Trotz Kita-Ausbau: Großeltern bleiben wichtig für die Enkelbetreuung

Ravensburger Verlag

Großeltern spielen bei der Betreuung von Kindern eine große Rolle – und das hat sich auch durch den Kita-Ausbau in Deutschland kaum verändert, wie eine am 27. Juni 2022 in Berlin vorgestellte Studie zeigt. Das 2-jährige Forschungsprojekt des BiB Wiesbaden/Berlin und des DIW Berlin weist auf der Basis repräsentativer Daten nach, dass Oma und Opa ein wichtiger Bestandteil und eine Hilfe im Leben von jungen Familien sind. Der Anteil der Jungen und Mädchen unter 6 Jahren, deren Großeltern nach Bedarf oder regelmäßig an der Betreuung beteiligt sind, liegt in Deutschland bei über 50 Prozent. Regelmäßig werden in einer normalen Woche zwischen 20 und 40 Prozent der Mädchen und Jungen unter 10 Jahren von den Großeltern beaufsichtigt.

Bedeutsam auch ein weiterer Effekt: Wenn zu viele Parteien an der Betreuung beteiligt sind, sich also Großeltern in Kombination mit Schule, Nachmittagsbetreuung und Eltern kümmern, kann das negative Auswirkungen auf die sozio-emotionale Entwicklung der Kinder haben. Die Endergebnisse der Studie „Oma und Opa gefragt? Veränderungen in der Enkelbetreuung – Wohlbefinden von Eltern – Wohlergehen von Kindern“ wurden am 27. Juni 2022 in Berlin vorgestellt. Professorin C. Katharina Spieß leitete das von der Stiftung Ravensburger Verlag geförderte Forschungsprojekt des BiB und des DIW Berlin.

Wiesbaden/Berlin/Ravensburg (Juni 2022). Oma und Opa werden nicht nur aus emotionalen, sondern auch aus ganz praktischen Gründen gebraucht: Zwar besuchen 9 von 10 Vorschul-Kindern in Deutschland eine Kita, dennoch kümmern sich Großeltern – größtenteils Großmütter – zusätzlich um jedes zweite Klein- und Vorschulkind. „Großelternbetreuung ist in den letzten Jahren trotz Kita-Ausbau weitgehend konstant geblieben, sie ist eine wichtige Komponente im Leben von jungen Familien, und hilft den Eltern“, erläutert Professorin C. Katharina Spieß, die mit ihrem Team seit Juni 2020 am Projekt „Oma und Opa gefragt?“ geforscht hat. Eltern, die sie nicht nutzen (können), wünschten sich in großem Maß eine stärkere Einbindung von Oma und Opa – das äußerten rund zwei Drittel der im Panel abgebildeten Familien.

Im Westen Deutschlands sind die Großeltern am Nachmittag neben den Eltern bei jungen Kindern sogar die Hauptbetreuungsform, im Osten werden sie am Nachmittag dabei sehr häufig mit der Kita kombiniert, beispielsweise um die (Randzeiten-) Umsorgung der unter 10-Jährigen sicherzustellen.

Augenmerk auf „Betreuungs-Patchwork“

Allerdings zeigt die Studie auch: Wenn Oma- und Opa-Betreuung in Kombination mit zu vielen Bezugspersonen - ganztags Kita, danach Großeltern und dann Eltern - genutzt wird, können sich negative Effekte im sozio-emotionalen Bereich ergeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder zwischen 3 und 5 Jahren sozio-emotional instabiler sind, erhöht sich um 36 Prozent, wenn Mädchen und Jungen „im Ganztag“ sind und zusätzlich von den Großeltern betreut werden. Diese Effekte sind für Kinder, die nur halbtags eine Kita besuchen, nicht zu beobachten.

„Die Familien- und Bildungspolitik muss sich der Frage stellen, wie eine stabile und damit qualitativ gute Betreuungsumwelt in Kitas und dem schulischen Ganztag bei einer Kombination mehrerer Betreuungsformen gesichert werden kann“, so Johannes Hauenstein, Vorstand der Stiftung Ravensburger Verlag, die das Forschungsprojekt finanziert hat. Etwa den Wechsel der Fachkräfte in den Kitas auf ein notwendiges Maß reduzieren, indem das Arbeitsumfeld so attraktiv gemacht wird, dass die Pädagoginnen und Pädagogen hier über einen längeren Zeitraum arbeiten und das aus Sicht der Kita-Kinder idealerweise in Vollzeit.

Zufriedene Mütter = positiver Effekt auf die Entwicklung der Kinder

Wissenschaftlich bis jetzt selten belegt, konnten die Forscherinnen nun empirisch messbar nachweisen: Helfen Großeltern mit, unterstützt das vor allem die Mütter, die nach wie vor die Hauptbetreuungsperson sind. Zwei Effekte kann man beobachten: Die Mütter sind zufriedener mit ihrer Kinderbetreuungs-Situation und mit ihrer eigenen Freizeit. Erstere steigt um 11 %, die Zufriedenheit mit der Freizeit erhöht sich sogar um 14%. Diese Effekte sind besonders groß in Haushalten mit Kindern bis 6 Jahren. Bei den Vätern sind die Effekte auf die Zufriedenheit nicht so groß. Diese Zahlen zeigen, wie Oma und Opa die Entwicklung der Mädchen und Jungen entscheidend mitprägen, so C. Katharina Spieß: „Die Steigerung der mütterlichen Zufriedenheit hat einen direkten Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung. Salopp gesagt: Zufriedene Mütter haben sozio-emotional stabilere Kinder.“

Großelternbetreuung – ein Ausblick

Immer mehr Frauen gehen bis ins Rentenalter einer Erwerbstätigkeit nach. Das will besonders in Bezug auf junge Enkel bedacht sein, für die die Beschäftigung mit Oma und Opa eine sehr große Bedeutung hat. Zwischen 50 und 60 Prozent der Eltern, die sich eine stärkere Einbindung der Großeltern wünschen, geben deren Erwerbstätigkeit als Grund an, warum das nicht geht. Diese Zahl wird somit mit der Zeit wohl noch steigen.

2-jähriges Forschungsprojekt mit BiB und DIW Berlin

An dem Forschungsprojekt arbeitete seit Januar 2020 ein Team unter Leitung der Bildungs- und Familienökonomin Professorin Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden und Professorin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Seine Basis bildete die Auswertung repräsentativer Datensätze der Jahre 1997 bis 2020, mit der die Wissenschaftlerinnen die Rolle von Großeltern in Deutschland bei der Bildung und Betreuung des Nachwuchses in der Altersgruppe 0 bis 10 Jahre beleuchten. „Die nun vorliegenden Forschungsergebnisse zeigen, dass bei zwei erwerbstätigen Elternteilen große Herausforderungen auf die Familie warten – selbst, wenn die Kita-Betreuung noch weiter ausgebaut wird. Reagieren zu können, wenn die Kinder im Notfall ungeplant Betreuung brauchen, fordert eine familienfreundliche Arbeitswelt, die künftig noch an Bedeutung gewinnen könnte“, erläutert Johannes Hauenstein, Vorstand der Stiftung Ravensburger Verlag. Die Stiftung förderte das Projekt „Oma und Opa gefragt?“ mit 160.000 Euro.

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