Sprache spielend entdecken – Sprachförderung im Kita-Alltag

Eren Li von Pexels

Ich habe die Möglichkeit bekommen, einen Artikel über Sprachförderung im Kita-Alltag zu verfassen. Als ehemalige Erzieherin im Bundesprogramm „Sprachkitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“, habe ich mich fortlaufend mit dieser Thematik auseinandergesetzt.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen ein paar Aspekte aufzeigen, die als wichtige Grundlage für das Sprache- und Sprechen-Lernen für Kinder gelten.

Es geht bei der „Sprachförderung im Kita-Alltag“ nicht um ein Konzept, bei dem Sie Schritt für Schritt vorgehen müssen und unzählige Materialien benötigen, um die Kinder im Wortschatz oder der Grammatik zu fördern.

Nein, hier geht es darum, wie Sie Kinder im Kita-Alltag, also alltagsintegriert, also „nebenbei“ im täglichen Miteinander, spielerisch in ihrer Sprachentwicklung fördern und unterstützen können.

Was brauchen Kinder, um (Sprache und sprechen) lernen zu können?

Eine Grund-Voraussetzung, um zu lernen, ist eine gute Bindung zwischen dem Kind und der Bezugsperson. Jeder Mensch lernt am besten, wenn es dem Gegenüber vertraut.

Kinder benötigen außerdem eine lernanregende Umgebung, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Kinder brauchen Personen, die sich für sie interessieren und auf ihre Bedürfnisse eingehen. „Wenn ich mich für etwas interessiere, möchte ich mehr davon erfahren.“ Die Motivation, Neues zu lernen, entsteht hier von ganz allein.

In entspannter Atmosphäre und ausgeruht lernt es sich am besten.

Außerdem sollten Sie als Bezugsperson Freude am eigenen Tun, Spiel und Bewegung haben, denn so sind Sie ein motivierendes Vorbild und erreichen eine ganze Menge in der (sprachlichen) Bildung von Kindern. Eine Interaktion voller Vertrauen und gegenseitigem Respekt ist eine solide Basis um (sprechen) zu lernen.

Spielend lernen

Wir stellen uns nun die Frage: Wie lernen Kinder?

Die Antwort lautet: Kinder lernen im Spiel! Spielen ist sozusagen der Beruf jeden Kindes, denn damit verbringt es einen Großteil seines Tages. 

Was machen die Kinder in ihrem Beruf?

Sie sind aktiv. Sie bewegen sich, sie beobachten, sie machen etwas.

Durch ihr aktives Tun setzen sich Kinder mit ihrer Umwelt, ihrer Lebenswelt und ihren Erfahrungen auseinander. Die eigene Persönlichkeit entwickelt sich.

Die Kinder erwerben Fähigkeiten, um ein selbstständiges und selbstverantwortliches Leben zu führen.

Im Spiel lernen die Kinder ganz nebenbei Emotionen, Motorik, Kognition und soziale Aspekte kennen und mit ihnen umzugehen. Sie trainieren ihre Grob- und Feinmotorik und üben sich im Sprechen und Sprache verstehen. 

Wenn wir Kindern ein Umfeld bieten, in dem sie sich entspannen können und sich geborgen fühlen, in dem sie Zeit haben und mit Anerkennung und Respekt behandelt werden – wenn wir ein Umfeld schaffen, in dem Kinder sich ganz auf sich und ihr Spiel konzentrieren können, dann bieten wir die besten Voraussetzungen dafür, dass Kinder lernen.

Sprache und sprechen lernen

Warum sollen Kinder überhaupt sprechen lernen?

Sie können doch auf sich aufmerksam machen und alles zeigen, was sie möchten.

Oder nicht? 

Na klar, und schon sind wir mitten in der Kommunikation und im Sprechen lernen! Wir befinden uns nämlich in der nonverbalen Kommunikation. Non-verbal bedeutet „ohne Worte“. Dem Gegenüber wird etwas vermittelt, ohne etwas zu sagen. Das geschieht u. a. durch Gestik, Mimik oder auch der Körperhaltung. Dabei können allerdings Missverständnisse entstehen, denn nicht immer deuten wir alles richtig. Non-verbale Kommunikation spielt jedoch am Anfang der „Sprachkarriere“ eine wichtige Rolle. Auch, wenn wir eine neue Sprache lernen. Denn mit „Händen und Füßen“ kann sich erstmal jeder verständigen.

Jedes Kind möchte sich jedoch weiterentwickeln, sprechen lernen und seine kommunikativen Fähigkeiten erweitern. Und das ist auch gut so.

Warum?

Sprache ist wichtig, um mit seinen Mitmenschen in Kontakt zu treten, sich verständigen zu können, über seine Gedanken und Gefühle sprechen zu können, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und schließlich auch, um sich zu bilden. Wissenserwerb ist ohne sprachliche Kompetenz nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.

Wer also in seinem Leben (beruflichen) Erfolg haben möchte, dem sollte die Möglichkeit gegeben werden, sprechen zu lernen. Hierbei können wir die Kinder im Alltag unterstützen.

Sprache steckt überall drin

Die gute Nachricht ist: Sprache steckt überall drin. In unserem Alltag begegnen uns fortlaufend Situationen, die mit Sprache und sprechen zu tun haben.

Nutzen Sie diese Situationen, um Kinder in ihrer Sprachentwicklung fördern und die Sprechfreude der Kinder zu wecken und anzuregen. Im aktiven Sprechen lernt man eine Sprache am besten.

Schon befinden wir uns in der alltagsintegrierten sprachlichen Förderung. Hier folgen nun ein paar Beispiele.

Den Alltag sprachlich nutzen

  • Betrachten Sie gemeinsam etwas, über das sie anschließend bzw. währenddessen sprechen können (Blick aus dem Fenster, ein Buch, ein Bild).
  • Begleiten Sie Ihr Handeln sprachlich („Ich gieße dir jetzt etwas zu trinken ein.“)
  • Kommentieren Sie das Spiel und Handeln der Kinder („Oh, der Zug fährt aber heute schnell!“)
  • Sprechen Sie bei den Mahlzeiten über die Lebensmittel, beim Turnen über die Spiele und Bewegungen, im Sandkasten über das Spielmaterial etc.
  • Erzählen sie sich, was Sie in Alltagssituationen sehen und zeigen Sie dem Kind so neue Worte und grammatikalische Strukturen auf.

Schaffen Sie im Alltag Sprachanlässe

  • Stellen Sie Materialien zur Verfügung, über die die Kinder zum Sprechen kommen (Bilder, Experimentiermaterial, bunte Steine, Naturmaterial u. Ä.).
  • Regen Sie Kreativangebote an, bei denen Sie sich mit den Kindern unterhalten können.
  • Machen Sie Spaziergänge, um Neues zu entdecken.
  • Gestalten Sie Spielkreise mit sprachlich begleiteten Bewegungen.
  • Singen Sie Lieder.
  • Lesen Sie Geschichten, über die Sie sprechen können – auch mit Bildkarten, als Geschichtensäckchen oder mit dem Kamishibai.

Gehen Sie auf die Kinder ein

  • Geben Sie den Kindern Zeit, um Wörter zu finden.
  • Sprechen Sie auf Augenhöhe mit den Kindern.
  • Gehen Sie auf die Interessen der Kinder ein.
  • Passen Sie sich dem Entwicklungsstand des Kindes an.
  • Stellen Sie Fragen, die zum Weitersprechen anregen.
  • Philosophieren Sie gemeinsam. 

Sie sehen, im Alltag gibt es jede Menge Möglichkeiten, um die Kinder zum Sprechen anzuregen. Wenn Sie diese Situationen nutzen, unterstützen Sie die Kinder ganz nebenbei in ihrer Sprachentwicklung. Eine alltagsintegrierte Sprachförderung findet statt!

Einen Aspekt möchte ich nun noch hinzufügen, denn dieser ist ebenfalls sehr eng mit der sprachlichen Entwicklung verbunden. Die Bewegung.

Bewegung und Sprache

Sprache und Bewegung sind zwei Entwicklungsbereiche, die eng miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen.

Durch Bewegungen erleben und erfahren die Kinder sich und ihren Körper. Sie spüren ihre Körperteile und nehmen diese bewusst wahr. Nur wer seinen Körper kennt, kann ihn verstehen und auch einsetzen.

Kinder erleben was „oben und unten“, „hart oder weich“, „hin und her“ etc. ist. Wenn Sie hier die Bewegungen mit Wörtern begleiten, werden die Begriffe zu den Bewegungen miteinander verknüpft und im Gehirn verankert. Begriffsbildung und Wortschatzerweiterung finden statt.

Die Bewegung ist eine non-verbale Ausdrucksform, aus der sich die verbalen Begriffe entwickeln.

Durch Bewegungen und bewusstes Erleben und Spüren finden wichtige Verknüpfungen im Gehirn statt, was wiederum unerlässlich für das Sprechen lernen ist.

In Bewegungen erleben die Kinder Rhythmus und Materialien. Sie orientieren sich im Raum und nehmen akustische Reize wahr.

Dadurch ergeben sich verbale Ausdrücke und Begriffe. Der Wortschatz wird erweitert, der Sprachrhythmus erfahren und das Hörverständnis geschult.

Des Weiteren fördert Bewegung die Konzentration, welche eine Grundvoraussetzung für das Lernen allgemein ist.

Nicht immer hat man im Kita-Alltag die Möglichkeit, in die Turnhalle oder nach draußen zu gehen. Schaffen Sie also auch im Gruppenraum die Möglichkeit, Sprache und Bewegung miteinander zu kombinieren. Dazu eignen sich z.B. Bewegungsgeschichten, bewegte Lieder im Morgenkreis, Massagegeschichten und Spiele zur Körperwahrnehmung.

Mit Spiel und Spaß erleben die Kinder Begriffe, den Sprechrhythmus, Silben, grammatikalische Strukturen und viele Wörter – die Sprachbildung und Sprachförderung findet im Alltag statt.

Zusammenfassend kann man sagen

  • Schaffen sie eine vertrauensvolle und sprachanregende Umgebung.
  • Bieten Sie die Möglichkeiten zur Bewegung.
  • Wenden Sie sich mit ehrlichem Interesse den Kindern zu und nutzen Sie jegliche Möglichkeit, mit den Kindern zu sprechen.
  • Seien Sie ein gutes sprachliches Vorbild, dadurch erweitern die Kinder ihren Wortschatz und festigen grammatikalische Strukturen.
  • Singen und Spielen Sie mit den Kindern, seien sie gemeinsam aktiv, teilen sie Interessen.

Wenn Sie alle diese Tipps beherzigen, schaffen Sie eine gute Voraussetzung dafür, dass Kinder in ihrem Alltag in ihrer Sprache gefördert werden.

Was ich noch erwähnen möchte

Wenn ich in diesem Beitrag von Kindern und Sprachförderung bzw. Unterstützung der sprachlichen Entwicklung rede, spreche ich von „normal entwickelten“ und gesunden Kindern. Es gibt Kinder, die eine besondere Förderung benötigen, weil sie aus irgendeinem Grund nicht oder nur schwer in der Lage sind, sprechen zu lernen. Es gibt Kinder, denen reicht die „normale“ Förderung im Alltag nicht. Diese Kinder profitieren natürlich von einem sprachanregenden Umfeld, brauchen aber tiefergehende Unterstützung.

Wenn Sie Bedenken haben oder Defizite in der sprachlichen Entwicklung feststellen, wenden Sie sich bitte an die Eltern und weisen diese auf eine ärztliche bzw. logopädische Untersuchung hin.

Buchtipp: Sprache spielend entdecken – Praxisideen für die Kita und zu Hause

Zum Abschluss darf und möchte ich Sie noch auf folgendes Buch aufmerksam machen. „Sprache spielend entdecken – Praxisideen für die Kita und zu Hause“ (ISBN 978-3949509001, €14,95)

In dem Buch finden Sie in fünf Kapiteln zahlreiche Bewegungsgeschichten, Mitmachgedichte, Lieder, Geschichten zur Körperwahrnehmung, Quatschgeschichten und Rätselreime. Alle Praxisideen sind ohne Material durchführbar, Impulse zur Vertiefung sind gegeben und weitere Tipps für sprachförderliches Verhalten. 

Bewegen, hören, singen und spüren – im Morgenkreis, in Kleingruppen oder einfach mal zwischendurch geeignet. Schauen Sie gerne einmal rein!

Die Autorin

Kathrin Eimler ist freiberufliche Autorin und verfasst Beiträge für Praxiswerke eines Kita-Fachverlages. Sie hat über 20 Jahre in Kindertagesstätten mit Kindern von 0-6 Jahren gearbeitet und war zuletzt für das Bundesprogramm „Sprachkitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ tätig.

Die Autorin hat bisher zwei Bücher mit Vorlesegeschichten und ein Bilderbuch veröffentlicht.

Weitere Infos und Kontaktdaten: www.kathrin-eimler.de

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