mit dem elterlichen Betreuungsbedarf bei unter dreijährigen Kindern (U3-Kinder) und Kindern zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt (U6-Kinder). Die zweite und dritte Welle der Corona-Pandemie, die in den Zeitraum der Erhebung fielen, sorgten immer wieder für Kita-Schließungen und unsichere Betreuungssituationen.

Laut dem jährlich erscheinenden Bericht „Kindertagesbetreuung Kompakt – Ausbaustand und Bedarf 2021“ des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), in welchen auch die KiBS-Daten miteinfließen, betrug die Betreuungsquote im Jahr 2021 trotz des unsteten und unsicheren Betreuungsalltags bei unter Dreijährigen 34,4 Prozent. Stellt man die Quote den elterlichen Bedarfen gegenüber, lag die Differenz zwischen Betreuungsquote und Bedarf bei Eltern von U3-Kindern dennoch bei 12,4 Prozent (siehe Kindertagesbetreuung Kompakt 2022). „Diese Differenz ist gerade bei Kindern unter drei Jahren groß. Jährlich melden uns deutlich mehr Eltern einen Betreuungsbedarf als tatsächlich einen Platz zur Verfügung hatten. Um dem elterlichen Bedarf gerecht werden zu können, müsste das Angebot an Kindertagesbetreuung weiter ausgebaut werden und auch die zeitliche Passgenauigkeit müsste sich stärker an den Bedürfnissen der Eltern orientieren“, empfiehlt die DJI-Wissenschaftlerin Theresia Kayed.

Fast die Hälfte der Eltern mit einem U3-Kind hat einen Betreuungsbedarf

Fast die Hälfte der Eltern mit einem Kind unter drei Jahren wünschte sich einen Betreuungsplatz. Die Forschenden beobachteten mit zunehmendem Alter des Kindes steigende Bedarfe. Dabei haben Eltern in Westdeutschland einen etwas geringeren Bedarf als Eltern in Ostdeutschland.

Ein Großteil der Eltern von U3-Kindern in Westdeutschland bevorzugte Betreuungszeiten im Umfang von bis zu 35 Stunden wöchentlich. Eltern in Ostdeutschland wollten mehrheitlich eine Betreuung mit mehr als 35 Stunden wöchentlich. Ganztagsplätze mit mehr als 45 Stunden wöchentlich werden immer seltener gewünscht. Auch wenn ein Betreuungsplatz vorhanden war, war bei Eltern mit ein- oder zweijährigen Kindern eine Abdeckung der gewünschten Betreuungszeiten nicht immer möglich, in Westdeutschland dabei seltener als in Ostdeutschland.

In den Jahren 2020 und 2021 wünschten Eltern mit einem Kind unter drei Jahren etwas seltener eine Betreuung als noch vor der Corona-Pandemie. Dies ist vor allem bei Eltern von einjährigen Kindern der Fall. Wegen der nach wie vor bestehenden Lücke zwischen Betreuungsbedarf und -verfügbarkeit sollten die Plätze in der Kindertagesbetreuung trotzdem aufgestockt werden, empfehlen die Autorinnen und Autoren der Studie.

Fast alle Eltern eines Kindes zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt wünschten sich im Jahr 2021 eine Betreuung für ihr Kind. Die Nachfrage nach kürzeren Betreuungsumfängen war bei Eltern in Westdeutschland größer als bei Eltern in Ostdeutschland. Bei einem Großteil der Eltern von U6-Kindern ist der Bedarf zeitlich gedeckt. Trotzdem nutzten 8 Prozent der Eltern einen Betreuungsplatz in einem geringeren Umfang als eigentlich gewünscht.

DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS)

Seit sechs Jahren erarbeitet das KiBS-Team jährlich eine Reihe von vertieften Analysen, die im Format des DJI-Kinderbetreuungsreports als Serie thematisch fokussierter Studien verfügbar sind. Die Auswertungen beschäftigen sich etwa mit den Kosten der Kindertagesbetreuung, den Gründen für eine Nichtinanspruchnahme von Kindertagesbetreuung oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Report 2022 werden die zentralen Indikatoren der Erhebung aus dem Jahr 2021 vorgestellt.

Seit dem Jahr 2016 werden auch die elterlichen Bedarfe für Grundschul­kinder erhoben und ausgewertet. Detaillierte Ergebnisse zu den Betreuungsbedarfen der Kinder im Grundschulalter sind in Studie 2 des Reports 2022 zu finden. Vor dem Hintergrund eines ab dem Jahr 2026 geltenden Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung für Grundschul­kinder gibt sie Einblicke in die Betreuungssituation.

KiBS wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Die Forschungsergebnisse werden unter anderem in der Broschüre „Kindertagesbetreuung Kompakt“ des BMFSFJ publiziert, dort vor allem zu den Themen des Betreuungsbedarfs sowie zu Häufigkeit und Umfang der tatsächlichen Nutzung der Kindertagesbetreuung.
 

Allgemeine Informationen zur DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS)