Große Gefühle für Kinder: Warum der Lesetrend für Klein und Groß so spannend ist

Teo Zac auf Unsplash

Ob Spaß beim Rutschen, Ärger auf dem Schulhof oder Wut, weil es doch wieder viel zu früh ins Bett gehen muss – Kinder erleben jeden Tag die ein oder andere Gefühlsachterbahn und müssen früh lernen, sich mit ihren Emotionen auseinanderzusetzen, sie zu verstehen und sie auszudrücken. Hilfe bieten ihnen zum Beispiel Kinderbücher. Eltern und Kinder bekommen hier in unterhaltsamen Formaten lebensnahe Unterstützung, um das komplexe Innenleben in Worte zu fassen. Durch gemeinsames Entdecken von Büchern und Geschichten wird so nicht nur die Eltern-Kind-Bindung gestärkt, sondern auch die emotionale Entwicklung der Kinder gefördert. Die Expertinnen und Experten der Stiftung Lesen haben den aktuellen Markt sondiert, die besten Lesetipps zusammengestellt und erklären, warum der Trend wichtig ist.

Freude, Trauer, Wut, Angst – bereits in jungen Jahren müssen Kinder lernen, mit verschiedenen Gefühlen umzugehen und sie angemessen auszudrücken. Das ist gar nicht so leicht, schon gar nicht in fordernden Zeiten wie aktuell. Denn auch Kinder werden zusätzlich zum alltäglichen Gefühlschaos, das sie in der Kita, der Schule oder mit Freundinnen und Freunden und der Familie erleben, zusätzlich von Pandemie, Krieg und Co. beeinflusst. Da kommt der wachsende Büchertrend zum Thema Gefühle gerade recht – und das aus drei guten Gründen.

Drei Gründe, warum Eltern sich auf den Trend einlassen sollten

Der erste Grund ist das gemeinsame Entdecken. Wenn sich Eltern mit ihren Kindern einem Buch oder einer Geschichte widmen, entsteht eine Situation der Nähe und Zuwendung. Das Kind merkt: Hier ist jemand komplett für mich da, ich kann über die Geschichte mit meinen Eltern ins Gespräch kommen und von meinen eigenen Erlebnissen erzählen. Es fällt ihnen leichter, sich zu öffnen. Grund zwei: Identifikation. Kinderbuchfiguren sind ganz verschieden. Manche sind schüchtern, manche sind stark. Manche trauern, andere sprudeln über vor Freude, manche sind wütend und andere fürchten sich. Durch Geschichten lernen Kinder, deren Gedanken und Gefühle nachzuempfinden und sich in andere hineinzuversetzen. Das stärkt ihre Empathiefähigkeit und hilft, die eigenen und die Gefühle anderer besser zu verstehen und zu verarbeiten. Der dritte gute Grund: Nicht nur Erwachsene erleben seit nunmehr 3 Jahren eine fordernde Zeit, sondern auch die kleinen Familienmitglieder nehmen die Gefühle und Reaktionen ihrer Umgebung auf, erfahren die Geschichten der ukrainischen Kinder auf den Schulhof oder sehen Ereignisse in den Nachrichten, die sie nicht verstehen, ihnen vielleicht sogar Angst machen. Der aktuell breit aufgestellte Buch- und Medienmarkt arbeitet komplexe emotionale Themen kindgerecht auf – von ersten Sach- und Klappenbüchern für jüngere Kinder, über anregende Bilderbücher bis hin zu längeren (Vorlese-)Texten für geübtere Zuhörer und Erstleser. Sie helfen Kindern, Gefühle einzusortieren und zu verstehen.

Fünf Lese- und Aktionsideen für die gemeinsame Gefühlsreise

Um Eltern im umfassenden Angebot eine Orientierung zu bieten, haben die Expertinnen und Experten der Stiftung Lesen den Markt sondiert und vielseitige Ideen zusammengestellt, mit denen Eltern und Kinder gemeinsam ihre Gefühle erforschen können. Mehr Lesetipps und Aktionsideen rund um Gefühle und viele weitere Themen gibt es unter www.stiftunglesen.de/loslesen/lesetipps-und-aktionsideen.

Übersicht Lesetipps und Aktionsideen

Tipp 1 | textfreies Bilderbuch | Ich fühle mich… Ein Buch über Empathie

Gleiche Situation, zwei unterschiedliche Gefühlslagen: Der Junge fühlt sich beim Anblick der großen Rutsche erstmal unsicher, während das Mädchen furchtlos darauf zu stürmt. Dennoch sind beide Gefühle wichtig und richtig und die beiden trotz ihrer Unterschiede beste Freunde.

Empathie ist für Kinder ein schweres Wort, doch was sich dahinter verbirgt, das wissen sie meist ganz genau: Mitfühlen, andere trösten oder gemeinsam herzlich lachen. Dieses (fast) textfreie Buch eignet sich großartig, um das Thema Gefühle mit Kindern neu zu betrachten oder ganz allgemein zu besprechen. Über die ausdrucksstarken Bilder kommt man ganz leicht ins Gespräch.

ab 3 Jahren | Britta Bolle | Edition Pastorplatz | 2022 | 40 S. | 16,00 €

Tipp 2 | Bilderbuch | Roarrr! Theo Wutlöwe im Gefühle-Dschungel

Theo hat den allerhöchsten Turm aus Bauklötzen gebaut. Als er ihn stolz seinem Vater zeigen will, stürzt der Turm – WUMM! – einfach um! Und sofort wird Theo zum Wutlöwen und kann gar nicht anders, als zu brüllen. Da passiert das Unglaubliche: Theo findet sich im Dschungel wieder zusammen mit einem Papagei, der erstaunlich nach seinem Papa klingt … Gemeinsam mit anderen Dschungelbewohnern schlagen sich die beiden durch den Gefühledschungel den Weg zurück nach Hause.

Manchmal kocht die Wut hoch und wir fühlen uns wie ein Kessel, der gleich explodiert. Aber wie soll man mit diesem häufig ungebetenen Gefühl umgehen? In diesem Buch hat der Papa(gei) viele Ideen, um die Wut kleiner werden zu lassen – und die helfen sicher nicht nur dem kleinen Wutlöwen.

ab 3 Jahren | Eva Hierteis, Andrea Stegmaier (Ill.) | Penguin Junior | 2022 | 32 S. | 14,00 €

Tipp 3 | Bastelidee | Flasche/Glas der Ruhe – eine Hilfe bei „Gefühlsstürmen“

Um dem sogenannten „Sturm im Wasserglas“ wieder Herr oder Frau zu werden, haben wir diesen Basteltipp für mehr Gelassenheit.

Das braucht ihr:

Schraubglas oder -flasche, Wasser, Duschgel (farblos oder in der Wunschfarbe), evtl. Lebensmittelfarbe, Glitzer, Perlen, Pailletten o. ä., Sekundenkleber

Und so geht's:

Das Schraubglas oder die Glasflasche mit Schraubverschluss zunächst etwa bis zur Hälfte mit heißem Wasser füllen. So viel Glitzer, Pailletten oder andere kleine Gegenstände einfüllen wie gewünscht. Zu guter Letzt bis kurz unter den Rand mit Duschgel (evtl. mit zusätzlicher Farbe) füllen, den Deckel fest zuschrauben und mit Sekundenkleber versiegeln. Wenn das nächste Gefühlschaos losbricht, können Kinder sich mit diesem Glas beschäftigen. Sie konzentrieren sich bei der Betrachtung ganz automatisch auf ihren Atem. Zudem verhalten sich die Zutaten im Glas wie unsere Gefühle: Erst fliegt alles wild durcheinander, doch nach und nach stellt sich Ruhe ein.

Tipp 4 | Bilderbuch | Mein Elefant ist traurig

Manchmal fühlt es sich an, als ob ein schweres Gewicht auf der Brust lastet. Und bei der kleinen Hauptfigur hat es sogar eine Gestalt und einen Namen. Es heißt Blau und ist ein Elefant! Blau findet es bei dem Kind sehr bequem und scheint sich nicht daran zu stören, dass sein Gewicht so belastend ist. Als sich Blau nicht mehr wegschubsen lässt und nicht mal Schokolade hilft, kommt das Kind auf eine Idee: Es geht mit Blau im Park spazieren …

Ständige Sorgen und belastende Gedanken: Das kennen nicht nur Erwachsene! Hier wird dieses im wahrsten Sinne schwere Thema in eine Geschichte verpackt, die mit einer schlichten Handlung und warmherzigen Illustrationen Hoffnung und hilfreiche Impulse vermittelt, ganz ohne platte Lösungen. Denn am Ende ist der Elefant eben nicht einfach weg, sondern kann nur seine Farbe wechseln …

ab 4 Jahren | Melinda Szymanik, Vasanti Unka (Ill.) | cbj | 2022 | 32 S. | 14,00 €

Tipp 5 | Bilderbuch | Heute ist der schönste Tag

So lange haben Bär und Biber auf diesen freien Tag gewartet. Doch ausgerechnet heute regnet es und all die schönen Pläne werden mit dem Regen davon gespült. Was macht man da am besten? Man beschließt einfach, dass heute trotzdem der schönste Tag sein wird. Denn wenn man so etwas beschließt, dann wird es auch so sein, oder?

Das Beste aus der aktuellen Situation machen und trotz ungünstiger Umstände das Schöne sehen können; eine Fähigkeit, die wir alle uns und unseren Kindern wünschen. Die wunderbar warmherzige Geschichte von Bär und Biber vermittelt diesen achtsamen Blick ganz leicht und unbeschwert. Frei nach dem Motto: Lerne im Regen zu tanzen, anstatt auf die Sonne zu warten!

ab 4 Jahren | Britta Sabbag, Eefje Kuijl (Ill.) | Schneiderbuch | 2022 | 26 S. | 14,00 €

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