Seelische Belastung: Mädchen leiden anders als Jungen

In Bezug auf die Gesundheit ergibt sich häufig ein Vorteil für Mädchen im Vergleich zu Jungen, wie die Stiftung Kindergesundheit berichtet. Bereits in ihrer frühen Kindheit zeigen Mädchen eine geringere Anfälligkeit für viele Krankheiten und sind weniger häufig von Infektionskrankheiten betroffen als Jungen. Auch chronische Erkrankungen sind bei Mädchen seltener anzutreffen als bei Jungen. Dies spiegelt sich auch in der Lebenserwartung wider: Neugeborene Mädchen können mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von 82 Jahren und neun Monaten rechnen, während es bei neugeborenen Jungen nur 78 Jahre sind.

Allerdings gibt es auch weniger erfreuliche Nachrichten: Laut dem Kindergesundheitsbericht 2023 der Stiftung Kindergesundheit hat die mehr als 30 Monate dauernde COVID-19-Pandemie Mädchen in Deutschland psychisch stärker belastet als Jungen. Selbst nach dem Ende der meisten pandemiebedingten Einschränkungen sind Mädchen deutlich häufiger auf kinder- und jugendpsychiatrische und psychotherapeutische Hilfe angewiesen, um psychische Auffälligkeiten zu bewältigen.

Die Auswirkungen der Lockdowns sind nach wie vor spürbar, wie Priv.-Doz. Dr. med. Katharina Bühren, ärztliche Direktorin des kbo-Heckscher-Klinikums und Vorstandsmitglied der Stiftung Kindergesundheit, berichtet. "Die Lockdowns mögen zwar vorbei sein, aber die Belastungen durch Corona haben bei vielen Kindern und Jugendlichen tiefe Spuren hinterlassen. Die von unserer Stiftung bereits im Jahr 2022 befürchtete Zunahme von psychischen Problemen hat sich bedauerlicherweise bewahrheitet: Die psychische Gesundheit vieler Kinder und Jugendlicher hat sich während der Pandemie weiter verschlechtert. Kinder und Jugendliche benötigen heute wesentlich häufiger ambulante oder stationäre Behandlung aufgrund psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen." Daten der Krankenkasse DAK zeigen im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 eine Zunahme der Krankenhausbehandlungen aufgrund emotionaler Störungen um 42%, der Behandlungen wegen depressiver Episoden um 18% und derjenigen wegen Essstörungen um 17%.

Der Kindergesundheitsbericht 2023 der Stiftung Kindergesundheit zeigt auch, dass bei Mädchen häufig andere Arten von Störungen diagnostiziert werden als bei Jungen. Während bei Jungen vor allem Sprach- und Entwicklungsstörungen dominieren, sind bei Mädchen Depressionen, Belastungs- und Angststörungen sowie Essstörungen häufiger anzutreffen.

Priv.-Doz. Dr. Katharina Bühren erklärt: "Mädchen neigen eher zu introvertierten Störungen wie Depressionen oder Essstörungen. Beispielsweise erkranken weibliche Teenager zwölfmal häufiger an Magersucht als ihre männlichen Altersgenossen. Jungen hingegen zeigen eher extrovertierte psychische Reaktionen wie Störungen des Sozialverhaltens."

Das Versorgungssystem für psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen weist erhebliche Schwachstellen auf, wie im aktuellen Kindergesundheitsbericht der Stiftung Kindergesundheit festgestellt wird. Priv.-Doz. Dr. Katharina Bühren betont: "Leider ist die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in Deutschland insgesamt unzureichend, und das galt bereits vor der Pandemie. Das Bildungssystem, das Gesundheitssystem und die Jugendhilfe sind seit Jahren chronisch überlastet. Es gibt einen erheblichen Mangel an Fachkräften und Therapieplätzen, was zu langen Wartezeiten führt. Je länger sich die angemessene Behandlung psychischer Störungen verzögert, desto schwieriger sind sie zu bewältigen."

Um die drängenden Probleme zu verbessern, schlägt die Stiftung Kindergesundheit folgende Maßnahmen vor:

  • Förderung von leicht zugänglichen psychosozialen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Angeboten mit enger schulischer Anbindung sowie erweiterte Jugendhilfemaßnahmen in besonders belasteten Wohnquartieren.

  • Massive Investitionen in sozialpädiatrische Fachkräfte und Schulpsycholog*innen.

  • Stärkung der Beteiligung von Jugendlichen bei Entscheidungen über ihre Gesundheitsversorgung.

  • Verbesserung der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen durch die Behandlung des Themas "mentale Gesundheit" im Unterricht.

  • Intensivere Schulungen von Lehrkräften und Erzieher*innen zu Fragen der mentalen Gesundheit.

Die Stiftung Kindergesundheit setzt sich mit Nachdruck gegen die Stigmatisierung psychischer Störungen ein. Dr. Katharina Bühren betont: "Psychische Erkrankungen sollten genauso normalisiert werden wie körperliche Erkrankungen. Stigmatisierung und Diskriminierung führen dazu, dass viele Betroffene aus Scham und geringem Selbstwertgefühl zu spät oder überhaupt keine Hilfe suchen. Depressionen, Essstörungen oder Phobien sollten genauso akzeptiert werden wie Rückenschmerzen, Erkältungen oder gebrochene Knochen. Dies würde vielen Betroffenen und insbesondere Jugendlichen helfen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen Hilfe zu suchen und offener über ihre Probleme zu sprechen."

Der Kindergesundheitsbericht 2023 steht unter https://www.kindergesundheit.de/kindergesundheitsbericht/ zum Download zur Verfügung.

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