Trippeln und stampfen inklusive - Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik verfügt über ein großes Inklusionspotential

Kind mit Down-Syndrom als Frosch verkleidet

Die Kinder im Kindergarten stampfen als Riesen und trippeln als Zwerge im Wechsel. Plötzlich fragt Emely die Kindergärtnerin: „Du, warum stampft Lisa eigentlich nicht mit im Reigen?“ Die Erwachsenen sind verblüfft. Die beiden Mädchen besuchen seit einem Jahr gemeinsam die Waldorfkindergartengruppe. Lisa hat keine Beine, sitzt in einem winzigen Rollstuhl und bewegt sich damit ganz geschickt mit den anderen Kindern im Kreis. Emely hat bis dahin tatsächlich nicht bemerkt, dass Lisa keine Beine hat und dadurch beeinträchtigt ist.

Kleine Kinder erleben und nehmen einander zunächst einfach so wie sie sind. Darin liegt ein großes, natürliches Inklusionspotential. Das Unterscheidungsvermögen erwacht erst nach und nach in der kindlichen Entwicklung. Man könnte auch sagen, die kognitive Entwicklung ist die zunehmende Fähigkeit zur Diskrimination. Beim Erkennen der Behinderung eines anderen Menschen geht es darum, dass die Diskrimination, die Fähigkeit zu unterscheiden, nicht zur Diskriminierung führt.

Viele Menschen erleben heute das inklusive Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung als notwendiges und selbstverständliches Menschenrecht.

Inklusion ist eine Forderung der Zeit, aber auch als Reizwort in aller Munde. Soll sie verwirklicht werden, stehen Kindergarten und Schule vor umwälzenden Veränderungen. Die Waldorfpädagogik verfügt vor dem Hintergrund ihrer Methodik und Didaktik über ein großes Inklusionspotential. Schon immer besuchten Kinder mit zum Teil erheblichen Behinderungen einzelne Klassen. Der Wunsch vieler Eltern, Kinder und LehrerInnen, dass die Ausnahme zur Regel wird, verlangt zunehmend nach vertiefter Fachlichkeit und geschärfter Bewusstseinsbildung. Dieser Prozess ist im Bund der freien Waldorfschulen und in der Vereinigung der Waldorfkindergärten in Zusammenarbeit mit den HeilpädagogInnen im Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen in vollem Gange.

Für Kinder und Jugendliche, die ihre gesamte Schulzeit inklusiv verbringen, ist es keine Frage mehr: Menschen mit und ohne Behinderungen leben und lernen zusammen. Für Emely ist Lisa einfach ganz Lisa, auch ohne Beine. Anderen Menschen vorurteilsfrei zu begegnen und sie so zu nehmen wie sie sind, ist lohnendes Bildungsziel und Kernkompetenz für das ganze private wie berufliche Leben. Wer das lernt, ist gut auf die Zukunft vorbereitet.

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