Handgestenspiele
Im Zeitalter der Medien sind diese einfachen kleinen Kinderreime weitgehend in Vergessenheit geraten. Das ist bedauerlich angesichts der Tatsache, wie wertvoll solche Spiele für die gesunde Entwicklung der Kinder sind und wie sehr Kinder diese Spiele lieben.
Die schlichten, gereimten, meist fröhlichen Texte erfreuen die Kinder. Der Gleichklang im Reim vermittelt ihnen Harmonie und inneren Halt. Hinzu kommt schon im schlichten Kindervers der Rhythmus. äußerlich sind wir Menschen umgeben von unzähligen ineinander wirkenden Rhythmen, innerlich von vielerlei Rhythmen durchdrungen.
Rhythmisch gesprochene Sprache regt das innere rhythmische System an und vermittelt Energie und Frische. Durch die begleitenden Hand- und Fingerbewegungen wird man dem Kind in seinem starken Drang nach Bewegung gerecht. So könnte man also ein Handgestenspiel als ein lebendig-bewegtes Bilderbuch bezeichnen.
Wie positiv sich Hand- und Fingerbewegungen auf den Spracherwerb und die Artikulationsfähigkeit auswirken, belegen neuere Gehirnforschungen.
Die Besonderheit der Handgestenspiele von Wilma Ellersiek ist, dass sie nach strengen musikalischen Gesetzen kreiert sind. Man kann also sagen, jedes einzelne der zahlreichen Ellersiekschen Spiele ist eine kleine Komposition, ein kleines in sich geschlossenes Musikstück, und diese Art Musik ist ganz dem Wesen des kleinen Kindes angepasst.
Mit diesen Handgestenspielen erhalten die Kinder eine elementare Musikerziehung, die nicht über den Intellekt geht, sondern die sich durch aktives Tun tief in den Körper einprägt und dadurch sehr wirkungsvoll ist.
Für den Erwachsenen sind diese Spiele eine Herausforderung, denn ehe man in der Lage ist, ein Handgestenspiel wie ein kleines Musikstück den Kindern zu vermitteln, muss man üben, die Sprache zu musikalisieren und die Bewegungen präzise und passend auszuführen, ja, es muss das "Körperinstrument" eingestimmt werden, um virtuos darauf spielen zu können. Hierfür werden Seminare angeboten, in denen an der Sprache, am Rhythmus und an den Bewegungen gearbeitet wird.
Termine und Orte der aktuellen Seminare unter www.handgestenspiele.de
Ein Beispiel:
So macht es das Schneckelein
Die Schnecke kriecht aus ihrem Haus.
Sie streckt die kleinen Fühler aus.
Stups – stups! Sie zieht sie wieder ein
und kriecht zurück ins Haus hinein.
Das Schneckelein!
1 Die Schnecke kriecht aus ihrem Haus. Die rechte Hand des Kindes, lockeres Fäustchen, liegt auf, zum Beispiel auf dem Bett, dem Tisch oder der Handinnenfläche des Erwachsenen. Dieser zeichnet, ausgehend von der Mitte der Kinderhandoberfläche, mit seiner Zeigefingerkuppe eine auswickelnde Spirale (nach rechts) bis zur Daumenwurzel. Dazu spricht er im «Schneckentempo» sehr melodisch; die Wortsilben dehnen.
2 Sie streckt die kleinen Fühler aus.Der Erwachsene steckt seine Daumen- und Zeigefingerkuppen in die Lücke zwischen Daumen- und Zeigefingerwurzel der rechten Kinderhand. Mit der Nagelseite seiner Fingerkuppen fährt der Erwachsene an der Innenseite der Kinderfingerchen entlang und streckt dadurch den Daumen und den Zeigefinger des Kindes als Fühler. An den Fingerkuppen des Kindes angekommen, hält der Erwachsene eine Weile stumm diese Gebärde fest.
3 Stups – stups!Der Erwachsene nimmt seine Finger weg und tupft mit den Spitzen von Daumen und Zeigefinger gegen die «Fühler». Es darf überraschend aber nicht erschreckend sein. (Zarte Berührung).
4 Sie zieht sie wieder einDie zurückweichenden Finger des Kindes behutsam so weit zurück schieben, bis siewieder leicht eingerollt sind.
5 und kriecht zurück ins Haus hinein. Mit der Zeigefingerkuppe beginnt der Erwachsenenun an der Daumenwurzel des Kindes eine einwickelnde Spirale (nach links) bis zur Mitte des Handrückens zu zeichnen. Wiederum im «Schneckentempo » melodisch dazu sprechen. Die Wortsilben dehnen. Zum Abschluss bei «hinein» mit dem Zeigefinger die Handoberfläche zart kitzeln.
6 das Schneckelein.Das lockere, geschlossene Fäustchen des Kindes mit beiden Händen behutsam umschließen, (das Schnecklein sitzt geschützt im Haus). Die Stimme bleibt am Schluss in der Schwebe.
Es ist auch möglich, die Berührungen in der Innenfläche der Kinderhand zu machen, dabei ist besondere Behutsamkeit geboten, da das Handzentrum, der Ich-Bereich der Hand ist und besonders sensibel reagiert. Je jünger oder empfindsamer das Kind ist, desto vorsichtiger muss man im Umgang mit diesem Spiel in der Handinnenfläche sein. Zunächst die Oberfläche, später die Innenfläche, auch beide im Wechsel, ist möglich, der Erzieher muss abspüren, was für die Kinder erfreuend und heilsam sein kann. Einen Rollentausch zwischen Erzieher und Kind kann es auch geben.