Neue Wege für eine gesunde und gelungene Streitkultur

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Immer wieder befinden wir uns in einem Dilemma zwischen unseren eigenen und den Interessen der Kinder. Es gilt, Kompromisse zu schließen und sich nach Auseinandersetzungen wieder zu vertragen. Vor allem wir Erwachsenen müssen zurückstecken und fühlen uns oftmals wie in einem Hamsterrad. Aber es kann gelingen uns aus den Zwängen des Alltags zu befreien, neue Wege zu gehen und eine gute Streitkultur zu entwickeln. So erleichtern und verschönern wir uns den Tag, damit ein heiterer und gelassener Alltag entsteht.

„Nie“ und „immer“

Ach, wenn es doch gelänge, dann, wenn die Dinge nicht so laufen wie gewünscht, „nie“ und „immer“ einfach wegzulassen!

„Nie räumst du deinen Ranzen weg! Immer vergisst du alles. Kannst du nie auch mal an mich denken?“

Es stimmt doch einfach nicht! Es passiert nicht nie oder immer. Und trotzdem pauschalieren wir in unserem Ärger so oft! Häufig erzählen mir Kinder und Jugendliche, dass die Erwachsenen sehen, wenn sie etwas nicht erledigen, aber wenn es mal gemacht wird, nehmen sie es nicht wahr. Kein Wunder, dass der, den es trifft, dann schon gar keine Lust mehr hat, das zu tun, was er sowieso offenbar „nie“ tut.

Wenn es mir gelingt, meinen Ärger so zu formulieren, dass deutlich wird, dass ich von meinen momentanen Gefühlen in der Situation spreche, ist es für den anderen viel leichter, zuzuhören, wahrzunehmen, zu verstehen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Er kommt so nicht gleich in die Situation, sich verteidigen zu müssen.

Das heißt bei Jugendlichen beispielsweise: „Für mich ist ein aufgeräumtes Wohnzimmer wichtig. Ich wäre froh, wenn du das respektieren würdest. In deinem Zimmer stellst du deine eigene Ordnung her.“

Bei kleinen Kindern hieße das im gleichen Fall eher: „Komm, wir bringen deine Sachen in dein Zimmer. Wenn du die Burg aufgebaut lassen willst, kannst du das dort tun. Hier kann sie nicht bleiben. Ich brauch’s hier ordentlich.“

Allemal besser als: „Immer lässt du deinen Kram hier liegen. Ich bin es wirklich leid, dir alles hinterherzuräumen. Ich bin doch nicht deine Putzfrau!“

Streitkultur heißt auch, Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg zu gehen. Es wird immer wieder Situationen geben, die von verschiedenen Menschen auch verschieden gesehen und beurteilt werden. Nur, wie man seine Meinung kundtut, wie man zuhört, wie man verhandelt, Kompromisse schließt, nachgibt: Alles das muss gelernt werden. Und das ist vom kleinen Kind nicht zu verlangen (Sie werden daran denken, wenn das Beispiel des kleinen Jungen im Sandkasten mit dem neuen Spielzeugauto erwähnt wird), es kann noch nicht argumentieren. Es wird es aber lernen, wenn es sich in altersgemischten Kindergruppen mit den anderen arrangieren will. Es wird es auch dadurch lernen, dass die Erwachsenen sich um einen zivilisierten Umgang miteinander bemühen. Auch dadurch, dass es erlebt, dass seine Bedürfnisse ernst genommen werden und nicht gleich vom andersdenkenden Erwachsenen vom Tisch gewischt werden.

Wild gestritten werden darf deshalb aber doch noch, wenn es mal nicht anders geht. Dass auch nach einem heftigen Streit wieder Versöhnung möglich ist (und zwar nicht erst nach einer schweigsamen Woche, sondern möglichst noch am gleichen Tag), ist auch eine wesentliche Erfahrung.

Wie grässlich es ist, am Abend nach einem Streit wütend, unversöhnt oder beleidigt ins Bett zu gehen! Selten fühlt man sich so allein. Und schlafen kann man auch nicht gut.

Deshalb: Versöhnung vor dem Schlafengehen. Und wenn das nicht geht, den Streit auf eine nächste Gelegenheit vertagen und sich solange der grundsätzlichen Zuneigung.

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Familie: Basislager für Gipfelstürmer
Was Familien zukunftsfähig macht
Pohl, Gabriele
Oberstebrink

ISBN 9783934333758
224 Seiten
19,95 €

Mehr dazu auf www.oberstebrink.de



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