Kinder verstehen die „mitempfindende Sprache“ besser

Wie sich Kinder besser verstanden fühlen und zuhören lernen

Kommunikation ist ein Kunststück. Nur selten gelingt es uns, dass das, was wir sagen, beim anderen genau so ankommt, wie wir es meinen. Der chinesische Denker Konfuzius schrieb dazu einst: „Die ganze Kunst der Sprache besteht darin, verstanden zu werden.“ Spätestens wenn wir nach einem Mittagessen die Kinder darum bitten, den Tisch abzuräumen, glauben wir, eben in der Muttersprache des weisen Konfuzius mit ihnen gesprochen zu haben.

Viele haben sich dazu Gedanken gemacht. Schauen wir uns aber ein alltägliches Kind-Erwachsenen-Gespräch an, wird schnell klar, was da so alles schief läuft. Wenn der siebenjährige Luca wutschnaubend hereinkommt und brüllt, er wolle seinem besten Freund mal so richtig eine reinhauen, weil der sein Schulheft grundlos in den Dreck geworfen habe, sind wir geneigt, der Sache erst mal auf den Grund zu gehen. Wir stellen Fragen, in denen manchmal schon ein wenig verdeckte Kritik steckt: „Was ist passiert. Hast du ihm zuerst was getan?“, wir geben Ratschläge: „Vergiss das Ganze. Tobias ist doch dein bester Freund.“

Dass ein solches Gespräch danebengehen muss, ist klar. Für Adele Faber und Elaine Mazlish ist das einer von zigtausenden Fällen, die sie seit Jahrzehnten von oft verzweifelten ratsuchenden Eltern, Erzieherinnen und Lehrern zu hören bekommen. Als junge Mütter standen beide in einer ganz ähnlichen Situation. „Ich war eine wunderbare Mutter, bevor ich selbst Kinder bekam“, berichtet Elaine. „Dann hatte ich selbst drei. Jeder Tag schien nur die Variation des vorherigen zu sein. ,Du hast den anderen mehr gegeben als mir’, ,Das ist die rote Tasse, ich will die blaue’, ,Er hat mich gehauen’ oder ,Das Müsli sieht wie Kotze aus’. Irgendwann konnte sie es nicht mehr hören. Sie ging in eine Elterngruppe. Elaine lernte, dass sie ihre Kinder darin unterstützen sollte, sich gut zu fühlen. Und das gelingt vor allem, wenn wir die Gefühle unserer Kinder akzeptieren.

Kinder brauchen Mitgefühl und Aufmerksamkeit

Die meisten von uns meinen, die Gefühle der Kinder zu akzeptieren. Hören wir uns aber genau zu, kennen fast alle Bemerkungen wie „Du kannst gar nicht müde sein, Du hast doch eben geschlafen“, „Es gibt gar keinen Grund, so aufgeregt zu sein“, „Es ist nicht warm. Lass Deine Jacke an, du frierst sonst“, „Du sagst das nur, weil du dich ärgerst“ ...

Auf diesem Weg leugnen wir nicht nur die Gefühle der Kinder, wir versuchen sie sogar davon zu überzeugen, dass ihre eigene Wahrnehmung nicht stimmt. „Wer klug ist, wird im Gespräch weniger an das denken, worüber er spricht, als an den, mit dem er spricht“, schrieb der Philosoph Arthur Schopenhauer vor weit über hundert Jahren. Und das sollte besonders für die Gespräche mit unseren Kindern gelten. Bezugspersonen sind die wichtigsten Erwachsenen im Leben der Kinder. Sie sind Vorbild. Was nun, wenn sich ein Kind müde, verärgert, verängstigt oder gelangweilt fühlt. Es will doch, dass sein Vorbild von ihm weiß, wie es sich fühlt.

Wenn Kinder aufgeregt sind oder verletzt, brauchen sie keine Ratschläge, Philosophie, Fragen oder gar den Standpunkt eines anderen. Sie wollen, dass ihnen jemand wirklich zuhört, ihren inneren Schmerz erkennt und ihnen die Möglichkeit gibt, über das zu reden, was sie bewegt. Und: Reagieren wir mitfühlend, lernen unsere Kinder, selbst Lösungen zu finden.

Natürlich ist es gar nicht so einfach, einem kindlichen Gefühlsausbruch zuzuhören und einen Namen zu geben. Es braucht Übung. Hier sind ein paar Möglichkeiten, wie Sie Kindern helfen können, mit ihren Gefühlen umzugehen.

  1. Hören Sie mit voller Aufmerksamkeit zu.
  2. Zeigen Sie Verständnis für die Gefühle des Kindes: „Oh“, „Mmm“, „Ich verstehe“.
  3. Geben Sie den Gefühlen Ihres Kindes einen Namen.
  4. Geben Sie den Wünschen Ihres Kindes in der Phantasie nach

Zuhören und Akzeptieren

Luca, der sich so über seinen Freund ärgert, braucht keine Ratschläge. Er braucht zunächst einmal jemanden, der ihm hilft, seine Gefühle einzuordnen. Ein „Junge, bist du wütend“, hilft ihm viel weiter als Fragen oder Ratschläge. Schließlich muss er selbst einen Weg für sich finden. Kinder brauchen es, dass wir ihre Gefühle respektieren und akzeptieren. Hier ein paar Anregungen:

  1. Hören Sie ruhig und aufmerksam zu.
  2. Sie können mit einem Wort Verständnis für die Gefühle ihrer Kinder zeigen: „Oh ...“, „Mmm ...“ oder „Ich verstehe ...“
  3. Sie können dem Gefühl einen Namen geben „Das klingt frustrierend!“
  4. Sie können den Wünschen Ihres Kindes in der Phantasie nachgeben: „Ich wünschte, ich könnte die Banane jetzt sofort für dich reif machen.“
  5. Alle Gefühle sind zu akzeptieren. Manche Handlungen müssen wir jedoch einschränken: „Ich sehe, wie wütend du auf deinen Freund bist. Sag ihm mit Worten, was Du willst, nicht mit Fäusten.“

Verständigen ohne zu verurteilen

Jetzt werden Sie vielleicht sagen: „Schön, wenn ich nun meine Kinder verstehe. Aber wie verstehen meine Kinder mich?“ Schließlich räumt bei uns in der Einrichtung auch nicht der kleine Bruder von Konfuzius den Tisch ab.

Die Methoden, die wir so alltäglich anwenden, um unsere Kinder kooperativ zu stimmen, sind vielfältig. Viele tadeln und klagen an: „Was ist los mit Dir? Kannst Du nicht richtig aufpassen?“; andere beschimpfen: „Schau nur, wie du isst! Das ist ja ekelhaft!“; manch einer versucht es mit Drohungen: „Bist du nun endlich angezogen? Wenn du nicht gleich fertig bist, gehen wir ohne dich!“; oder mit Befehlen: „Ich will, dass du sofort deine Schuhe anziehst!“; beliebt sind auch Belehren und Moralisieren: „Du musst das verstehen. Wenn du von den anderen erwartest, dass sie zu dir höflich sind, musst du auch zu ihnen höflich sein!“; Warnungen: „Zieh Deine Jacke an, sonst wirst du dich erkälten!“; Märtyrer-Aussagen: „Schau nur meine grauen Haare. Alles wegen dir. Du bringst mich noch ins Grab.“; Vergleiche: „Warum kannst du nicht so fleißig sein wie deine Freundin?“; Sarkasmus: „Obwohl Du auf Morgen lernen musst, hast du dein Buch in der Schule gelassen. Wie schlau. Das war wirklich eine Glanzleistung!“ und Prophezeiungen: „So wird niemals etwas aus Dir werden!“

„... und aus unserem Gespräch wohl auch nicht“, möchte man ergänzen. Zwar sind viele dieser Bemerkungen alltäglich und werden wahrscheinlich keine bleibenden Schäden bei unserem Nachwuchs anrichten, dennoch sind sie mehr dazu angetan, Kindern schlechte Gefühle zu vermitteln.

Den Stein der Weisen hat dazu bisher noch niemand gefunden. Adele Faber und Elaine Mazlish vermitteln dazu fünf Fähigkeiten, die helfen können. Dazu erklären sie: „Nicht jede Methode wird auch bei jedem Kind funktionieren. Nicht jede Fähigkeit wird zu Ihrer eigenen Persönlichkeit passen. Diese fünf Fähigkeiten schaffen jedoch ein Klima des Respekts, in dem der Geist der Kooperation gedeihen kann.“

So können Sie Zusammenarbeit fördern:

1.) Beschreiben Sie, was Sie sehen oder beschreiben Sie das Problem: Es ist leichter, sich auf das Problem zu konzentrieren, das einem jemand beschreibt. „Leon, das Wasser im Waschbecken geht bis zum Rand.“ „Ich sehe, dass Deine Mutter dauernd vor der Tür auf und ab läuft.“ „Das Licht auf der Toilette brennt noch.“ „Cem, ich muss jetzt dringend telefonieren.“

2.) Geben Sie Informationen, denn diese sind leichter anzunehmen als Anklagen: „Kinder, die Milch wird sauer, wenn ihr sie nicht in den Kühlschrank stellt.“, „Apfelkerne gehören in den Mülleimer.“ „Es wäre mir eine große Hilfe, wenn du den Mittagstisch abdecken würdest.“

3.) Sagen Sie es mit einem Wort, denn weniger ist oft eindeutiger. Kinder hassen Belehrungen, lange Reden und Erklärungen. Je kürzer eine Ermahnung ausfällt, desto besser wirkt sie: „Kinder, in die Schlafanzüge.“ „Alexander, dein Mittagessen.“

4.) Reden Sie über ihre Gefühle. Kinder haben ein Recht darauf, die ehrlichen Gefühle ihrer Mitmenschen zu erfahren. Beschreiben wir unsere Gefühle, dann können wir ehrlich sein, ohne zu verletzen: „Ich mag nicht, wenn Du mich am Ärmel ziehst.“ „Es stört mich, wenn die Tür offen steht. Ich möchte keine Fliegen im Essen.“

5.) Schreiben Sie eine Nachricht: „Hilfe, Schmutz im Abfluss bereitet mir Verdruss. Dein verstopftes Waschbecken.“ „Lieber Leon, ich weiß, du bist mit Spielen beschäftigt, aber die Blumen brauchen Wasser. Danke. “

Hier haben Sie nun fünf Möglichkeiten, um die Zusammenarbeit mit ihren Kindern zu unterstützen und keine schlechten Gefühle aufkommen zu lassen. Aber aller Anfang ist schwer und es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Adele Faber und Elaine Mazlish haben festgestellt, dass diese Fähigkeiten umso besser funktionieren, je authentischer sie geäußert werden. Die Übung macht also den Meister. Spielen Sie die Situationen gedanklich durch, probieren Sie Ihre Fähigkeiten an fiktiven Kindern aus. Das hilft und wird sich lohnen. Viel Erfolg dabei!

Adele Faber und Elaine Mazlish sind beide Mütter von drei Kindern. Sie sind international anerkannte Expertinnen, wenn es um Kommunikation zwischen Kindern und Erwachsenen geht. Mit ihrem Buch „So sag ich’s meinem Kind“ möchten sie allen helfen, die im Bereich Erziehung arbeiten, sich den Kindern in voller Aufmerksamkeit zuzuwenden und eine Sprache der Wertschätzung zu lernen, die tragfähige Beziehungen entstehen lassen. Dabei gehen Sie nicht nur ausführlich auf die einzelnen Themenfelder ein. Mit vielen anschaulichen Fallbeispielen, die sie in über 1000 Eltern-Workshops gewonnen haben, stellen sie die Situationen praktisch dar. Die verschiedenen Übungseinheiten sorgen dafür, dass die Themen schnell und nachhaltig eingeübt werden können.

Adele Faber/Elaine Mazlish

So sag ich's meinem Kind

Hardcover, 272 Seiten

ISBN: 978-3-934333-41-3

22,90

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