Gastbeitrag: Wie geht es Dir? Vom Umgang und der Begleitung der Gefühlswelt von Kindern

Xavier Mouton Photographie
Xavier Mouton Photographie

Gastbeitrag von Sandra Walkenhorst

Wie geht es Dir? ist sicherlich eine Frage, die wir öfter am Tag stellen, bzw. auch gestellt bekommen. Die Antworten darauf sind in der Regel nicht besonders vielfältig. Scheint es doch so, dass besonders wir Erwachsene über drei Hauptzustände verfügen: gut, geht so, schlecht… Kennen Sie das auch? Warum ist es denn eigentlich so wichtig, dass wir unsere Gefühle dezidierter benennen können?

Vielleicht Vorweg: es gibt diverse Ansichten und Modelle zu den Gefühlen, bzw. Emotionen, sowie zu deren Unterscheidung. Ich bleibe deshalb, vor allem in der Arbeit mit Kindern gerne in der Begrifflichkeit der Gefühle. Wir fühlen etwas und manchmal kann dieses fühlen toll sein, manchmal total chaotisch und manchmal unglaublich herausfordernd. Kinder haben hier einen wesentlichen Vorteil: Sie sind noch ganz nah dran am Fühlen und vor allem auch daran diese zu zeigen. Was ihnen oftmals dazu fehlt ist ein möglichst großer Wortschatz, um diese Gefühle auch ausdrücken zu können.

Eine Welt voller Herausforderungen

Wir erleben in den letzten Jahren Zeiten großer Herausforderungen, eine Pandemie, Kriege und zudem noch diverse Krisen halten unsere Welt in Atem. Das ist schon für uns Erwachsene nicht leicht, für unsere Kinder also schon gleich noch weniger. Umso wichtiger ist es die aktuellen und damit verbundenen Gefühle wahrzunehmen und verbalisieren zu können. Was können wir also konkret tun?

Kinder lernen am Modell und noch mehr als am gesprochenen Wort, lernen Sie durch unser Verhalten und unseren Umgang mit Situationen und Herausforderungen.

Wir Menschen verfügen über einen Grundschatz an Gefühlen, mit denen wir auf die Welt kommen. Neben Freude und Angst, sind das Trauer, Wut, Ekel und Überraschung. Einige Richtungen zählen noch Schuld, Scham und Liebe hinzu. Bisweilen hört man auch unter Pädagog:innen, dass es da gute und schlechte Gefühle gäbe. Dem möchte ich vehement widersprechen, denn alle Gefühle sind gut und richtig und sind eine wichtige Information für uns. Taucht ein Gefühl auf, sagt es uns etwas darüber, ob eines unserer Bedürfnisse erfüllt oder unerfüllt, bzw. frustriert wurde. Das ist eine äußerst wichtige Information, denn nur wenn ich verstehe, warum ich mich gerade so fühle, kann ich auch etwas damit machen. Die Regulationsfähigkeit ist eine große Kompetenz und auch ein wichtiger Teil einer starken Resilienz. Doch zurück zu den Kindern.

Sie benötigen also von uns Erwachsenen die Begleitung in der Regulation ihrer Gefühle, sowie die Möglichkeit Worte hierfür zu bekommen. Wie kann das stattfinden?

Gefühle fühlen und in Worte fassen

Eine einfache Möglichkeit über Gefühle in den Austausch zu kommen sind Gefühlskarten. Ich arbeite vor allem mit den Gefühlsmonster®-Karten. Das schöne an diesen Karten ist, dass sie keinerlei Zuschreibung haben und der ganze Körper der „Monsterchen“ abgebildet ist. Das macht es vor allem für jüngere Kinder und auch für Kinder mit Störungen in ihrer Wahrnehmungsverarbeitung wesentlich leichter. Die Karten zeigen unterschiedlichste Gefühlszustände und laden die Kinder ein sich selbst darin wiederzuerkennen oder auch eine Karte passend zum aktuellen Empfinden auszusuchen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen des Morgenkreises geschehen, indem die Karten in der Mitte liegen und die Kinder sich eine passende aussuchen dürfen. Zudem können wir auch empathisches Einfühlen mit den Karten üben, z.B. mit der Frage welche Karte wir einem Kind schenken würden, dass sich gerade nicht so gut fühlt?! Am Ende des Tages kann solch eine Runde im Abschiedskreis wiederholt werden, um ebenfalls festzustellen, dass sich die Gefühlslage auch durchaus verändern kann.

Es gibt viele tolle Möglichkeiten, um über Gefühle ins Gespräch zu kommen oder mit diesem Thema zu arbeiten. Besonders für jüngere Kinder kann es eine wunderbare Sache sein kreativ ihre Gefühle auszudrücken, sei es durch malen, basteln oder ähnliches.

Noch eine Idee, wie die Kinder ihre Gefühle etwas genauer fühlen können, ist das sogenannte Leveln. Das bedeutet die Gefühlsstärke auf einer Skala (z.B. von eins bis zehn) einzuteilen. Das kann auch mit einer kleinen Bastelei verbunden werden. Eine Möglichkeit wäre eine Art Thermometer mit den Zahlen von 1-10 zu gestalten. Hier können die Kinder dann mit einer Wäscheklammer den aktuellen Gefühlsstand anzeigen. Der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt.

Kinder stärken und begleiten

Es gibt viele Möglichkeiten Kinder zu stärken und sie authentisch zu begleiten. Das Thema der Gefühle und Bedürfnisse ist hierbei ein, für mich, essenzielles, denn viele unserer Tools und Techniken aus Pädagogik, Coaching, Beratung und Begleitung haben dies als Grundvoraussetzung, nämlich dass ich meine Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen und benennen kann. Dann kann ich verschiedene Möglichkeiten lernen sie zu regulieren, bzw. mit herausfordernden Situationen umzugehen. Denn was bisweilen so einfach klingt, ist es oftmals in der Realität nicht. Ich erlebe in meiner Arbeit sehr häufig Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene, die hier einen großen Nachschulungsbedarf haben. Deshalb liegt es mir so sehr am Herzen, dass diese Psychoedukation möglichst früh stattfindet, ist sie doch die Basis für viele weitere Lern- und Entwicklungsschritte.

Einige weitere Impulse zu diesem Thema finden sich auch in unserem neuen Buch „Coaching für Kinder und Jugendliche: Methoden gegen Stress und Leistungsdruck aus schulenübergreifender Perspektive“, erschienen im Meyer und Meyer Verlag. Mehr zu den Gefühlsmonster®-Karten und deren Anwendung finden Sie auf der Seite www.gefuehlsmonster.de

Über Sandra Walkenhorst

privat
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Sandra Walkenhorst ist Dipl. Sozialpädagogin und arbeitet seit fast 30 Jahren mit Menschen unterschiedlichen Alters in den Bereichen (Sonder-)Pädagogik, Pflege und Yoga. Sie hat 21 Jahre an einer Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung gearbeitet und ist selbständig als Yogalehrerin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Autorin mehrerer Fachbücher und Dozentin. Seit mehr 25 Jahren ist Yoga ein wichtiger Teil in ihrem Leben. Sie verbindet auf einzigartige Weise Pädagogik, Yoga, Coaching und Achtsamkeit miteinander und ist unter anderem auch an Fachhochschulen in den Bereichen (Sonder-)Pädagogik und Kommunikation als freie Dozentin tätig. Sie ist Begründerin von Thai-Kinderyoga und, gemeinsam mit ihrem Mann, PsYoCo®.

Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und als Mutter eines Sohnes liegt ihr besonders am Herzen, den Kindern auf ihrem Weg des Heranwachsens Selbstvertrauen, liebevolles Angenommensein und ihre Fähigkeiten zur Resilienz, sowie salutogenetische Faktoren zu stärken!

www.sandra-yoco.de

Buch: Coaching für Kinder und Jugendliche Methoden gegen Stress und Leistungsdruck aus schulübergreifender Perspektive

Coaching für Kinder und Jugendliche bietet Pädagogen, Lehrern, Coaches, Sozialarbeitern, Schulbegleitern, interessierten Eltern und Yogalehrern ein umfassendes Nachschlagewerk, um Kinder und Jugendliche bei psychischen Belastungen im Alltag angemessen zu begleiten. Der einleitende Teil wirft einen Blick auf den Menschen, seine Bedürfnisse, Emotionen und auf seine Entwicklung – er umfasst Grundlagen aus der Pädagogik, Entwicklungspsychologie, Bindungstheorie und Hirnphysiologie. Anschließend werden Lebensbereiche und Problemfelder behandelt und u. a. Themenfelder wie Mobbing, Schulstress, Schulangst, Leistungsdruck, AD(H)S, Depressionen, Lernblockaden, Trauer sowie Spannungsfelder aus dem Bereich Familie-Schule-Freizeit beleuchtet und es wird aufgezeigt, was Coaches und Eltern bei Belastungen anbieten können. In einem weiteren Teil werden Tools und Interventionen aus Pädagogik und psychologischem Coaching vorgestellt, wie z. B. systemische Beratung, Verhaltens- und gestalttherapeutische Interventionen, EMDR, ACT, Ankertechniken und gewaltfreie Kommunikation. Diese werden ergänzt durch Yoga, Entspannungsund Achtsamkeitselemente. Abschließend findet der Leser eine ausführliche Literaturliste mit zusätzlicher Kinder- und Jugendliteratur für die weiterführende, praktische Arbeit.

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