Wie wir Kinder mit ADS unterstützen können

Foto: © Denizo / Fotolia

Kinder mit ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) sind meist intelligent, phantasievoll, kreativ und oft sogar hochbegabt. Aber sie können die Flut von Eindrücken, die laufend auf sie einstürmen, nicht richtig filtern, sortieren und verarbeiten. Das führt schnell zum Chaos im Kopf. Deshalb flippen ADS-Kinder auch mal leicht aus – oder sie schalten einfach ab. Das führt zu Stress in der Familie, im Kindergarten und in der Schule. Das OptiMind® – Team-Konzept für Eltern, Lehrer und Therapeuten zeigt, wie Sie ADS-Kindern helfen können, ihr Leben erfolgreich zu meistern.

Wie Erwachsene Kindern mit ADS helfen können

Sie gehören zu den etwas anstrengenden Kindern. Max zappelt herum, ist wie aufgezogen, nur ohne Abstellknopf, platzt ständig aus sich heraus und fällt öfter mal aus dem Rahmen. Kim wirkt abgewendet, reagiert kaum auf ihre Umgebung und hat bei Klassenarbeiten ein „Brett vor dem Kopf“. Beide können sich nicht wirklich konzentrieren und sich auf ihre Umgebung einlassen. Beide leiden unter dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, kurz ADS. Nur ist bei Max das Syndrom mit Hyperaktivität verbunden, bei Kim nicht.

Ein kurzer Blick auf landläufige Äußerungen zeigt auch: Viele reden darüber, nur wenige wissen Bescheid. Da heißt es etwa: „Bei Kindern ist ADS ein Hirngespinst, welches zu oft fehlerhaft diagnostiziert wird. Das kommt oft davon, dass sich Eltern mit ihren Sprösslingen von klein auf nicht genug abgeben.“ Oder: „ADHS zu diagnostizieren, ist oft leichter, als den Eltern ihr Erziehungsversagen über lange Zeit zu erklären ...“

Aufklärung tut not.

Denn unter den vielen Gerüchten und Unterstellungen leiden vor allem die Betroffenen und deren Angehörige. ADS ist eine neurobiologische Störung mit Problemen in der Informationsverarbeitung. Das heißt, dass unsere ADS-Kinder Max und Kim Schwierigkeiten mit den Aufmerksamkeitsfunktionen und der Impulssteuerung haben. „ADS-Betroffene sind in ihrer Konzentrationsfähigkeit erheblich eingeschränkt, Sie sind leicht ablenkbar, oft motorisch unruhig oder verträumt. Sie haben einen oberflächlichen, sprunghaften Wahrnehmungsstil und können Reizeinflüsse nicht gut sortieren und organisieren. Sie reagieren impulsiv und ecken dadurch oft mit ihrem Verhalten an. Sie sind durch diese Störung in allen Lebensbereichen erheblich beeinträchtigt.“ So erklärt das OptiMind-Institut von Dr. med. Elisabeth Aust-Claus und Dr. Dipl. Psych. Petra-Marina Hammer ADS. Gemeinsam haben die Medizinerin und die Psychologin den Klassiker unter den ADS-Ratgebern verfasst: „Das ADS-Buch“.

Eindringlich und mit der Erfahrung aus jahrzehntelanger Arbeit mit Betroffenen werben beide für ihr Trainingsprogramm. Dieses stellt zwar das Kind in den Mittelpunkt, setzt aber ganz stark darauf, dass Eltern, Erzieher, Lehrer und andere wichtige Personen eng koordiniert zusammenspielen.

Den Eltern kommt neben den Kindern die anstrengendste und wichtigste Funktion zu. Denn schwierige Kinder fallen nicht nur auf, sondern machen ihre Mitmenschen auch rat- und hilflos. Kind und Eltern spüren, dass sie den Erwartungen ihrer Umwelt nicht entsprechen. Max würde vermutlich mit noch mehr Aggression antworten, Kim sich ganz zurückziehen. Die Eltern verzweifeln oftmals. Dabei sollen doch gerade sie auf das Verhalten ihres ADS-Kindes ruhig, positiv und unterstützend reagieren. Eltern müssen sich deshalb nicht nur informieren, sondern zudem

Aufklärungsarbeit bei den Bezugspersonen ihres Kindes leisten.
Aust-Claus und Hammer geben dazu folgende Tipps:

  • Eltern sollten andere Personen über das ADS ihres Kindes informieren, aber mit den Defiziten ihres Kindes nicht hausieren gehen. Vielen Kindern ist es peinlich, wenn über ihre Probleme gesprochen wird.
  • Für Geschwisterkinder ist es hilfreich, wenn sie kindgerecht über ADS und seine Auswirkungen informiert werden.
  • Personen, bei denen das Kind sowieso funktioniert, also keine Auffälligkeiten zeigt, brauchen keine Aufklärung.
  • Wenn sich das Kind beim Besuch anderer Kinder in der Regel daneben benimmt, sollten die Eltern die anderen Eltern aufklären.
  • Alle Personen, die das Kind miterziehen, sollten sich möglichst über ADS informieren und motiviert sein, sich damit ernsthaft zu befassen.

Nur so begreift die Umgebung, dass ein Kind wie Max nicht mit Absicht impulsiv ist oder wie Kim in Tagträume verfällt, beide keine Mitmenschen ärgern möchten. Und nur so können alle an einem Strang ziehen und zumindest die

Kurzregeln zu ADS-Erziehung einheitlich befolgen, die laut unseren Expertinnen folgende sind:

  • Liebevoll, aber stur bleiben. Der Erzieher stellt die Regeln auf und ist auf deren Einhaltung bedacht. Einmal „nein“ heißt „nein“.
  • Über Kleinigkeiten hinwegsehen. Wenn die Tochter den rosa Pullover zur roten Hose trägt, ist das kein Grund für eine Auseinandersetzung.
  • ADS-Kinder brauchen ein ruhiges Umfeld – mit Routine und Struktur.
  • Alle Erziehenden müssen klar und deutlich in Ihren Aussagen bleiben.
  • Bei extrem negativem Verhalten ist eine „Auszeit“ nötig. Das bedeutet, dass das Kind in einer solchen Situation aus dem Verkehr gezogen werden sollte. Zu Hause ist ein ruhiger Raum, in dem das Kind eine Minute pro Lebensalter bleibt, um sich abzuregen, das Richtige. Außerhalb ist es dann ein ruhiges Plätzchen.

Hat sich Ihr Kind beruhigt, sollten Eltern oder andere Bezugspersonen das Feuer nicht neu schüren, sondern am besten zur Tagesordnung übergehen. Einige Stunden später können sie den Vorfall besprechen.
Wichtig: Ein einheitlicher „roter Faden“ muss die Erziehungskonzepte der einzelnen Personen durchziehen. Noch wichtiger:

Ein Kind sollte spüren, dass es seine Eltern verstehen.

Nur so kann es den Schritt von der Negativ-Spirale in die Positiv-Spirale schaffen. Das fällt vielen Eltern von ADS Kindern schwer. Sie fühlen sich oft enttäuscht, genervt, erschöpft, entmutigt, verletzt, verärgert, verwirrt, beschämt und kraftlos. Sie sollen das Team der Bezugspersonen laufend miteinbeziehen und gleichzeitig das Kind unterstützen und stärken, wo es nur geht. Denn nur mit der Stärkung seines Selbstbewusstseins, kann sich das Kind positiv entwickeln. „Zum Ausbau eines guten Selbstwertgefühls sollten einer negativen Äußerung mindestens drei positive gegenüberstehen“, erklärt Hammer. Sollten die negativen Reaktionen häufiger als die positiven gewesen sein oder sich die Waage gehalten haben, müssen die Eltern etwas ändern. Hammer rät zu einem Tagebuch, in dem positive wie negative Äußerungen Niederschlag finden.

Zudem raten Aust-Claus und Hammer noch zu folgendem:

  • Realistische Ziele setzen (damit das Kind auch die Anforderungen erfüllen kann)
  • Ermutigen: Eltern sollten Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Kindes haben und das auch zeigen.
  • „Inseln der Kompetenz“ suchen: Jedes Kind kann irgendetwas sehr gut. Diese Fähigkeiten sollten Eltern mit ihren Kindern gemeinsam aufspüren und fördern.
  • Dem Kind helfen, Freundschaften aufzubauen. Dazu gehört, das Kind im Spiel zu beobachten und mit ihm darüber zu sprechen, was den anderen Kindern nicht gefallen hat.
  • Bei passender Gelegenheit Körperkontakt zum Kind suchen. Zärtliche und liebevolle Berührungen signalisieren dem Kind, dass die Eltern gerne seine Nähe spüren und stärken damit sein Selbstbewusstsein.

Ein ganz wichtiges Geschenk für das Kind ist Zeit.

Die Eltern sollten zumindest einmal pro Tag mit Ihrem Kind spielen, ohne zu kritisieren. Die gemeinsame Zeit sollte ein Genuss für das Kind sein. Es sollte die Aktivität aussuchen dürfen. Im Spiel sollte es nicht um Leistung gehen, sondern um das Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Ebenso wichtig ist das Gefühl von Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Dafür müssen Eltern Ihren Kindern Struktur und Organisation vermitteln. Und damit sind sie auch Vorbild im Erlernen von Struktur und Disziplin, die für das Kind unerlässlich sind, um sich im Alltag behaupten zu können.

Sozusagen als Coach ihres Kindes müssen Eltern deshalb diszipliniert, ruhig und gelassen, durchschaubar, gut organisiert, planvoll, unendlich geduldig, selbstverständlich gerecht und fähig sein, die Fortschritte des Kindes zu erkennen und zu loben. Dazu gehört es auch, Rituale in den Alltag einzubauen, Änderungen der Routine immer rechtzeitig bekannt zu geben und klare Anweisungen zu geben. Das ist alles nicht so einfach und oft auch unbequem. Aber auch Aust-Claus und Hammer erinnern daran:
Nichts ist so stark, wie ein gutes Vorbild.

Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sind weitere wichtige Erziehungsziele. Das kann ein Mensch nur dann lernen, wenn er Aufgaben bekommt, die auch Wertschätzung finden. Für Kinder wie Kim und Max ist es deshalb wichtig, Aufgaben zugeteilt zu bekommen, die von seiner Umgebung geschätzt sind und für deren Erfüllung es auch Lob erhält. Dann wird es auch seine Aufgaben bewältigen und stolz auf sich sein. Dabei sind kleine Belohnungen oder ein ganzes Belohnungssystem, wie es etwa die Expertinnen empfehlen, durchaus erlaubt. In solch einem Umfeld könnten sich auch Kim und Max gut entwickeln.

ADS-Kinder haben es schwer – und ihre Eltern auch. Ebenso wichtig ist deshalb, dass die Eltern Unterstützung finden und sich von Zeit zu Zeit selbst belohnen. Sie haben es verdient. Gesprächs- oder Selbsthilfegruppen, die über das Internet leicht zu finden sind, können eine wesentliche Stütze sein. Trotz aller hohen Anforderungen ist Nachsicht gegen sich selbst gefragt. Denn wie vieles andere im Leben, braucht Erziehung Zeit und den langen Atem der Eltern.

(Gernot Körner)

Unsere Empfehlung:
Das erste Buch aus kinderärztlicher und psychotherapeutischer Sicht – für die hyperaktiven „Zappelphilippe“ und die „Träumer“. Mit vielen Fallbeispielen und Checklisten, Plänen und Anleitungen.

Elisabeth Aust-Claus / Marina Hammer:
Das ADS-Buch – Neue Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer:
Das OptiMind ® -Konzept
18. Auflage, Oberstebrink 2015, 320 Seiten,
ISBN: 978-3-9804493-6-6, 19,80 Euro.
Mehr auf www.oberstebrink.de



Zurück