Die Praxis des Meditierens mit Kindern

Kindermeditationen sind Phantasiereisen, die den Kindern für einen Moment Abstand zum Alltag schenken. Sie regen das Vorstellungsvermögen an, die Kinder können lernen, loszulassen. Sie erleben ihre inneren Welten und schöpfen aus sich heraus wieder neue Kraft.

Eine Meditation ist wie eine Seifenblase: Sie kann so herrlich und eindrucksvoll sein - und plötzlich, bei der kleinsten Störung, ist alle Farbenpracht geplatzt. Daher ist die Planung, wie eine Meditation mit Kindern ablaufen sollte, äußerst wichtig. Folgende Strukturelemente bestimmen das Geschehen:

Erzieher/in,
Kinder,
Angebot und
Rahmenbedingungen.

Strukturelement: Erzieher/in
Es dürfte kaum ein Projekt oder eine Aktion mit Kindern so hohe Ansprüche an die Erziehern/innen stellen als eine Meditation. Von den Vorerfahrungen, der Einstellung zur Meditation, dem Geschick der Durchführung und der momentanen Ausstrahlung hängt ab, ob eine Meditation scheitert, nur oberflächlich daherkommt oder zu einer ergreifenden Erfahrung wird. Denn Kinder meditieren in Teilhabe. Sie werden getragen von der Ruhe, Ausgeglichenheit und Harmonie, die die Erzieher/innen einbringen. Sie sind eingebunden in die Erlebnistiefe des Erwachsenen. So ist das Gelingen aufs engste mit der Erlebnisfähigkeit der beteiligten Erwachsenen verbunden.

An allererster Stelle steht die Begeisterung für meditative Formen. Für manche Menschen ist Meditieren etwas Überflüssiges oder sogar Obskures. Es ist offensichtlich, dass solche Pädagogen/innen den Kindern meditative Erfahrungen nicht nahe bringen können. Wer mit Kindern meditieren möchte, sollte Begeisterung mitbringen und eigene Vorerfahrungen besitzen. Damit ist gemeint: Wer zur Meditation anleitet, sollte selbst in diesem Gebiet ein gerütteltes Maß an Erfahrungen mitbringen. Dies setzt voraus, dass man Einführungskurse und Meditationsangebote besucht hat und mit Erfahrungen und Wirkungen vertraut ist.

Wer öfter meditiert, der weiß, dass tief greifende Erfahrungen auch davon abhängig sind, wie man momentan gestimmt ist. Es muss bereits vorher eine entspannte und geruhsame Atmosphäre herrschen. Eine Pädagogin, die sich aus einer Konfrontation mit einer Kollegin in eine Meditation mit Kindern begibt, wird kaum zur Entspannung und Harmonie fähig sein.

Das Angebot "Meditation mit Kindern" ist kein Selbstläufer. Ganz im Gegenteil: Es sind viele überlegte Handlungen und subtile Kommunikationsformen, die das Gelingen verantworten, z.B. langsames Sprechen, Dynamik der Stimme, gestaltete Pausen, behutsames Schreiten, Sprache der Augen, mystagogische Bewegungen und vieles mehr. Viele praktische Erfahrungen befähigen zu einem sinnvollen Zusammenspiel der genannten Elemente und können Erlebnisreichtum erschließen helfen.

Strukturelement: Kinder
Wird mit Kindern eine Meditation durchgeführt, so ist zu überlegen: Wie viele Kinder sollen teilnehmen? Und: Welche Kinder sollen sich beteiligen?

Eine Erzieherin, die erste Versuche mit Kindern zu meditieren unternimmt, wird zunächst sehr wenige Kinder dazu einladen. Eine Kleingruppe von vier bis sechs Kindern ist hinreichend. Routinierte Erzieher/innen nehmen schon mal zwanzig und mehr Kinder zum Meditieren mit.

Welche Kinder werden ausgewählt für eine Meditation? "Gerade die lebhaften, unruhigen und umtriebsamen Kinder brauchen ganz besonders ein solches Angebot!" Diese Einschätzung mag zwar stimmen, aber mit solchen Kindern ist die Gefahr sehr groß, dass die Meditation misslingt. Für erste Versuche sind ruhige und ausgeglichene Kinder vorteilhaft. Wenn Pädagogen/innen Routine im Meditieren mit Kindern besitzen, dann können auch lebhafte und unruhige Kinder einbezogen werden.

Eine sehr wichtige Voraussetzung ist, Kinder sollen zum Meditieren eingeladen werden. Sie dürfen nie dazu gezwungen werden.

Strukturelement: Das Meditationsangebot
Welche Meditationsformen sollen für Kinder ausgewählt werden? Welche Formen sprechen Kinder besonders an? Wie soll eine Meditation für Kinder aufbereitet werden?

Zunächst wird man wiederum von den Vorerfahrungen und Vorlieben der Pädagogen/innen ausgehen. Denn diejenigen meditativen Elemente, die den Pädagogen/innen viel mitgeben können, werden auch die Kinder beeindrucken. Dies entspricht den Prinzipien der Teilhabe.

Ein erster Anfang, Kinder zur Meditation zu führen, sind Übungen zur Wahrnehmung und Sensibilisierung. Beispielsweise können Kinder in einem Fühlsack verschiedene Gegenstände ertasten; oder in einem Raum werden Gegenstände versteckt, die einen Ton von sich geben, und es soll erraten werden, um welche Gegenstände es sich handelt.

Ebenso lassen sich in Projekte und Aktionen Elemente des meditativen und rhythmischen Sprechens und Gehens einbauen. Beim Laternenbasteln konnte ich oft beobachten, dass Kinder ganz ergriffen sind, wenn sie folgenden Spruch aufsagen, während ihre Laterne das Dunkel erhellt: "Finkel, fankel, funkel. Die ganze Welt ist dunkel. Da zünd ich meine Laterne an, damit ich besser sehen kann. Finkel, fankel funkel. Nun ist es nicht mehr dunkel."

Ein pädagogisches Aha-Erlebnis war ebenfalls, als Kinder Feuer und Flamme bei folgendem Vorstellungsspiel waren: Alle Kinder stehen in einem Kreis. Ein Erwachsener geht außen an dem Kreis entlang mit dem Spruch: "Eins, zwei, drei, immer länger wird die Reih, die Lisa, die ist dran, dass es weitergehen kann." Das angesprochene Kind schließt sich an, und der Spruch beginnt von vorne. In der Betreuerrunde versuchten wir zu ergründen, warum die Kinder von diesem Spiel so in Bann genommen wurden. Einmal ist es der einfach rhythmische Text, dann die gebetsmühlenartige Wiederholung. Vielleicht auch die Spannung bei der Frage: Wann werde ich aufgerufen?

Einen starken Aufforderungscharakter für Kinder haben Gegenstandsmeditationen. Die Kinder beschäftigen sich zunächst mit dem Gegenstand, beispielsweise einer Kerze, einem Stern und ähnlichen Dingen. Dieser Gegenstand dient anschließend zur meditativen Sammlung. Eine allseits bekannte Form ist das Rollen von Kerzen aus Bienenwaben mit einer anschließenden Stille-Übung.

Außerhalb dieses kurzen Einblicks wird in Kindertageseinrichtungen eine Vielfalt von meditativen Formen und Stille-Übungen praktiziert. Hier können nur die wichtigsten Praktiken genannt werden: Katathymes Bilderleben, Bildmeditation, Meditation und Bewegung, Symbol-Meditation, Mandala-Meditation, Licht- und Farbmeditation, Klang-Meditation, Mantra-Meditation, Phantasiereisen und vieles mehr.

Durchführungsschritte
Sich versenken, sein Innenleben anzutreffen und sich innerlich ansprechen zu lassen braucht viel Zeit und Geduld. Daher kann eine Meditation seine Erlebnisgestalt und seinen Tiefgang erst weitreichend entfalten, wenn die meditativen Elemente einen Weg bilden und auf diesem Weg fortschreiten. Folgende Schritte haben sich bei meditativen Übungen mit Kindern im Vorschulalter bewährt.
 
Einladung zur Meditation
Sich sammeln
Das Angebot der Stille
Erfahrungen verarbeiten
Abschluss gestalten.

Ein meditatives Ritual der Adventszeit: vom Aufleuchten der Sterne 

Kinder und der Sternenhimmel
In der Adventszeit sind die Tage kurz - die Nächte werden länger. Da sind auch Kindergartenkinder häufig abends noch unterwegs. Wenn sich Eltern Zeit lassen und der Himmel nicht bewölkt ist, dann entdecken Kinder das Meer der Sterne am Himmel. Vor allem wenn das Leuchten der Sterne nicht durch künstliches Licht gedämpft wird, sieht man das Funkeln und Glitzern der Sterne ganz deutlich. Ein Erlebnis für jedes Kind - und auch für den staunensfähigen Erwachsenen!

Beim Betrachten des Sternenhimmels berühren die Symbole "Himmel und Sterne" unser Tiefenbewusstsein. Himmel ist ein Symbol für Glück, Zufriedenheit, Weite und Sehnsucht des Menschen. Der Stern ist für den Menschen ein Zeichen der Hoffnung, der Orientierung, der Freude und des Glücks. Diese Erlebnisdimensionen versetzen Kinder und Erwachsene ins Staunen, wenn sie den Nachthimmel auf sich wirken lassen.

Dieses Erlebnis lässt sich auch im Gruppenzimmer nachstellen. Dazu werden von den Kindern Sterne und Schwimmkerzen hergestellt. Eine Wanne mit Wasser dient als Universum, auf dem die Sterne sich entfalten und ihren Lichtschein entwickeln.

Sterne basteln
Die Kinder malen mit Wachsmalkreiden Sterne auf ein etwas kräftigeres Papier. Sie sollten dazu sehr lichte Farben benutzen, denn Sterne leuchten hell und klar. Anschließend werden die Sterne ausgeschnitten. Das Sternenmuster darf nicht durch Falten gewonnen werden, weil mehrmals abgeknicktes Papier die Spannung verloren hat und sich nicht mehr öffnet. Die Zacken der ausgeschnittenen Sterne werden nach innen gefaltet.

Schwimmkerzen herstellen
Man braucht dazu Teelichter und Nussschalen. In einem warmen Wasserbad werden die Teelichter nur soweit erwärmt, dass sie sich kneten lassen. Dann nimmt man das Wachs des Teelichts mitsamt dem Docht und drückt es in eine Nussschale. Und schon ist eine Kerze entstanden, die prima auf dem Wasser schwimmt.

Meditatives Ritual
Damit Faszination und Begeisterung um sich greifen können, sind der Ablauf und die Erlebnismöglichkeiten genau zu planen. Denn kleine Hemmnisse und Schwierigkeiten können das Erlebnis verderben oder verflachen.

Bevor die Kinder in den verdunkelten Raum kommen dürfen, wird eine größere Wanne mit Wasser bereitgestellt. Das Wasser kann mit blauer Farbe oder Tinte eingefärbt werden, so gleicht es eher dem Himmel. In einem verdunkelten Raum, der nur durch Kerzen erhellt ist, setzen sich die Kinder im Kreis um die Wanne. Die Erzieherin erklärt in zwei Sätzen: Wir wollen zusammen den Nachthimmel bestaunen. Wir lassen unsere Stern auf diesem Himmel aufleuchten.

Nacheinander legen die Kinder ihre Sterne ins Wasser. Langsam entfalten sich die Sterne und das Strahlen und Glitzern kommt zur Geltung. Jeder Stern erhält die Möglichkeit, sich voll zu entfalten, erst dann wird ein weiterer Stern ins Wasser gelegt.

Im ersten Teil der Übung sollte es völlig ruhig sein, denn die Kinder sind so beeindruckt, dass sie zum Singen oder Hören einer Geschichte nicht fähig sind. Wenn alle Sterne am Himmel sich entfaltet haben, können noch einige brennende Schwimmkerzen dazu gegeben werden.

Wenn sich das erste Staunen gelegt hat, können Lieder und Geschichten die Stille vertiefen.

Praktische Meditaitonsanleitungen findet ihr auch in diesem Kinderzeit-Gastbeitrag

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