Gastbeitrag: Meditation in der Kita

Foto von Yan von Pexels

Meditation mit Kleinkindern in der Kita? Geht das? Aber ja – wenn man weiß wie: Auf die Haltung kommt es an! Dazu 4 praktische Übungen zur Achtsamkeit, die schon mit kleinen Kindern in der Kindertagesstätte oder im Kindergarten funktionieren.

Viele Kinder können sich heute schlecht konzentrieren, sind unruhig oder sogar auffällig. Dass mehr Ruhe, eine erhöhte Konzentrationsfähigkeit und mehr Empathie allen Kindern gut tun würde, leuchtet den meisten Erzieher:innen, Pädagog:innen und Eltern ein. Meditation und Achtsamkeitstraining helfen diese Fähigkeiten zu entwickeln. Dennoch bleiben Zweifel. 

Dazu kommen die Herausforderungen in der Kindertagesstätte: Altersgemischte Gruppen mit teilweise sehr kleinen Kindern bedürfen einer ganz anderen Herangehensweise als eine Gruppe Vorschulkinder. Und wie ist das in inklusiven Kita-Gruppen mit Kindern mit Förderbedarf? Ist es unter diesen Umständen überhaupt möglich Stille zu lernen?

Was ist eigentlich Meditation?

Ich verstehe unter Meditation die Fähigkeit meine eigenen Gedanken, Gefühle und Körperwahrnehmungen zu beobachten. Meine Gedanken sind dann noch da, aber ich werde von ihnen nicht mehr vereinnahmt. Meine Sorgen sind noch da, aber sie reißen mich nicht fort.

Auch wenn Meditation Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Konzentration und Empathie schult – es ist nicht das oberste Ziel. Tatsächlich hat Meditation kein Ziel in dem Sinne. Es geht vor allem darum, einfach zu sein. Jetzt. Ohne etwas zu wollen. Einfach im Moment bleiben.

Meditieren bedeutet: Ich bin da. So wie ich bin. Mit all meinen Sorgen, Gedanken, Hoffnungen, Schmerzen und Gefühlen.

Meditation und Achtsamkeit zu üben hilft mir also im Moment zu sein. Ganz im Hier und Jetzt. Jetzt kommt das Spannende: Diese meditative Erfahrung ist der natürliche Zustand von Kindern.

KINDER, SPIEL, FLOW UND MEDITATION

Wenn Kinder spielen, versinken sie ganz im Spiel. Wenn sie laufen, dann laufen sie. Sie sind im Flow. Kinder können und kennen also schon einen ganz wesentlichen Aspekt von Meditation!

 Wenn wir Kinder also in Achtsamkeit und Meditation unterstützen wollen, dann ist es hilfreich ihre Bewegungsfreude und ihren Spieltrieb zu berücksichtigen.
 

Das Geschenk der Kinder – und das Geschenk der Erwachsenen

Das ist übrigens auch das Geschenk, das Kinder uns Erwachsenen machen können – seien wir nun ihre Eltern, ihre Erzieher oder ihre Lehrer. Wir Großen können von den Kleinen lernen ganz im Moment zu sein und sich im Spiel zu vertiefen!

Kinder sind sich aber meist dieser Fähigkeit nicht bewusst. Das unterscheidet sie von uns Erwachsenen. Und das ist,was Kinder von uns Erwachsenen lernen können: Die Fähigkeit Dinge bewusst zu tun. Zum Beispiel bewusst innezuhalten.

Was braucht es für Meditation und Achtsamkeit mit kleinen Kindern?

Wenn wir Kinder in die Stille und Achtsamkeit führen wollen, brauchen wir drei Dinge:

  1. Das Wissen, dass Kinder einen hohen Bewegungs- und Spieldrang haben – und dass dies eine ihre natürlichen Kompetenzen ist, in den meditativen Zustand zu kommen! Meditation für Kinder sollte Bewegung und Spiel berücksichtigen.
  2. Wir brauchen selbst einen ruhigen Pol, von dem wir aus üben können. Achtsamkeitstraining und Meditation hilft selbstverständlich Erziehern, Pädagoginnen und Eltern langfristig im Umgang mit Kindern ruhig zu bleiben. Aber es geht mir um etwas anderes:Für das Üben mit den Kindern reicht es, wenn wir uns in einen absichtslosen Zustand versetzten: Also zu wissen, dass die Meditation mit Kindern nicht perfekt sein muss. Wir erwarten nicht, dass Zweijährige eine halbe Stunde still im Lotussitz sitzen – noch nicht einmal 1 Minute  Wir erwarten nichts, sondern sind gespannt, was passiert!
  3. Wir machen diese Übung selbst achtsam: Achtsam uns und den Kindern gegenüber! Sobald wir merken, dass die Aufmerksamkeit einzelner Kinder sich verändert, passen wir die Übungen an oder beenden sie.

Wir wollen mit Achtsamkeitsübungen und Meditation weder uns noch die Kinder überfordern. Im Gegenteil: Wir wollen uns herausfordern, gemeinsam etwas erleben, teilen und lernen – und das geht am besten mit Spiel und Spaß.

Mit Kindern meditieren

4 Übungen für Achtsamkeit in der Kita

Diese Übungen sind wie gesagt sehr spielerisch, ich habe mich an den Vorschlägen des australischen Yoga-Lehrers Gopala Amir-Yaffe orientiert (der Link zu seinem englischsprachigen Blogartikel mit vielen weiteren Spielideen steht am Ende). Du benötigst für die Übungen eine kleine Glocke und eine Klangschale. Du kannst die Übungen gut in euren Morgen- oder Stuhlkreis einbauen.

  1. Das Fest der Tiere (bewegtes Spiel)
    Jedes Kind wählt ein Tier, das es darstellt. Dann laufen, springen, schlängeln sich die Tiere durch den Raum. Dabei brüllen, knurren und fauchen sie – bis die Klangschale ertönt. Dann erstarren alle Tiere zu Stein. Erst wenn der Ton der Klangschöne verklungen ist, erwachen die Tiere wieder zum Leben.Wie die Übung funktioniert: Die Kinder können sich zuerst ausdrücken und müssen gleichzeitig auf den Ton der Klangschale hören. Dann geht es darum, die Stille und Unbeweglichkeit auszuhalten, bis der Ton verklungen ist.
  2. Die stille Glocke
    Zuerst wandert die Glocke im Kreis von Kind zu Kind, wobei jedes Kind die Glocke einmal klingelt. Im zweiten Durchgang wandert die Glocke still durch den Kreis. Der erste Durchgang ist vor allem für kleinere Kinder gedacht. Manche können nämlich der Versuchung zu klingeln nicht widerstehen. Mit Vorschulkindern kannst du auch direkt die stille Variante durchspielen.
  3. Die Glocke ruft dich
    Eine Abwandlung von Plumpsack: Alle Kinder sitzen mit geschlossenen Augen im Kreis (ich weiß, das allein kann für einige Kinder schon eine Herausforderung sein…). Ein Kind geht mit der Glocke herum, tritt neben ein Kind und läutet leise an seinem Ohr. Jetzt tauschen diese beiden Kinder die Plätze. Das neue Kind nimmt die Glocke und geht weiter. Am Ende öffnen alle Kinder die Augen wieder. Jetzt können sie erkennen, dass alle ihren Platz getauscht haben.
  4. Wer ist am stillsten?
    Alle Kinder gehen oder rennen durch den Raum. Wenn die Klangschale ertönt, bleiben sie stehen und „frieren ein“. Wer kann am längsten still sein? Die Kinder, die sich bewegen oder etwas sagen, scheiden aus und setzen sich hin. Diese Übung eignet sich eher für das Ende einer Einheit, wenn die Kinder schon ein wenig mit dem Stillsein geübt haben. Es ist auch hilfreich, wenn Kinder sich Raum und Aufmerksamkeit verschaffen. Der Vergleich spornt manche der lauten Kinder tatsächlich an, plötzlich möglichst lange leise zu sein.

Meine Tipps um Achtsamkeit & Meditation in der Kita zu üben

  • Sehr aufmerksam auf die Kinder schauen: Wann lässt ihre Aufmerksamkeit nach, wann braucht welches Kind was?
  • Wechsel von Bewegung und Stille: Es gibt ruhige Spiele (Die stille Glocke) und es gibt eher bewegte Spiele (Fest der Tiere). Die Spiele verlängere, verkürze oder wechsle ich, so wie es gerade jetzt für die Kinder gut ist.
  • Unperfekt ist perfekt: Nicht alle Kinder machen bei allen Spielen mit, manche sind zurückhaltend, andere wild. Meine Idee von einer durchgehend stillen kontemplativen Atmosphäre loszulassen, ist meine Herausforderung. So kann ich entspannt die Dynamik der Kinder sehen und zulassen.
  • Spiel statt Übungen: Ich spreche den Kindern gegenüber erst einmal nur von Spielen. Fürs Spielen sind Kinder fast immer zu begeistern   (Die Worte Meditation, Achtsamkeit oder Übung lasse ich erst später und spärlich einfließen.)
  • Einbinden in bestehende Routinen: Wenn es in der Kita bereits einen Stuhlkreis oder Morgenkreis gibt, dann würde ich dort die Spiele der Stille einbringen.
  • Auspowern lassen: Es hilft, wenn Kinder sich vor den Achtsamkeits-Spielen schon bewegt haben. Zum Beispiel wenn sie vorher draußen im Garten waren.
  • Übung macht den Meister: Je öfter und regelmäßiger wir etwas üben, desto besser prägt es sich uns ein – das gilt natürlich auch für das Üben von Achtsamkeit.

Über Christopher End

Christopher End blickt auf eine über 20-jährige Meditationserfahrung zurück, ist ausgebildet in Aikido, Qi Gong, systemischem Coaching und humanistischer Therapie. Als Coach begleitet er Eltern im achtsamen Leben mit Kindern und gibt den Podcast „Eltern-Gedöns“ heraus. Seit seiner Kindheit liebt und erzählt er Geschichten. Heute lebt er mit zwei wilden Kindern, einer humorvollen Frau und vielen Büchern in Köln. www.christopher-end.de

Buchtipp: Der kleine Samurai findet seine Mitte

Der kleine Samurai unterstützt Kinder zwischen 6 und 10 Jahren sowie ihre Eltern beim Heranführen an die Hara-Meditation, welche Achtsamkeit, Autogenes Training und positiv denken fördert. Durch viele praktische Übungen und eine spannenden Geschichte finden die jungen Menschen zu ihrer inneren Mitte, so dass Stresssituationen und Schicksalsschläge an Schwere verlieren. So können auch Gefühle wie Angst und Aufregung im schulischen Alltag, vor Klassenarbeiten, beim Eintritt in einen neuen Verein, bei Mobbing und anderen Herausforderungen mutig und in sich ruhend bewältigt werden. Das Selbstbewusstsein und persönliche Lebensglück steigt durch die frühe Heranführung an die eigene Spiritualität.


Zur Geschichte im Buch: Die 8-jährigen Zwillinge Nina und Tim, die gerade erst nach Köln gezogen sind und noch sehr unter der neuen Situation leiden, erleben in der spannenden Abenteuergeschichte eine Zeitreise ins alte Japan. Dabei lernen sie in Begleitung des kleinen Samurai, wie sie Ängste, Wut und Aufregung mit Meditationen in den Griff bekommen können. Gemeinsam erleben sie ein aufregendes Abenteuer und können durch ihren Mut einen heimtückischen Verrat aufdecken.

Der kleine Samurai findet seine Mitte von Christopher End und Anando Würzburger. 136 Seite. Windpferd Verlag. ISBN: 9783864102554

Zurück