Gastbeitrag: Kommunikation in Informationsprozessen

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und im Hinblick auf die vielen organisatorischen Aufgaben, die das pädagogische Fachpersonal während der Betreuungszeit erledigen muss, ist es sinnvoll, bestehende Kommunikationsstrukturen zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszurichten, um sicherzustellen, dass die entsprechende Information auch bei demjenigen ankommt, der sie benötigt.
Ein Gastbeitrag von Theresa Lill
Eltern, die zwischen Tür und Angel über veränderte Schlafgewohnheiten des Kindes berichten, dazwischen das klingelnde Telefon mit der Nachricht über eine Scharlacherkrankung und dazu noch die Kollegin, die vom Ende des Raums hinweg zuruft, dass eines der Kinder heute Nachmittag außerhalb der gewöhnlichen Zeiten abgeholt wird…
Eine Flut von relevanten Informationen, die parallel auf die Erzieher*innen einströmt, verarbeitet und geordnet werden muss – in Kitas ist das ein ganz gewöhnlicher Alltag. Stressmomente, die schnell einmal aufkommen, sind prädestiniert dafür, Chaos zu stiften. Wer ha nochmal was gesagt? Wo habe ich mir das aufgeschrieben? Wen habe ich informiert?
Fehlende Informationen oder umständliche Kommunikationswege sind häufig Ursache für stockende Arbeitsabläufe und widersprüchliche Aussagen innerhalb des Teams und zu den Eltern – was sehr schnell zu Konflikten führen kann. Dies wirkt sich sowohl auf das Arbeitsklima als auch auf die Beziehung mit den Eltern negativ aus.
Der Ratschlag, „einfach mehr miteinander sprechen“, reicht leider nicht aus. Denn anstatt oft und ausführlich miteinander zu reden, kommt es vielmehr darauf an, zielgerichtet miteinander zu kommunizieren. Das bedeutet, dass jedes Teammitglied zur richtigen Zeit genau die Informationen vorfindet, die es zur Erfüllung seiner Aufgabe benötigt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Klare Kommunikationsstrukturen
So einfach es klingt, si groß ist die Herausforderung im Alltag. Denn oft ist innerhalb der Einrichtung überhaupt nicht klar, wer welche Information zu welcher Zeit benötigt. Aus lauter Unsicherheit wird zu viel oder zu wenig kommuniziert. Um aus diesem Kreislauf auszubrechen und klare Strukturen etablieren zu können, muss zunächst einmal im Detail die Ist-Situation analysiert werden: Wann kommunizieren wir, wie und warum?
Kommunikationssituationen finden
Überlegen Sie sich, welche verschiedenen Kommunikations- und Informationsprozesse es in Ihrer Kita gibt:
- aktuelle Meldungen zu Schließzeiten
- tägliche Anwesenheitserfassung der Kinder
- Austausch mit den Eltern in Bring- und Abholsituationen
- Krankmeldungen übers Telefon
- Nachfragen interessierter Eltern zu freien Kita-Plätzen
- Überblick über alle Veranstaltungen (Sommerfest, Elternabende,…)
- Information der Eltern über Ausflug am folgenden Tag
- Mahnung bei nicht bezahlten Monatsbeiträgen oder Essensgeld
- tiefgehende Entwicklungsgespräche mit den Eltern usw.
Kommunikationssituationen einordnen
Da nicht jede Situation mit der anderen gleichzusetzen ist – und somit unterschiedliche Ansprüche an die Kommunikation gestellt werden – ist das Einordnen in Kategorien hilfreich. Hier können Ihnen folgende Fragen eine Stütze sein:
- Welche Dringlichkeit hat die Information? Muss die Information sofort mitgeteilt werden? Reicht es aus, die Information im Laufe des Vormittags zu übermitteln oder ist sie erst am Ende des Tages relevant? Betrifft es ein Ereignis, das in ferner Zukunft stattfindet und nicht dringend kommuniziert werden muss?
- Wer ist an der Kommunikation beteiligt? Liegt generell eine interne Kommunikationssituation vor (die Information muss innerhalb der Einrichtung weitergegeben werden) oder eine externe Kommunikation (die Eltern müssen benachrichtigt werden oder die Elternbringen eine Information in die Einrichtung)?
Diese beiden Punkte sind wegweisend für die darauffolgenden Fragen:
- Wie soll die Information kommuniziert werden (mündlich oder schriftlich)?
- Auf welchen Weg ist diese Vermittlung sinnvoll (Aushang, Rundbrief, E-Mail, Gespräch, Post-It, Gruppentagebuch, digitale Wissensdatenbank,…)?
- In welcher Reihenfolge soll diese vermittelt werden (wer muss wann informiert werden?)?
- Wird eine bestimmte Erwartungshaltung an den Tag gelegt (muss der Empfänger der Nachricht diese bestätigen? Muss eine Rückantwort erfolgen?)
Was ist eigentlich Bildungs- und Erziehungspartnerschaft?!
Transparenz und Effizienz
Nicht nur das Wann, Wie und Warum gilt es zu analysieren. Bei allen Kommunikationsvorgängen ist außerdem wichtig, deren Transparenz unter die Lupe zu nehmen: Ist jedem klar, wie die Kommunikationsprozesse ablaufen?
Arbeitsabläufe können nur reibungslos vonstattengehen, wenn alle beteiligten Personen wissen, wo sie entsprechende Informationen ablegen können und relevante Informationen auffinden. Ist der Kommunikationsvorgang zudem effizient ausgelegt, d.h. unnötige Kommunikationsschritte beseitigt, kann der Kommunikationsprozess schneller ausgeführt werden. Dies wirkt sich positiv auf die allgemeine Arbeitsbelastung aus. Folgende Team-Übung kann Sie bei Ihren Überlegungen zu transparenten und effizienten Kommunikationsprozessen unterstützen:
Fragen zu Transparenz und Effizienz
Hinterfragen Sie Ihre bestehenden Kommunikationsformen:
- Weiß jeder, wie welche Informationen richtig eingetragen / weitergegeben wird?
- Hat jeder genau dann Zugriff auf die benötigten Information, wenn er sie braucht?
- Wo tauchen Probleme auf?
- Gibt es bestimmte Wünsche hinsichtlich der Kommunikation?
- Gibt es einen zentralen Ort, an dem Informationen gesammelt werden?
- Gibt es eventuell zu viele verschiedene Systeme, worunter der Austausch leidet?
- Benutzt jeder innerhalb der Einrichtung das gleiche System?
- Gibt es Helfer für den Alltag? (z.B. digitale Werkzeuge, um einen besseren Überblick zu gewährleisten?)
- Entsprechen die Prozesse der aktuellen Situation? (z.B. steigende Zahl der Kinder/Fachkräfte oder Eltern, die die Einrichtung nicht betreten können, erfordern andere Wege der Kommunikation)
Vorbereitung zur Kommunikation
Nicht nur Kommunikationswege müssen vorab geklärt werden, sondern auch, wie der gemeinsame Austausch in Form eines Gesprächs ablaufen sollte. Ein Gespräch ist mehr als die bloße Weitergabe von Informationen – denn es muss auch auf die Aussage des Gegenübers eingegangen werden. Der Gesprächsbeitrag des Partners wie zunächst gedanklich eingeordnet, um dann angemessen darauf reagieren zu können. Dabei wird der Gesprächsverlauf neben den reinen Inhalten vor allem durch die Situation, die Emotionen und den Gesprächsanlass bestimmt. Gerade kritische Themen können zu Stress bei den Beteiligten führen Um dennoch einen erfolgreichen Austausch zu erzielen, ist eine sorgfältige Gesprächsplanung vorab sehr wichtig.
Anhand folgender Leitfragen können Sie sich (hier beispielhaft für die Situation „Entwicklungsgespräch mit den Eltern“) bei der Gesprächsplanung orientieren.
Wer sind die Gesprächsteilnehmer?
Welche Gesprächsteilnehmer*innen müssen bei diesem Austausch anwesend sein? Reicht ein*e Erziehungsberechtigte*r oder sollten alle dabei sein? Ist es nötig (z.B. aufgrund von Sprachbarrieren), weitere Gesprächsteilnehmer*innen einzubeziehen? Setzt der Anlass voraus, dass auch das Kind anwesend ist? Wie sieht es mit den anderen Teammitgliedern aus? Muss die Leitungsebene eingeschaltet werden?
Wann findet das Gespräch statt?
Zeitpunkt und Zeitdauer sind festzulegen. Ist der Zeitpunkt für alle Gesprächsteilnehmer*innen gut gewählt? Haben Sie genug Zeit und mögliche Puffer für das Gespräch eingeplant? Haben Sie alle Teilnehmer*innen rechtzeitig informiert?
Wo findet das Gespräch statt?
Stehen Räumlichkeiten bereit? Müssen diese rechtzeitig reserviert werden? Sind Sie dort auch wirklich ungestört? Ist die Atmosphäre für den Gesprächsanlass angemessen? Gibt es genug Platz und Sitzmöglichkeiten? Wissen Kolleg*innen Bescheid, dass der Raum geblockt ist?
Was soll besprochen werden?
Machen Sie sich vorab Gedanken über den Inhalt des Gesprächs. Gibt es einen konkreten Anlass? Haben die Eltern um das Gespräch gebeten? Fragen Sie im Vorfeld, was die Eltern besprechen möchten, um sich gedanklich darauf vorbereiten zu können. Haben Sie um das Gespräch gebeten, um die Entwicklung des Kindes zu besprechen? Dann machen Sie sich vorab Gedanken, welche Fortschritte das Kind seit dem letzten Austausch gemacht hat, welche Stärken und Interessen es hat und ob es eventuell bestimmte Impulse braucht. Fertigen Sie hier vorab eine Gliederung des Gesprächs an, um im Gespräch selbst nichts zu vergessen.
Eine Aussage = mehrere Bedeutungen?!
Es gibt Gespräche, die für alle Gesprächsbeteiligten optimal verlaufen. Man geht mit einem guten Gefühl auseinander – nur um kurz darauf festzustellen, dass man gründlich aneinander vorbeigeredet hat. Jeder Mensch ist geprägt durch das berufliche und private Umfeld, die Erziehung, den eigenen Erlebnissen, etc. Wenn zwei Menschen miteinander sprechen und die gleichen Begrifflichkeiten verwenden, si kann es doch vorkommen, dass sie den Begriffen unterschiedliche Bedeutungen zuweisen – und demnach die Aussagen des Gegenübers anders auffassen als es derjenige gemeint hat. Versuchen Sie daher, Ihre Aussagen so deutlich wie möglich zu formulieren. Überlegen Sie, was Sie in dem Gespräch genau aussagen wollen und machen Sie sich Gedanken darüber, ob es Hilfsmittel gibt, die Ihre Aussagen anschaulich wirken lassen.
Auditive Aussagen
Sie wollen zum Beispiel mit den Eltern über die sprachlichen Fortschritte des Kindes sprechen. Bevor Sie abstrakt über das Thema sprechen, ist es einfacher, Sie nehmen Sprachaufnahmen des Kindes mit in das Gespräch- So können Sie sich diese gemeinsam mit den Eltern anhören und ganz konkret den Entwicklungsstand des Kindes besprechen.
Visuelle Aussagen
Das funktioniert ebenso mit kleinen Videoaufnahmen, um den Eltern einen Eindruck von der motorischen Entwicklung des Kindes zu vermitteln oder ihnen direkt einen Einblick zu geben, wie gut das Kind in der Einrichtung und inmitten der anderen Kinder zurechtkommt. Vor allem die Interaktion mit anderen Kindern und dem pädagogischen Fachpersonal erleben die Eltern im Familienleben nicht. Da passiert es häufiger, dass sich ein Kind in der Einrichtung anders als zu Hause verhält. Durch Videoaufzeichnungen z. B. können die Eltern die – ihnen unbekannten – Handlungen ihres Kindes deutlich besser kennenlernen.
Selbst Bastelsachen oder gemalte Bilder können die Entwicklung und die Interessen des Kindes ausdrücken. Auch Portfoliobeiträge sind ein optimales Mittel, um Eltern die Wünsche und Ideen des Kindes darzulegen.
Das alles verleiht Ihren Aussagen noch mehr Bedeutung und hilft den Eltern, Ihre Sichtweise, Beobachtungen und Einschätzungen zu verstehen.
Durchführung und Nachhaltigkeit
Haben Sie festgestellt, dass an den Kommunikationsprozessen in Ihrer Einrichtung etwas geändert werden muss? Holen Sie alle ins Boot und klären Sie darüber auf, warum welche Kommunikationsmodele umgestellt werden müssen und welchen Nutzen diese Umstellung mit sich bringt. Geben Sie allen Prozessbeteiligten Zeit und Raum, um Fragen zu stellen und sich auf diese Umstellung vorzubereiten. Ein Leitfaden kann eine gute Orientierung sein. Somit stellen Sie auch sicher, dass die Transparenz aller Vorgänge gewährleistet ist und jede*r Einzelne die Aufgaben und auch die Wichtigkeit klarer Kommunikationswege verstanden hat. Denn bei der Etablierung neuer Strukturen muss Ihnen immer bewusst sein: Alle noch so durchdachten Kommunikationsprozesse können nur dann erfolgreich sein, wenn alle Kommunikationspartner diese kennen und entsprechend handeln.
Der Artikel ist ursprünglich in der klein&groß 10/18 erschienen.
Über die Autorinnen
Julia Häußler, Rhetorikerin und Medienwissenschaftlerin
Theresa Lill, Weiterbildnerin und Mit-Gründerin der QiK Online-Akademie
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