Gastbeitrag: Oh je, ein Mann im Kindergarten!

Tatiana Syrikova von Pexels

Über den Wunsch eines Mannes mit Kindern zu arbeiten, einen Schicksalsschlag, die Hürden bei der Jobsuche und die Erfahrungen bei der schönsten Aufgabe der Welt. Ein Gespräch zwischen Melanie Wagner, Recruterin bei der diwa Personalservice GmbH und René Q., Sozialassistent bei der diwa Personalservice GmbH. 

René, es freut mich sehr, dass du bei uns angestellt bist und dir die Zeit nimmst über dich, über deine Erfahrungen bei uns und auch deinen Alltag als Sozialassistent sprichst. Ich kann mich noch erinnern, dein Lebenslauf war nicht ganz gradlinig und ich war neugierig was dahintersteckt. Wie bist du zu diesem Beruf gekommen? 

Ja, das stimmt. Meinen ersten Berufswunsch und auch Ausbildungsplatz als Polizist habe ich wieder aufgegeben da ich schnell merkte, dass es sich nicht so richtig mit meinem Persönlichkeitsprofil vereinbaren ließ. 

Ich musste mir also überlegen was besser passt. Grundsätzlich hatte ich nie ein Problem mit Menschen zu interagieren. Gespräche mit Freunden und Eltern brachten mich letztendlich zu diesem Berufsfeld und ich begann mit Praktika. Ich wollte weiter beurteilen: ist das denn jetzt wirklich was für mich? 

In verschiedenen Einrichtungen merkte ich schnell, hier wird meine Hilfe dringend gebraucht und die Menschen sind angewiesen auf Unterstützung. Mir hat das sehr schnell, sehr viel zurückgegeben und es machte richtig viel Spaß! Dadurch hatte ich diesen Beruf auch wirklich für mich entdeckt und gesagt: Ja, das ist das Richtige! 2015 erreichte ich dann meinen Abschluss als Sozialassistent. Auch während der Ausbildung bekam ich sehr viel Zuspruch und merkte, wie wichtig und positiv es ist, dass auch ein Mann mit Kindern zusammenarbeitet. 

Auf jeden Fall! Du warst noch mitten in der weiteren Ausbildung zum Erzieher als dich ein schwerer Unfall aus der Bahn warf und dich zu ganz anderen Dingen zwang. 

Richtig. Von heute auf morgen war mein Leben plötzlich ein Anderes. Ich war mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit als ich von einem Auto an- und überfahren wurde. Mehrere Knochenbrüche, einige Operationen, 2 Jahre Reha und eine sehr lange Ungewissheit ob und wie es überhaupt weitergeht. 

Wie hast du diese Zeit erlebt? 

Meine Familie, Freunde und auch mein Arzt haben mich immer weiter bestärkt, gestützt und positiv beeinflusst. Es war extrem langatmig und sehr schwierig, einige Fähigkeiten musste ich auch erst wieder zurück erlernen. 

Puh – das ging sicherlich auch an die nervliche Substanz… 

Definitiv! Es führte mir vor Augen, dass von heute auf Morgen einfach alles einmal komplett umgedreht sein kann. Meine Planungen waren vorerst allesamt über den Haufen geworfen. 

 

Männer in der Kita

Aber du hast es geschafft dich zurück zu kämpfen! Nach zwei Jahren Zwangspause bekamst du das „go“ vom Arzt, auch wieder beruflich einsteigen zu können. 

Ja. Ich musste abwarten bis ich wieder sicher und voll arbeitsfähig war. Mit meinem Arzt stand ich die ganze Zeit in engem Kontakt und angefangen bin ich mit einem sehr kleinen Sportprogramm – früher hätte ich solche Trainings belächelt. 

War die erste Bewerbungsphase schwierig? 

Das kann man so sagen (lacht). Ich habe nur Absagen bekommen, oft auch die Aussage „wir suchen gerade gar nicht“ – obwohl eigentlich eine Stelle ausgeschrieben war. Ich habe eine ganze Weile nicht mal die Möglichkeit bekommen mich vorzustellen, um zu zeigen wer ich bin. 

Nach und nach erweiterte ich mein Umkreisgebiet der Suche und bin so auf deine Anzeige gestoßen, bei einem Personaldienstleister. 

Unser Glück … 

… Richtig! Nach unserem Erstgespräch ging es direkt weiter nach Hannover und auch hier wurde ich total herzlich aufgenommen. Es war ein sehr warmer Empfang - auf einmal interessierte sich jemand und hinterfragte weiter meine Beweggründe. Was ich von der Kleinstadt erhofft hatte bekam ich jetzt von der Großstadt. Und das war für mich der ausschlaggebende Punkt! 

Du konntest gleich anfangen? 

Ja! Ich war sogar etwas überrollt, das hatte ich nicht erwartet (lacht). Nach kurzer Bedenkzeit entschied ich mich aber klar dafür, wollte diese Chance auf jeden Fall nutzen. 

Und wie läuft es jetzt für dich, welche Bereiche betreust du und wie kommst du zurecht? 

Bis zum ersten Pandemie-Aus war ich in einer KiTa im Elementarbereich tätig. Das war schon sehr spannend da ich sehr offen aufgenommen wurde und auch gleich voll integriert war. Ich habe extrem viel gelernt und mit 25 Kindern war das ganz schön herausfordernd. In diesem Beruf muss man flexibel sein. Kinder werden oft krank, das Personal auch, dazu der Fachkräftemangel – das lässt den Alltag schnell mal ganz anders aussehen und turbulent werden. 

Das sind Hindernisse die einem aber überall in dem Bereich begegnen. Es war eine große Herausforderung und gleichzeitig auch sehr wertvolle Erfahrungen. Ich stand stets mit meinem Ansprechpartner von euch in Kontakt. Hier gab und gibt es immer ein offenes Ohr, menschlich immer auf einer ganz tollen Ebene! Es wird nach der Meinung gefragt, nach den Eindrücken und der aktuellen Situation. 

Kinderzeit-Podcast: Martin Mucha spricht über die Arbeit als Kita-Leiter

Und dann kam der Lockdown. 

Ja. Das war es dann erstmal. Aber … Ich konnte bleiben! Von einigen anderen Kollegen bei Dienstleistern wusste ich, dass sie gleich gekündigt wurden…das ist bei euch nicht passiert und das verschafft mir jetzt noch nahhaltiges Vertrauen. 

Danke! Das freut und bestätigt uns ebenso und macht uns stolz. Es wusste zu diesem Zeitpunkt ja keiner wo es hingeht. 

Richtig. 

Wo bist du jetzt? 

Das war eine schöne Überraschung, ich bin jetzt seit Anfang September viel näher zu meinem Wohnort in einer Einrichtung im Krippenbereich. Das war zuerst etwas komplett Neues für mich. 

Ja klar, aus eigener Erfahrung mit meinen Kindern weiß ich, zwischen 0-3 und 3-6 passiert ein riesiger Entwicklungsschritt – die Arbeit ist eine ganz andere! 

Ja absolut. Bei Kindern zwischen 3 und 6 Jahren kann man kleine Anweisungen geben, die sie umsetzen können. Sie kommen auch viel offener auf einen zu und stellen Fragen oder möchten gemeinsam spielen. 

Bei kleineren Kindern muss man vorsichtiger sein und sorgfältiger abwägen, wie man sich ausdrückt. Zum Beispiel ist es besser sich kurzzuhalten, darauf zu achten welche Worte man wählt, wie man es sagt und auch die Mimik ist wichtig. Die erste Aufgabe ist erstmal Vertrauen zu schaffen. Anfangs gab es ein schüchternes, zweijähriges Mädchen. Beim Essen schaute sie mich ganz misstrauisch an, nahm ihre Brotdose und setzte sich an das andere Ende des Raumes um größtmögliche Distanz zu mir aufzubauen. 

Was hast du gemacht? 

Ich habe das respektiert! Die Kollegen haben mich auch bestärkt – erstmal zwar gelacht – aber auch bestätigt, dass man das nicht persönlich nehmen darf. Gerade in diesem Alter gibt es Kinder, die genau wissen was sie wollen oder eben auch nicht. Ich ließ ihr Zeit Vertrauen aufzubauen und achtete sehr darauf, wie ich mich bei ihr verhalte. Manchmal dauert es etwas länger. 

Aber Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, dass es für Kinder immer etwas Besonderes ist, wenn es einen Mann in der Gruppe gibt? 

Ja, total! 

Hast du auch manchmal mit Skepsis oder Vorurteilen zu kämpfen? Speziell von Eltern oder Kolleginnen vielleicht, gerade weil du ein Mann bist? 

Absolut! Leider habe ich da einige Sachen die ich erzählen könnte. 

Okay … 

Wie du schon sagst, es ist für die Kinder wirklich etwas Besonderes. Die spüren schnell den anderen Part! Die Jungs vor allem, die freuen sich riesig und sehnen sich oft nach einer männlichen Bezugsperson. Faktisch fehlt das in sehr vielen KiTas. Und wenn dann einer da ist, dann reizen die das natürlich voll aus – das ist dann richtig Arbeit (lacht)! 

Negativbeispiel? 

Es war am Anfang des Jahres. Ein Elternpaar kam mit einem Zettel in der Hand auf mich zu und forderte: „Unterschreiben Sie mir das!“ 

Ich wollte natürlich erstmal wissen was das ist und sie forderten mich auf, folgende Formulierung zu unterschreiben: Ich soll nicht mit ihrer Tochter reden, sie nicht anfassen, nicht mit ihr spielen, gar nichts mit ihr machen. Ich soll mich von ihrer Tochter fernhalten. 

Das ist eine heftige Reaktion! 

Ja. Da war ich auch erstmal sprachlos. Sie kannten mich nicht, wir treffen uns gerade die ersten Tage und ich werde mit einer solchen Aufforderung konfrontiert. Das Schlimmste war dann, dass das Mädchen natürlich trotzdem auf mich zukam und wollte, dass ich ihr bei etwas helfe. Ich musste eine Kollegin bitten das zu übernehmen. 

Wie hast du dich gefühlt? 

Denunziert. 

Konntet ihr das klären, wie ist das ausgegangen? 

Naja. In Absprache mit der KiTa Leitung habe ich es erst einmal unterschrieben und sie baten mich um Zurückhaltung, den Wunsch der Eltern zu respektieren. Bestärkten mich aber auch, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Es gab noch weitere Gespräche und ich bekam auch die Möglichkeit von euch, die Einrichtung zu wechseln. Ich entschied mich aber zu bleiben und mich nicht von dieser ersten, negativen Situation abschrecken zu lassen. Ich konnte letztendlich ja auch viele, wertvolle Erfahrung dort sammeln. 

Ich kenne diese Problematik. In meinem Freundeskreis habe ich einen Sport- und Tennislehrer – wir sprechen oft darüber und er berichtet, dass ihm teilweise sogar von Kolleginnen diese anfängliche Distanz, Skepsis und auch Diskriminierung entgegenkommt. Hast du das auch erfahren? 

Grundsätzlich: Ja. Es ist immer Thema. Mir wurde bereits in der Ausbildung gesagt, dass man als Mann in diesem Beruf zu 100% transparent sein muss. Was für Frauen in dem Bereich normal ist, z. B. mit einem Kind auf die Toilette gehen – löst bei einem Mann oft Bedenken aus. Anfängliches Misstrauen ist oft vorhanden und die Frage warum ich als Mann diesen Beruf gewählt habe, wurde mir bisher immer gestellt. Es dauert mindestens einen Monat bevor ich erstes Vertrauen und Akzeptanz spüre. Jedes Mal. 

Ich glaube es ist auch eine schwierige Gratwanderung für die Einrichtungen. Zum einen die Angst der Eltern zu respektieren und zum anderen die Wertschätzung Männern gegenüber zu wahren, die diesen Beruf gewählt haben. 

Absolut. Ich versuche es auch positiv zu sehen. Letztendlich konnte ich ja immer überzeugen und das Vertrauen gewinnen. Einigen Eltern- und Kollegen konnte ich Ängste oder Bedenken nehmen und hoffe, dass männliche Kollegen es an diesen Stellen zukünftig einfacher haben werden. 

Was würdest du dir wünschen? 

Ein bisschen mehr Vertrauensvorschuss. Etwas mehr angenommen zu werden und dass nicht alles hinterfragt wird. Misstrauen wird uns Männern wohl immer ein Stück weit in diesem Beruf bleiben, aber dieser Konflikt sollte künstlich nicht noch größer gemacht werden. In jeder Situation meinen Job unbeschwert machen zu können, das wäre natürlich der größte Wunsch. Es ist unbestreitbar, Frauen und Männer arbeiten unterschiedlich. In unserem Beruf profitieren aber definitiv die Kinder davon! 

Möchtest du zu gegebener Zeit die weitere Erzieherausbildung nochmal angreifen? 

Klares Ja! 

Was kannst oder möchtest du anderen mitgeben? 

Es ist wichtig nicht aufzugeben. 

Auch wenn vieles manchmal frustrierend ist, ist es hilfreich objektiv zu bleiben und auch mal andere Wege zu gehen – manchmal kommt Kraft und Rückhalt von einer Seite, von welcher man es erst gar nicht erwartet hätte. 

Es ist einer der besten Berufe der Welt! Egal, auf wieviel Gegenwind man stößt, die Kinder zahlen es einem tausendfach zurück. Kinder bei ihrer Entwicklung zu begleiten ist überaus herzerwärmend und zeigt mir täglich, die richtige Berufswahl getroffen zu haben. 

René, herzlichen Dank für deine Zeit und deine Worte! Es freut mich sehr zu hören, dass es dir gut geht, dass du jetzt in einem Bereich bist wo du dich wohlfühlst und für dich viel mitnehmen kannst. Genau solche Geschichten sind es, die auch mich wachsen lassen und unsere Arbeit ausmachen. 

Das Gespräch führte Melanie Wagner, Recruterin bei der diwa Personalservice GmbH

Zurück