Schritt für Schritt sicherer im Straßenverkehr

Wie sicher Kinder unterwegs sind, hängt von ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand ab. Dass sie aufgrund ihrer Größe manches nicht sehen können und nicht gesehen werden, ist klar. Andere entwicklungsbedingte Verhaltensweisen oder Grenzen sind weniger offensichtlich. Josef Weiß von der Deutschen Verkehrswacht ist Experte für das Thema Sicherheit im Straßenverkehr, ganz besonders der von Schulkindern. Im Interview klärt er auf, wo es Defizite gibt und was Eltern für die Eigenständigkeit und Sicherheit Ihrer Kinder tun können.

Was unterscheidet denn Kinder von Erwachsenen im Straßenverkehr?

Weiß: „Kinder lassen sich leicht ablenken und konzentrieren sich dann auf das, was sie gerade interessiert. Im Straßenverkehr kann das der Hund auf der anderen Straßenseite oder die Freundin an der nächsten Ecke sein. Bis ins Grundschulalter brauchen sie konkrete, ortsgebundene Anschauungen, beispielsweise dass man bei der „Kreuzung am Supermarkt“ besonders aufpassen muss. Erst später können sie das auf andere Verkehrs-situationen übertragen. Zudem sind Schulanfänger nicht in der Lage, mögliche Gefahren vorauszusehen und können Geschwindigkeiten und Entfernungen noch nicht sicher bestimmen.“

Wie unterstützen Eltern ihren Nachwuchs in Sachen Sicherheit?

Weiß: „Von Anfang an können Eltern mit ihren Kindern zum Beispiel die Alltagswege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Indem die Umgebung und einzelne Verkehrssituationen besprochen werden, trainieren Kinder Schritt für Schritt das richtige Verhalten im Straßenverkehr. Diese Erfahrungen sind Grundlage für eine eigenständige Mobilität. Die notwenige Routine kommt dabei durch kontinuierliche Wiederholungen.

Solche Lernprozesse finden übrigens deutlich langsamer statt, wenn Kinder häufig mit dem Auto gefahren werden. Dabei können sie weder den Verkehr bewusst wahrnehmen, noch interagieren die Eltern mit ihnen. Außerdem ist es gefährlicher, denn bis zum Alter von zehn Jahren verunglücken sie am häufigsten im elterlichen Pkw. (Quelle: Statistisches Bundesamt, „Kinderunfälle im Straßenverkehr 2021“,). Darum sollten sie auch nicht zur Schule gefahren werden, sondern nach einem Schulwegtraining möglichst allein gehen.“

Führt der Schulweg zu mehr Eigenständigkeit?

Weiß: „Auf jeden Fall! Schon vor den Sommerferien können Eltern mit dem Schulwegtraining beginnen. Und das genau zu den Zeiten, in denen ihre Kinder später unterwegs sein werden. So haben sie einen realistischen Eindruck vom Verkehrsgeschehen. Bei der Wahl der richtigen Strecke helfen Schulwegpläne, die von den Schulen zur Verfügung gestellt werden. So sollte der Weg möglichst wenige Gefahrenpunkte wie zum Beispiel Fahrbahnüberquerungen oder stark befahrene Straßen haben. Die kürzeste Route ist darum nicht immer die sicherste.

Zum Üben gehen Kinder und Eltern den Schulweg dann am besten gemeinsam. Dabei sollten sie jedes Abbiegen, jede Straßenüberquerung und jeden Gefahrenpunkt besprechen. Und: den Rückweg nicht vergessen! Kinder müssen auch wissen, wie sie sich bei plötzlichen Hindernissen verhalten, etwa einer Baustelle, die den Gehweg versperrt, oder einer defekten Ampel.

Um zu kontrollieren, ob Kinder den Schulweg sicher gehen können, hilft ein Rollentausch: Eltern lassen sich nun von ihrem Kind zur Schule führen. Es erklärt dann, was es sieht und was deshalb zu tun ist. Fahren Kinder mit dem Schulbus, müssen sie ebenfalls das richtige Verhalten üben – an der Bushaltestelle, beim Ein- und Aussteigen und auch im Bus selbst. Wenn das Kind den Weg dann souverän zurücklegt, kann es auch eigenständig zur Schule laufen oder fahren – und ein großer und wichtiger Schritt Richtung Selbstständigkeit ist getan.“

Schulwegtraining: Fünf Tipps für Eltern

Nina Tzschentke ist Referentin für die Kinder- und Fahrradprojekte bei der Deutschen Verkehrswacht und Mutter von zwei Kindern. Sie weiß, wie angehende Grundschüler ticken und kann Gefahrensituationen im Straßenverkehr als Expertin einschätzen. Aus dieser breiten Erfahrung heraus hat sie fünf Tipps für Eltern formuliert, die sich gut einprägen – und umsetzen lassen.

Tipp 1: Kinder brauchen viel Bewegung

Toben, Rennen, Klettern, Balancieren machen nicht nur Spaß, damit trainieren Kinder auch ihre Motorik. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die sichere Verkehrsteilnahme. Nutzen Sie deshalb jede Gelegenheit für Spiel und Bewegung.

 

Tipp 2: Kinder erleben Verkehr anders

Kinder verlassen sich im Verkehr mehr auf das, was sie sehen und weniger auf ihr Gehör. Nehmen Sie die Welt einmal aus den Augen Ihres Kindes wahr und gehen Sie in die Hocke, wenn Sie unterwegs sind. Sie werden merken, was Sie plötzlich nicht mehr im Blick haben!

 

Tipp 3: Sehen und gesehen werden

Mit reflektierenden Materialien an Kleidung und Rucksack wird Ihr Kind im Straßenverkehr schneller und besser wahrgenommen.   

 

Tipp 4: Geduldig sein

Manchmal geht es nicht schnell genug oder Sie haben es schon hundertmal erklärt? Jedes Kind lernt anders und in einem anderen Tempo. Nehmen Sie sich Zeit und bleiben Sie am Ball. Nutzen Sie auch Bücher und Spiele zur Vermittlung. 

 

Tipp 5: Vorbild sein

Eltern sind zentraler Bezugspunkt für ihre Kinder. Unterschätzen Sie also nicht Ihre Rolle als Vorbild und zeigen Sie, wie es richtig geht.

Über die Verkehrswacht

Die Deutsche Verkehrswacht e.V. (DVW) ist ein gemeinnütziger Verein im Bereich der Prävention von Straßenverkehrsunfällen und gehört heute mit etwa 600 Ortsvereinen und 50.000 Mitgliedern zu den größten Bürgerinitiativen in Deutschland. Im Mittelpunkt der Arbeit steht der mobile Mensch und seine Sicherheit im Straßenverkehr. Die DVW hat es sich darum zur Aufgabe gemacht, positiv auf das Verhalten einzuwirken und das harmonische Miteinander zu fördern.

In vielen tausend Veranstaltungen pro Jahr informieren die aktiven Ehrenamtlichen zu wichtigen Regeln, beraten zum sicheren Verhalten und trainieren Menschen aller Altersgruppen auf Fahrrad und e-Scooter, im Auto und zu Fuß. Die DVW unterstützt bei der intensiven Verkehrserziehung in Kita und Grundschule und arbeitet eng mit pädagogischem Fachpersonal, Polizei und anderen Verbänden und Behörden zusammen. Darüber hinaus engagiert sich die DVW in Kooperationen, Präventionskampagnen und politischen Debatten.

https://deutsche-verkehrswacht.de/

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