Gastbeitrag: Im Einklang mit der Natur - draußen lernen und leben

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Immer mehr Eltern melden ihren Nachwuchs in Kindergärten an, die dem Kind einen Zugang zur Natur bieten. Die Naturpädagogik nimmt aber auch in "normalen" Kindergärten immer mehr Raum ein, denn Kinder wollen die Welt mit allen Sinnen kennenlernen und entdecken mit viel Spaß und Interesse das Leben in der Natur.

Besonders in Großstädten wie München, Hamburg oder Berlin steigt die Nachfrage nach Waldkindergärten rasant. Immer mehr Eltern wünschen sich einen Kitaplatz in einem der 1.500 Waldkindergärten in der Bundesrepublik. Aber welche Vor- und Nachteile hat die Naturpädagogik für Kinder und Erzieher und warum wünschen sich immer mehr Eltern eine naturpädagogische Erziehung für ihren Nachwuchs? 

Warum immer mehr Eltern auf naturpädagogische Konzepte zurückgreifen

Die Natur wird in den großen deutschen Metropolen immer weiter zurückgedrängt. Wo vor einiger Zeit noch ein Wald war, stehen jetzt Hochhäuser. Dabei ist die Natur doch so wichtig für uns. Sie gilt nicht nur als Naherholungsgebiet, sondern ist ein wichtiger Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere. Auch immer mehr Eltern möchten ihren Kindern die Chance geben, die Vielfältigkeit der Natur zu entdecken und von ihr zu lernen. Leider ist es vielen Eltern aus beruflichen oder privaten Gründen nicht immer möglich, ausreichend Zeit mit ihren Kindern in der Natur zu verbringen und ihnen die Besonderheiten der Natur näherzubringen.

Diese Aufgaben sollen und können Erzieher übernehmen, die das naturpädagogische Konzept in ihrer Kindertagesstätte aufgreifen. In einigen Kindergärten sind die kleinen Gruppen zu jeder Zeit draußen in der Natur. Hier dürfen sich die Kinder frei entfalten und die Umgebung in der Natur als Spielplatz nutzen. Als Rückzugsort steht oft nur ein Bauwagen zur Verfügung, der jedoch nur selten genutzt wird, denn die Kinder lieben es, sich in der Natur zu verausgaben und auf natürliche Weise zu lernen.

Das Kind trägt seinen Drang zum Forschen in sich

Den ganzen Tag draußen sein, Wind und Wetter trotzen und auch bei schlechten Witterungsbedingungen an der frischen Luft sein. In der Naturpädagogik gibt es kein schlechtes Wetter, denn mit der richtigen Kleidung kann man sich optimal den Gegebenheiten anpassen und die Zeit in der Natur genießen.

Die Natur bietet dem Kind alles, was es braucht, um zu lernen und zu spielen. Der kindliche Bewegungsdrang wird in der natürlichen Umgebung nicht gestoppt, vielmehr bietet die Natur einen Anreiz, auf Forschungsreise zu gehen und das Leben in diesem natürlichen Lebensraum zu entdecken. Das Kind benötigt keine Spielzeuge, um sich zu beschäftigen, sondern möchte aus freien Stücken das Treiben in der Natur entdecken und erforschen.

Kleine Käfer, Regenwürmer, aber auch unterschiedlichste Holzarten und bunte Blätter laden förmlich ein, die verschiedensten Möglichkeiten, die sich in der freien Natur ergeben, zu entdecken. Beim Balanceakt über einem umgekippten Baum können die Kleinen ihre individuellen Fähigkeiten erproben, beim Klettern werden unterschiedlichste Bewegungsabläufe geprobt und beim Ertasten von Blättern, Stöcken oder Erde erfahren schon die Kleinsten, wie unterschiedlich sich die Natur anfühlen kann. Im Wald finden Kinder verschiedenste Möglichkeiten, sich selbst zu erfahren und ihre Fähigkeiten auf unterschiedlichste Weise zu erkunden und zu erleben. Die kleinen Naturforscher sind wissbegierig und genießen es, die Natur mit allen Sinnen erleben zu können. 

Raus aus dem medialen Überfluss, rein in die Natur

Kindern muss die Möglichkeit gegeben werden, sich auf natürliche Weise entfalten zu können. Bunte Spielzeuge im Überfluss, Medien, die stundenlang Geräusche und Bilder von sich geben, überfordern die Jüngsten, in der Gelassenheit der Natur können Sie zu sich selbst finden und mit der Natur in Einklang kommen. Viele Kinder sind heute schon in jungen Jahren überreizt. Dazu kommen gesundheitliche Schwierigkeiten, die sich durch mangelnde Bewegung führen. In der Natur können und sollen die Kinder ihrem natürlichen Bewegungsdrang wieder freien Lauf lassen. Beim Wandern und spielen an der frischen Luft können Kinder sich selbst und ihren Körper spüren und erlernen, was sie selbst mit eigenen Händen erschaffen können. Ob ein Holzhaus aus Ästen gebaut wird, im Winter eine lustige Schneeballschlacht abgehalten wird oder an einem Bachlauf mit Schlamm und Wasser gematscht wird, Kinder begreifen die Natur sprichwörtlich und genießen es, mit natürlichen Materialien zu arbeiten.

Beim Rauschen der Blätter, wenn der Wind ihnen um die Nase weht, vermisst kein Kind das laute Videospiel oder den ständig laufenden Fernseher. 

Beobachtung der wandelbaren Natur

Erzieher können den Kindern mit ihren naturpädagogischen Konzept einen ganz individuellen Bezug zur Natur vermitteln. Projekte rund um die vier Jahreszeiten bringen den Kindern die unterschiedlichen Abläufe des Jahreszyklus bei. Bei Mitmach-Projekten wie  - Pflanzen säen und ernten, welche Lebensmittel bietet uns die Natur und was passiert eigentlich auf einem Komposthaufen? - Können Fragen beantwortet und das Interesse der Kinder geweckt werden. In der Natur können Kinder vieles erleben. Für die Kinder ist es ein spannender und lehrreicher Prozess, zu sehen, wie die Natur sich selbst immer wieder verändert und neu erfindet. 

Nachhaltigkeit von Anfang an lernen

Das Thema Umweltschutz und ein nachhaltiger Lebensstil werden für die meisten Menschen immer wichtiger. Um unseren Kindern diese Themen näherbringen zu können, beginnt die naturpädagogische Erziehung mit dem Verständnis für die Natur. Kinder, die sich oft in der Natur aufhalten, erkennen die Vielfältigkeit und Schönheit der Natur und möchten diese erhalten. Sie lernen die Natur zu schätzen und den Lebensraum von Pflanzen und Tieren rücksichtsvoll zu nutzen. Schon die Kleinsten lernen sehr schnell, welche Bedeutung die Natur für die Menschheit hat und möchten die Ressourcen schonen und für die Nachwelt erhalten. Die Kinder in einen Einklang mit sich und der Natur zu bringen, sorgt für eine Verbundenheit mit der Natur und zu einem nachhaltigen Denken und einen sparsamen Umgang mit Ressourcen.

Erzieher und Erzieherinnen können die Gelegenheit nutzen und mit den Kindern gemeinsam Ideen entwickeln, wie man die Natur erhalten kann. Selbst Obst und Gemüse anbauen, wenn es die Möglichkeit gibt, keinen Müll in der Natur liegen lassen, Rohstoffe sparen, den Tieren aus dem Wald im Winter etwas zu Essen zur Verfügung stellen, Kinder lassen sich schnell von solchen lehrreichen Aktionen begeistern und lernen hier in ersten kleinen Schritten die Umwelt zu schützen.

Die Natur als Gesundheitsquelle

Schon die Jüngsten erfahren Stress und Hektik im Alltag. Zwischen Kindergarten und Sportverein, Musikstunden und medialem Konsum können Kinder kaum noch abschalten. Doch die Natur kann Stress nachweislich reduzieren und so das "runterkommen" fördern. Beim Rauschen der Blätter können schon die Kleinsten abschalten und der Fantasie freien Lauf lassen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der enge Kontakt zur Natur das Immunsystem von Kindern deutlich verbessern kann. Wer sich auch mal dreckig machen darf, mit Erde, Tieren und natürlichen Keimen in Kontakt kommt, ist weniger anfällig für Krankheiten. Der Aufenthalt in der Natur schützt nicht nur vor Erkältungen oder anderen Krankheiten, die im Kindergartenalter häufig auftreten, sondern kann auch Allergien reduzieren.

Wenn Kinder sich über längere Zeit im Wald bewegen, atmen sie frischen Sauerstoff ein, der nicht durch Autoabgase oder andere Verschmutzungen verunreinigt ist. Erzieher können das bewusste Atmen der gesunden Luft fördern und zugleich helfen, dass die bewusste Atmung zu einer Entspannungstechnik wird.

Fazit

Kinder möchten in die Natur und wollen dort erfahren, welche Wunder es dort zu finden gibt. Hier darf man toben und spielen, entdecken und forschen und auch mal unter den wogenden Blätterdächern träumen. Die Natur bietet einen spannenden Raum für Entdeckungen und Experimente, den die Kinder gerne nutzen.

Allen Kindern sollte ein regelmäßiger Zugang zur Natur ermöglicht werden. Die Erzieher bringen den Jüngsten die Besonderheiten des vielfältigen Lebensraums näher, erklären und zeigen die verschiedensten Pflanzen und Tiere und fördern so den natürlichen Wissensdurst der lernbegierigen Kinder.

Über den Autoren: Stefan Schultz ist seit 13 Jahren Geschäftsführer eins Kita-Trägers in Berlin. Insgesamt hat er fünf eigene Kitas gegründet und 13 andere Gründerinnen und Gründer im Laufe der Jahre beraten.

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