Sprechen, Zuhören, Verstehen – Damit Kinder zu Glückskindern werden

© Anna Om/Fotolia

Glückskinder sind Kinder, die das Glück haben, dass Erwachsene sie bewusst positiv beeinflussen. Erwachsene, welche die Zauberkraft der Sprache kennen, die wissen, dass sie mit einem einzigen Satz die Gedanken und Gefühle eines Kindes in eine positive, lebensbejahende Richtung lenken können. In folgendem Artikel lesen Sie, wie Sie mit Botschaften, die Sie tagtäglich aussenden, etwas für das Wohlergehen eines Kindes tun können, indem Sie sein Selbstbild und seine Vorstellungen von der Welt positiv prägen. Al das im Sinne einer „Philosophie der positiven Grundhaltung“.

Eine neue Sprache für den Umgang mit Kindern

„Die höchste Form der Intelligenz ist es zu beobachten ohne zu urteilen.“ Krishnamurti, indischer Philosoph

Für die meisten von uns ist es schwierig, kleine und große Menschen zu beobachten, ohne sie zu beurteilen, zu verurteilen oder zu kritisieren. Unter einer Beobachtung verstehe ich etwas, das man sehen, hören, berühren oder riechen kann, etwas, das man mit einer Kamera aufnehmen könnte. Eine Beobachtung beschreibt. Bei einer Bewertung ziehen wir dagegen bereits unsere Schlüsse und interpretieren das Erlebte.

Das bedeutet nicht, dass wir Kindern nicht mehr unsere Bewertungen mitteilen, sondern, dass wir Beobachtungen und Bewertungen klar voneinander trennen. Und wir können Kindern durchaus sagen, was wir bei dem Beobachteten empfinden. Doch wenn man ein Kind anbrüllt: „Max, wie kannst du nur so gemein sein und Lilly ein Bein stellen!“, ist das etwas völlig anderes, als wenn man sagt: „Max, wenn ich sehe, dass du Lilly ein Bein stellst, dann habe ich Angst. Denn ich möchte, dass wir uns hier alle sicher fühlen können.“ Beobachtungen werden von den meisten von uns mit Bewertungen vermischt. Das ist gerade gegenüber Kindern besonders gefährlich, weil unsere Bewertungen direkt in das Selbstbild des Kindes eingebaut werden. Wenn wir beispielsweise die Beobachtung machen, dass unser Kind, obwohl wir es darum gebeten haben, noch immer nicht sein Zimmer aufgeräumt hat, sind die Sätze: „Du bist aber auch faul.“, oder: „Kannst du denn nie hören, was man dir sagt?, eine reine Bewertung der Situation. Mit beiden Aussagen wird aber zugleich eine Bewertung der Gesamtpersönlichkeit vorgenommen. Ganz anders wirkt dagegen folgende Äußerung: „Du hast dein Zimmer noch nicht aufgeräumt, obwohl ich dich darum gebeten habe. Ich ärgere mich, weil ich mir wünsche, dass du selbst für Ordnung in deinem Zimmer sorgst.“ Hier wird lediglich die störende Verhaltensweise angesprochen, ohne eine verallgemeinernde Aussage über die gesamte Person zu machen.

Wenn wir Beobachtungen mit Bewertungen vermischen, neigen andere leicht dazu, Kritik zu hören. Und bekanntermaßen reagieren wir (und unsere Kinder!) auf Kritik oft mit abwehrenden Argumenten oder Gegenkritik.

Beobachten, ohne zu bewerten

Der erste wichtige Schritt hin zu einer respektvollen und offenen Kommunikation ist, zu beobachten, ohne zu bewerten – also einem anderen Menschen mitzuteilen, was wir wahrnehmen, ohne sein Verhalten zu bewerten. Wir halten uns einfach an die Tatsachen. Zum Beispiel kann ein Vater zu seinem Sohn sagen: „Du hast in den letzten drei Spielen kein Tor geschossen“, anstatt zu sagen: „Du bist ein schlechter Fußballspieler.“

Wie können wir durchs Leben gehen, ohne zu bewerten, wo unser Urteilsvermögen doch eine Fähigkeit ist, von der unser Überleben abhängen kann?

Natürlich ist es sehr wichtig, dass wir Dinge für uns bewerten können, ansonsten wären wir nicht in der Lage, Entscheidungen selbst bestimmt zu treffen. Es geht viel mehr darum, eine Form der Bewertung auszuüben, die uns allen – sowohl den Kindern als auch den Erwachsenen – hilfreich ist. Denn selbst wenn das Kind, das Sie kritisiert haben, tut, was Sie möchten, handelt es wahrscheinlich eher aus Scham, der Angst vor Bestrafung oder der Hoffnung auf eine Belohnung – und nicht aus dem Wunsch heraus, die eigenen Bedürfnisse oder die eines anderen Menschen zu erfüllen. Wenn Kinder aus solchen Motiven handeln, zahlen wir ebenso wie bei den Strafen und Belohnungen einen hohen Preis und erreichen nicht das, was langfristig unser Ziel sein sollte: Kinder in ihrer Entwicklung zu Menschen zu unterstützen, die in der Lage sind, gut für ihr eigenes Wohlergehen zu sorgen und Freude dabei empfinden, zum Wohlbefinden anderer beizutragen. In einem Kommunikationstrainingsseminar sagte unsere Seminarleiterin einmal folgenden Satz:

„Was Paula über Paul sagt, sagt mehr über Paula aus als über Paul.“

Das heißt: Wie Paula Paul beschreibt, wie sie sein Verhalten interpretiert, worauf sie den Fokus setzt, was zu erwähnen ihr besonders wichtig ist, all das gibt uns mehr Informationen über Paula als über Paul. Paul würde vermutlich von einem Freund, für den ganz andere Dinge wichtig sind und der Pauls Verhalten anders beurteilt, vollkommen anders beschrieben werden. Das zeigt uns deutlich, dass wir besonders bei der Beschreibung anderer Personen und deren Verhalten dazu neigen, Bewertungen mit Beobachtungen zu vermischen. Die Bewertungen, die wir alle vornehmen, sind zum Großteil von unserer überalterten Sprache geprägt. Erst seit wenigen Generationen leben wir nicht mehr in einer Monarchie. Zu jener Zeit glaubten die meisten Menschen daran, dass es eine unantastbare Wahrheit gebe. Was richtig und falsch, gut und böse ist, wurde von der obersten Autorität im Staat, dem König, oder von der Kirche festgelegt. Wir wurden also noch fast alle in Königs- bzw. Kirchchensprache erzogen, der Sprache der gottgegebenen Wahrheit, die dazu dient, Menschen so zu programmieren, dass sie unterwürfig und hörig gegenüber Autoritäten sind. Die Art und Weise, wie das Denken und Fühlen gelehrt wird, hängt sehr eng mit der Sprache zusammen. Wir üben uns noch nicht lange in demokratischem Denken, einem Denken, das verschiedene Vorstellungen von richtig und falsch zulässt, sodass diese Wörter selbst ihren Sinn verlieren, weil es keine Instanz mehr gibt, die uns vorschreibt, was gut und was schlecht ist. Erst seit kurzem ist vielen Menschen bewusst, dass nicht nur die Schönheit sondern oft auch die Wahrheit im Auge des Betrachters liegt.

Abwertendes Denken erlernten wir durch ein Vokabular, mit dem wir alle aufgewachsen sind und mit dem unsere Kinder heute auch noch immer konfrontiert werden; Wörter wie: richtig, falsch, gut, schlecht, normal, unnormal, angemessen, unangemessen, kompetent, inkompetent. Wer legt eigentlich fest, was normal, angemessen und gut ist? Wenn Menschen zu solchem Denken erzogen werden, glauben sie automatisch, dass es ganz oben eine Autorität gibt, die weiß, was richtig und falsch ist. Wenn ein Kinderhirn schon sehr früh so geformt wird, kann es in solchen Strukturen funktionieren. Wenn ich zu einem Kind sage: „Das hast du gut gemacht!“, dann tue ich so, als wüsste ich, wann etwas gut und wann es nicht gut ist. Dabei ist es für Kinder besonders wichtig, nicht mit dem Bild aufzuwachsen, dass nur Erwachsene wissen, wann Kinder etwas gut gemacht haben und wann nicht. Und was noch wichtiger ist: Dass sie nicht danach bewertet werden, ob das, was sie tun, als richtig oder falsch beurteilt wird.

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Glückskinder
Sprechen, Zuhören, Verstehen - Damit Ihr Kind ein Glückskind wird
Groth, Sabine
Oberstebrink
Ratgeber für Eltern
ISBN: 9783934333635
168 Seiten,
22,95 €

Mehr dazu auf www.oberstebrink.de



Zurück