Gastbeitrag: Portfolio im Dialog

Pixabay via Pexels

Qualität in der Kita bedeutet unter anderem eine gute Interaktion zwischen Pädagogen und Kindern. Die dialogische Portfolio-Arbeit bietet dafür viele Anlässe. Ein Gastbeitrag von Marion Lepold.

„Schau mal, da hab ich…“ sagt Tino zu seiner Erzieherin Frau Stern. Die beiden sitzen zusammen und blättern durch Tinos Portfolio-Ordner. Tino erzählt immer wieder zu einzelnen Einträgen, was ihm dazu einfällt. Frau Stern geht darauf ein, stellt Nachfragen und bringt auch ihre Sichtweise zu dem jeweiligen Portfolioeintrag mit ein.

So oder so ähnlich könnte eine Situation in einer Kita aussehen, in der ein dialogischer Portfolio-Ansatz gelebt wird. Schaut man sich Dialoge zwischen Fachkraft und Kind, wie im beschriebenen Beispiel an, wird ersichtlich, dass dabei Erinnerungen gestärkt, der kommunikative Austausch angeregt und Wertschätzung ausgedrückt wird sowie Kinder bestärkt und ermutigt werden. Diese Aufzählung ist sicherlich nur ein Ausschnitt. Es zeigt, wie viele Aspekte, die eine gute Interaktion zwischen Fachkraft und Kind auszeichnen, mittels eines dialogischen Portfolio-Ansatzes gefördert und gestärkt werden können.

Dialogisches Portfolio – was steckt dahinter?

Die dialogische Portfolio-Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie den verschiedenen Beteiligten (Fachkräften, Eltern und Kindern) die Möglichkeit bietet an der Dokumentation zu partizipieren. Dabei steht der Austausch im Mittelpunkt: während der Portfolio-Erstellung, direkt im Anschluss oder als Reflexion mit etwas zeitlichem Abstand.

Wenn Fachkräfte, Kind und Eltern am Portfolio mitwirken, kann das Portfolio die Entwicklung des Kindes ganzheitlich aufzeigen. Dabei braucht es eine gesunde Balance zwischen Portfolios der Fachkräfte über das Kind, Einträgen der Kinder selbst und dem Mitwirken der Eltern.

Wenn Kindern im Portfolio Raum für Ihre eigene Sicht gegeben wird, dann erleben die Pädagogen (und auch die Eltern) einen ganz neuen Blick auf die Kinder und Einblicke in das Denken der Kinder, die ihnen sonst vielleicht verborgen geblieben wären. Kinder entwickeln dabei Selbstkompetenz.

Beim dialogischen Portfolio geht es darum, die Alltagssituationen aktiv zu nutzen und das Portfolio als integralen Teil der Bildungsarbeit der Kita zu sehen.

Was ist eigentlich Portfolio in der Kita?!

Entwicklungsbegleiter und Moderator

Wird die Portfolioarbeit dialogisch gelebt, nehmen die Fachkräfte dabei unterschiedlichen Rollen ein. Die Interaktion zwischen Fachkraft und Kind ergibt sich daraus automatisch, dafür relevant sind die Rolle als Entwicklungsbegleiter und Moderator.

Die Fachkräfte begleiten die Kinder dabei, die Inhalte ihres eigenen Portfolios zusammenzutragen. Es wird also kein Portfolio über das Kind geführt, sondern ein Portfolio-Eintrag entsteht aus der Perspektive des Kindes gemeinsam im Austausch von Kind und Fachkraft.
So wird beispielsweise das Kind bei der Auswahl der Fotos für einen Portfolioeintrag miteinbezogen oder kann, je nach Ausstattung der Einrichtung, die Aufnahmen dazu selbst anfertigen.

Alle Stufen des Portfolioprozesses werden von der Fachkraft moderiert. Durch ihre Beobachtung lenkt die Fachkraft beispielsweise mittels sprachlicher Begleitung und gezielter Impulse, die Aufmerksamkeit des Kindes auf Schlüsselmomente. Das Kind lernt dadurch seine Handlungen bewusster wahrzunehmen. So kann sie beispielsweise nachfragen: Was hast du am liebsten gemacht? Was ging für dich leicht? Was war der schwierigste Teil für dich? Wie hast du das herausgefunden?  

Das Portfolio ist demnach auch stets ein gemeinsam geschaffenes Werk von Fachkraft und Kind - und ggf. auch der Eltern. Der Anteil der Fachkraft am Portfolio hängt immer vom Alter und den individuellen Kompetenzen eines Kindes ab. Doch egal wie groß der Eigenanteil der Kinder am Portfolio ist, sollte sich eine Fachkraft stets darüber bewusst sein, dass sie aufgrund ihrer Professionalität die Verantwortung für das Portfolio trägt. Es ist ihre Aufgabe, Kind und Eltern das Wesen des Portfolios näherzubringen und es ist auch ihre Aufgabe, den Dialog anzustoßen.

Mit Kindern im Dialog

Wesentlich ist die Einbeziehung der Kinder in die Portfolio-Arbeit. Dabei geht es nicht darum, dass die Kinder an allem und überall beteiligt sind. Es braucht die professionelle Perspektive der Fachkräfte zu den Kindern, doch diese soll um die Perspektive der Kinder bereichert werden. Dabei gilt es selbstverständlich die Entwicklung des einzelnen Kindes zu berücksichtigen.

Wie kann das konkret aussehen? Viele Alltagssituationen bietet einen wunderbaren Anlass, um in den Portfolio-Dialog mit dem Kind zu treten. Das kann bereits im ganz Kleinen geschehen, wenn das Kind ein Bild gemalt hat und die Fachkraft mit dem Kind darüber spricht, welchen Titel das Kind dem Bild geben möchte. In dieser Situation kann es gut sein, dass neben dem Titel noch ganz viele andere Informationen des Kindes zum Kunstwerk gegeben werden. Vielleicht können diese auf einem extra Blatt notiert oder sogar als Audioaufnahme hinzugefügt werden. Dabei gilt es sich mit dem Kind zu verständigen und nachzufragen, ob es das auch möchte. Die Meinung des Kindes ist dabei zu akzeptieren.

Gemeinsam Erinnern

Viele Kinder lieben es, ihren Portfolio-Ordner durchzublättern. Vergangenes wird für die Kinder wieder lebendig. Das Portfolio macht für die Kinder sichtbar, dass sie Herausforderungen aus eigener Kompetenz bewältigen können und führt ihnen vor Augen, was sie bereits geschafft, gelernt und erlebt haben. Sie erhalten damit Einsicht in ihr Lernen und ein konkretes Bild ihrer Entwicklung in ganz verschiedenen Gebieten über einen längeren Zeitraum. Portfolio vereint somit Bildungsarbeit und Erinnerungsarbeit miteinander, denn die Kinder setzen sich gedanklich, emotional und praktisch:

  • mit ihrer eigenen Person, ihrer Unverwechselbarkeit, Identität,
  • mit ihren Interessen,
  • mit ihrem Können,
  • mit dem von ihnen selber Geschaffenen,
  • mit dem Erlebten und
  • mit Schönem und Besonderen auseinander.

 

Der Beitrag erschien ursprünglich in der Ausgabe 1/19 von Meine Kita.

Über Marion Lepold

Marion Lepold ist Sozialpädagogin und Montessori-Pädagogin und als Beraterin, Fortbildnerin und Coach in Kindertagesstätten tätig. Sie leitet die Online-Akademie "Qualität in der Kita". Als Expertin für digitale Inklusion und neue Medien in Kita und Schule beschäftigt sie sich intensiv mit der Rolle digitaler Angebote für die Qualität in der frühen Bildung.

 

Online-Kurse zu diesem Thema

Die "Qualität in der Kita"–Online-Akademie bietet zum Thema Portfolio mehrere spannende Kurse an.

Zurück