2019

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Eine gemeinsame Sprache finden

Das macht mich sprachlos

Theodor Fontane hat einmal gesagt: „Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache, und wir haben sie, um zu sprechen“ (aus „Unwiederbringlich“, 1892), und wie wichtig die Sprache ist, weiß jeder, der einmal im fremdsprachigen Ausland war, und auf dem Markt seine Wünsche äußern wollte: Wie dankbar ist man dann über die Ausdruckskraft seiner Hände und Füße, um etwas deutlich zu machen. Wie war es denn damals, als die ersten ausländischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen? Wurden sie einfach ins kalte Wasser geschubst und mussten zusehen, wie sie die deutsche Sprache erlernten? Nein, schon damals wurden eigens für sie und ihre Kinder Sprachprogramme entwickelt, die es ihnen ermöglichen sollten, schnell die deutsche Sprache zu lernen, damit sie sich bald im deutschen System zurechtfinden und wohlfühlen konnten. Eine gemeinsame Sprache wird als Grundlage für die Verständigung angesehen, denn von jeher war die Sprache das Hauptverständigungsmittel der Menschen. Man sollte glauben, dass die vierte oder fünfte Türkengeneration jetzt ein fantastisches Deutsch spricht …

Das ist auch bei den meisten so, aber diejenigen, die sich eine eigene Parallelwelt in der neuen Heimat aufgebaut haben, geben sich nicht mehr so viel Mühe wie ihre Großeltern. Besonders bei Familien mit türkischem Hintergrund bleiben die meisten Mütter zu Hause und sehen nicht die Notwendigkeit, ihre Kinder in einen Kindergarten zu schicken. Zu Hause wird hauptsächlich die eigene Sprache gesprochen, ebenso ist der Fernsehempfang per Satellitenschüssel auf Sender des Ursprungslandes eingestellt. Viele kaufen auch in türkischen Geschäften ein, sodass die Kinder, die ja eigentlich sehr schnell eine neue Sprache dazulernen, nur mit rudimentären Deutschkenntnissen in die Schule kommen. Nicht nur viele Lehrer machen sich begründete Sorgen in Bezug auf das Erlernen der deutschen Sprache. Den Bürgern soll keineswegs ihre eigene Sprache genommen werden. Für ihre schulische wie berufliche Ausbildung und Karriere ist die Beherrschung der deutschen Sprache allerdings Grundvoraussetzung und in der deutschen Bevölkerung ist eine sinkende Akzeptanz für eine solche Verweigerungshaltung zu spüren, die durch Zahlen, die in Magazinen veröffentlicht werden (in den Großstädten wie Berlin haben 50% der türkischen Jungen keinen Hauptschulabschluss), noch unterstützt wird. Viele befürchten, dass diese Jugendlichen später auf ihre Kosten Sozialhilfe empfangen und nicht bereit sind zu arbeiten, dass sie in die Kriminalität abrutschen und so sich selbst, aber auch der Gesamtgesellschaft, Schaden zufügen.

Wie ist das in anderen Ländern, welche Bedeutung wird dort der Sprache zugemessen? Im französischsprachigen Teil Kanadas wird die gemeinsame Sprache als so wichtig erachtet, dass bestimmte Berufsgruppen erst ihr Examen in französischer Sprache ablegen und fließend französisch sprechen müssen, bevor sie in ihren Beruf zurückkehren können. Das betrifft auch sehr gut ausgebildete Menschen wie Ärzte mit langer beruflicher Praxis. Beschriftungen auf Geschäften dürfen zwar in zwei Sprachen gestaltet sein, die Schriftgröße der zweiten Sprache darf aber die der französischen Beschriftung nicht übertreffen. Die gemeinsame Sprache wird als äußerst wichtig dafür verstanden, eine gemeinsame Basis im alltäglichen Leben wie auch in der geistigen Auseinandersetzung und der Weiterentwicklung von Forschungsprojekten und Geschäften zu haben.

Die Kinder wachsen mindestens zweisprachig auf, was ja auch für eine große Offenheit und Flexibilität spricht. In Deutschland wird der Sprache zwar auch großer Wert beigemessen,

aber die Offenheit anderen Sprachen gegenüber hält sich in Grenzen. Das fängt schon beim normalen Fernsehen an. Während in vielen Nachbarländern Deutschlands ausländische Filme so gut wie nie synchronisiert werden, hält Deutschland daran fest. Und da wundern sich viele, dass Deutsche Fremdsprachen häufig immer noch mit einem ausgesprochen starken deutschen Akzent sprechen.

Die skandinavischen oder niederländischen Zuschauer hören den Originalton und gewöhnen sich so unbewusst an die Sprachmelodie, während sie die Untertitel lesen. Deutschlehrer stellen mit Erschrecken einen zunehmend magereren Sprachschatz und eingeschränkte Wortwahl bei den Schülern fest. Dabei war von jeher Sprache das wichtigste Kommunikationsmittel der Menschen. Auch gehörlose Kinder machen bestimmte Phasen der Sprachentwicklung mit: Auch in der Gebärdensprache gibt es Lautmalerei und sowohl grammatisch einfache als auch ausgefeilte Satzgebilde, die je nach Alter des Kindes angewandt werden.

Südländische Menschen gelten als kommunikationsfreudiger als die Deutschen. Sie sitzen zusammen, tauschen Neuigkeiten aus der Familie und Nachbarschaft aus, entfachen große politische Diskussionen, erzählen alte Geschichten, die immer wieder neu gerne gehört werden. Was sind das denn für Geschichten, die da erzählt werden? Gibt es etwas Gemeinsames zwischen den vielen Völkern? Wenn wir Märchen international vergleichen, dann ist ein archaisches Muster zu erkennen. Die großen Gefühle der Menschheit und die Entwicklung des Menschen stehen in allen Märchen im Mittelpunkt. Trifft das auch auf andere Geschichten zu? Diese Frage soll ein Schwerpunkt dieses Projektes sein, aber darüber hinaus suchen wir auch Möglichkeiten, uns mit anderen „Sprachen“ zu beschäftigen, von der Pantomime über Braille und Gebärdensprache bis hin zur Kunstsprache. Auch die Schriftsprache wird ein Feld dieses Projektes sein. Die Kids bekommen die Möglichkeit, ihre Empfindungen und Ansichten in Worte zu fassen, und das ohne Beurteilung durch irgendwelche Fachleute.

Raum schaffen und mit Geschichten füllen

Die Aufgabe des begleitenden Erwachsenen besteht darin, mit den Kids die passende Atmosphäre für das Geschichtenerzählen zu schaffen, einen Raum zu schaffen, in dem sie sich so akzeptiert fühlen, dass sie ihre Gedanken in eine Dichtform fassen können, jeder in seiner Sprache. Die Aufgabe der Kinder ist, Forschung zu betreiben und Geschichten aufzutreiben, die typische Charaktere oder Themen ihrer Heimatländer beschreiben. Ob das Geschichten und Märchen aus der Kinderzeit sind oder welche, die Erwachsene sich auch heute noch gerne erzählen, können alle selbst entscheiden. Wichtig ist, dass die Kinder die Geschichte nicht vorlesen, sondern selbst erzählen, damit das alte Kulturgut des Geschichtenerzählens wieder lebendig gemacht wird. Ob sie sich dazu als Geschichtenerzähler verkleiden, kann auch jeder für sich entscheiden. Manche stylen sich einfach gerne und schaffen so eine ganz besondere Atmosphäre. Der begleitende Erwachsene sorgt mit ein paar Helfern für eine schöne Gestaltung des Raumes. Vielleicht passt ja eine Atmosphäre wie in „Tausendundeine Nacht“ gut dazu? Dann werden Decken oder Teppiche und jede Menge Kissen auf dem Boden verteilt. Mit Tüchern wird die Decke abgehängt. Kerzen oder Lichterketten verbreiten im Raum eine heimelige Stimmung, die noch durch Duftkerzen oder Duftlampen unterstützt wird. Als Düfte eignen sich Grapefruit-, Mandarinen- oder Apfelsinenöle, die zum Geschichtenspinnen anregen und den Geist erweitern, oder weiche Düfte wie Rosenholz, Zimt oder Sandelholz, die eine etwas orientalische Stimmung verbreiten, die deutsche Kinder oft an die Vorweihnachtszeit erinnert, in der sich, stärker als sonst im Jahr, eine anheimelnde Atmosphäre verbreitet, die Menschen enger zusammenrücken lässt und ein Gefühl von Geborgenheit erzeugt. Ein paar Grünpflanzen verbreiten auch eine schöne, entspannende Stimmung. Und wenn dann noch warmer, gewürzter Tee oder Punsch gereicht wird, kann die Erzählrunde beginnen.

Jeder Junge und jedes Mädchen erzählt die Geschichte erst einmal in seiner Sprache, damit die anderen ein Gefühl für die Schönheit der einzelnen Sprachen bekommen. Danach wird die Geschichte noch einmal kurz auf Deutsch erzählt, denn das ist in diesem Projekt die gemeinsame Sprache. Ob die Zuhörer schon beim ersten Erzählen verstehen, um was es in der Geschichte geht? Woran haben sie es erkannt? Haben sie einzelne Worte verstanden, weil sie die Sprache des anderen schon ein wenig können, haben sie auf Gestik und Mimik des Erzählers geachtet und daraus geschlossen, um was es in der Geschichte geht? Es ist sehr interessant, welche Geschichten ausgesucht werden. Die meisten wählen kurze aus, sei es aus Angst, sich den Text nicht merken zu können, weil sie noch nicht so sehr von ihrer Erzählkunst überzeugt sind oder weil sie diese Fähigkeit doch den ‚alten Märchenonkeln’ zuschreiben. Oder sie glauben, dass sie die anderen nicht mit langen Geschichten fesseln können, weil sie erlebt haben, dass deren (und die eigene) Konzentration schon nach kurzer Zeit nachlässt. Dass sie es wagen und die Geschichten erzählen, das allein ist schon eine tolle Leistung. Da werden Erzähltalente zu sehen und zu hören sein. Jeder hat seinen eigenen Ausdrucksstil: Manche erzählen sehr anschaulich, unterstreichen die Geschichten mit so einer Stimmgewalt und Lebendigkeit, dass man die Personen in der Geschichte förmlich vor seinem geistigen Auge sieht, andere erzählen leise – behutsam werden die Worte von ihnen gewählt und ausgesprochen. Sie zeigen instinktiv, welche Stimmung die Geschichte verbreiten will.

Und welche wunderbaren Geschichten haben sie sich ausgesucht? Einige Beispiele werden her vorgestellt, damit die Leserin oder der Leser neugierig wird und sich schon jetzt auf die Geschichten freuen kann, die „seine“ Kids dann vorstellen werden. Es ist eine wunderbare Vielfalt und nicht nur das: Es ist einfach faszinierend, wie jeder Einzelne seine Geschichte oder seine Helden einführt und damit auch viel von sich und seinem Land mitteilt.

Berus und seine Geschichte von Nasradin Hodschra

Bevor Berus die Geschichte erzählt, stellt er den Helden seiner Geschichte kurz vor:

Nasradin Hodschra ist eine türkische Geschichtengestalt. Er ist eine wunderbare Mischung aus Schalk und Philosoph. Er macht sich über menschliches Verhalten seine Gedanken und nimmt auch allgemeine Kleinigkeiten unter die Lupe, um die dahinter verborgene höhere göttliche Weisheit zu entdecken.

„Nasradin zieht mal wieder durch das ganze Land und trifft auf die wunderlichsten Menschen, er schaut sie und seine Umgebung mit ganz wachen Augen an. Eines Tages ruht er sich bei einer Wanderung durch das Land unter einem großen Maulbeerbaum aus und betrachtet die Landschaft, die sich vor seinem Auge ausbreitet. Er sieht ein großes Feld mit reifen Wassermelonen. „Oh Allah!“, ruft er.

„Warum hast du so einen Riesenbaum wie diesen Maulbeerbaum mit so kleinen Früchten geschaffen und eine so winzige Pflanze dort auf dem Feld wachsen lassen mit so riesigen Wassermelonen? Ist das gerecht verteilt?!“ In dem Moment fällt eine reife Maulbeere genau auf seinen Kopf. „Oh Allah, deine Weisheit ist grenzenlos!“ Welcher schlaue Mensch hat einmal gesagt: „Wenn wir das Vordergründige durchschauen, entdecken wir etwas Verborgenes dahinter“? Berus’ Geschichte hat alle amüsiert, eben weil die Geschichte auch so gut zu ihm passt: Er redet nicht viel, aber das, was aus seinem Mund kommt, ist immer mit viel Schalk verbunden.

Stephano und das Kidnapping am Lago di Pergusa

Stephano, „der Sizilianer“, wie ihn seine Kumpel nennen, erzählt mit Händen und Füßen. Seine dunklen Augen blitzen als er vom „Olympischen Kidnapping am Pergusa See“ erzählt. Er kommt aus der näheren Umgebung dieses Sees auf Sizilien und ist mit den alten Mythen aufgewachsen. Er will später Reporter werden und das merkt man seiner Erzählweise schon an. Er benutzt Worte wie zum Beispiel „pikanterweise“ oder „begehren“, die eigentlich ein Erwachsener wählen würde, aber ihm gefällt es so. „Hades, der Gott der Unterwelt, begehrt seine Nichte Persephone. Er weiß ganz genau, dass seine Schwester Demeter, die Fruchtbarkeitsgöttin und Mutter des Mädchens, ihm niemals ihre Einwilligung Zeus, der pikanterweise auch noch der Vater von Persephone ist. Der erteilt ihm tatsächlich die Erlaubnis, allerdings unter der Bedingung, dass die Hochzeit schnell und heimlich stattfinden muss.

Also entführt Hades das Mädchen von den blühenden Wiesen des Pergusa Sees in sein düsteres Reich. Demeter ist zwar als Göttin unsterblich, aber nicht allwissend, und ahnt deshalb auch nichts von dieser Tat. Verzweifelt ob des plötzlichen Verschwindens ihrer geliebten Tochter legt sie ihre Arbeit nieder und macht sich auf die Suche nach ihr, was zur Folge hat, dass Früchte und Ernte verdorren, die Menschen hungern und ihr so auch keine Opfer mehr bringen können. Welch ein Skandal: Die Himmlischen zürnen, die Gerüchteküche brodelt, als der Deal herauskommt. Alle ereifern sich, nur Zeus bleibt verdächtig desinteressiert. Der Vertrag kann nicht rückgängig gemacht werden, denn wer einmal vom Wasser der Unterwelt getrunken hat, ist verloren. Aber auch damals konnte gute Protektion schon viel erreichen und so gibt es auch in der Hölle ein Hintertürchen: Alljährlich darf Persephone für neun Monate in die Oberwelt. Wenn sie und Demeter glücklich vereint sind, blüht und grünt es auf der Erde. Trauert die Fruchtbarkeitsgöttin um Ihre Tochter, bricht die tote Jahreszeit, der Winter, an.“

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Heute Fremde Morgen Freunde
Integration in der Kindergruppe praktisch fördern
Hasenbeck, Maya
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548296
12,95 €

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Spiele und Aktionen im Schnee

Eis und Schnee

Wie herrlich, wenn es draußen schneit und die Seen zugefroren sind! In vielen Städten ist das eher eine Seltenheit, deshalb muss schnell reagiert und ein Fest organisiert werden, dessen Vorbereitung nicht so aufwendig ist. Die Einladung erfolgt rasch telefonisch und mitgebracht wird, was gerade im Haus ist. Wer mit der Kindergartengruppe feiert, fragt einige engagierte Eltern, ob sie kurzentschlossen mit in den Schnee ziehen können.

Wem schon ein paar Tage vorher bekannt ist, dass sich eine Kaltfront nähert, kann das Fest auch etwas vorausplanen und den Kindern eine ganz verrückte Einladung mitgeben: Der Mini-Zettel mit dem Einladungstext wird in eine Klarsichtfolie eingerollt und in einem Eiswürfel eingefroren. Allerdings ist in diesem Fall nicht ganz sicher, ob alle Eiswürfel heil zu Hause ankommen, da garantiert einige im Mund der Kinder verschwinden werden! Auf der Einladung steht, dass die Kinder und Erwachsenen in warmer Kleidung zum Fest kommen und möglichst ein Paar Ersatzhandschuhe und ein zweites Paar Socken mitbringen sollen, denn erfahrungsgemäß bleibt bei Spielen im Schnee die Kleidung nicht ganz trocken.

Weil Kinder trotz der vielen Bewegung schneller frieren als Erwachsene, ist es eine gute Idee, für eine warme Ecke zu sorgen. Solch eine Wärmequelle könnte eine Tonne sein, wie sie Gleisarbeiter benutzen, es genügt aber auch ein stabiler Abfalleimer aus Stahl, in dem ein kleines Feuerchen gemacht wird, an dem sich die Gäste aufwärmen können. Die Dekoration des Festplatzes rund ums Feuer erfolgt während des Festes. Hier gibt es auch leckere, warme Getränke zum Aufwärmen und etwas zum Naschen, denn Bewegung an frischer Luft macht hungrig: Heißer Kakao oder Früchtepunsch sind im Winter sehr beliebt, Laugenbrezeln oder Plätzchen schnell aufgebacken oder besorgt. Die meisten Einrichtungen haben einen großen Vorrat an festen Plastikbechern, die nach der Aktion gespült und wieder verwendet werden können.

Wenn einige Eltern kleinere Geschwisterkinder mitbringen, werden ein paar der angebotenen Spiele natürlich speziell für die Kleinen variiert. Bei kleineren Kindern ist es noch wichtiger, sie in Bewegung zu halten, damit ihnen nicht kalt wird. Man kann zum Beispiel eine Schatzsuche veranstalten, wobei ein Luftballon, eine farbige Murmel oder ein bunter Tischtennisball die Suche nicht ganz so schwer machen. Zieht man mit mehreren Kindern los, wird so lange gesucht, bis jedes Kind einen kleinen Schatz hat. Wer schon selbst etwas gefunden hat, darf den anderen beim Suchen helfen, das fördert ganz nebenbei soziales Verhalten. Je nachdem, wie hoch der Schnee liegt, können die Kinder auch versuchen, in die Fußstapfen ihres Vordermannes zu treten. Schaffen sie das schon?

Schauen Sie sich die im Folgenden beschriebenen Spiele auf Möglichkeiten einer Vereinfachung für kleine Kinder an. Die Kleinen und Großen müssen ja nicht die ganze Zeit miteinander spielen. Vielleicht nimmt sich eine Mutter oder ein Vater zwischendurch der jüngeren Bande an und probiert mit ihnen eine einfachere Spielvariante aus.

Spiele im Schnee

Kugelwettkullern

Der frische Schnee fordert dazu heraus, eine große Schneekugel zu rollen. Es werden mehrere Mannschaften zu je ca. acht Kindern gebildet, die in einem Abstand von jeweils fünf großen Schritten voneinander entfernt in einer Reihe hintereinander stehen. Auf ein Signal hin beginnt jeweils der hinterste Spieler einer Mannschaft eine Kugel zu formen, die er dann zu seinem Vordermann hinrollt. Dieser übernimmt die Kugel und rollt sie weiter zum nächsten Mitspieler seiner Mannschaft. Ist die Kugel schließlich beim Vordersten angelangt, muss dieser die inzwischen schon recht groß gewordene Schneekugel bis zur ungefähr zehn Schritte entfernten Ziellinie rollen. Die Mannschaft, deren Kugel als erste durchs Ziel rollt, hat gewonnen.

Als weitere Hürde könnte die Kugel zunächst um den eigenen Körper herumgerollt werden müssen, bevor sie an den nächsten Mitspieler weitergegeben werden darf. Wird die Kugel zu groß für den letzten Spieler, helfen alle Kinder seiner Mannschaft mit, sie ins Ziel zu rollen.

Bleib von der Kugel weg

Je zwei Kinder rollen eine Schneekugel und lassen sie zwischen sich auf dem Boden liegen. Dann fassen sie sich an den Händen und versuchen auf ein Signal hin, sich gegenseitig zur Kugel hinzuziehen.

Ältere Kinder spielen dies gerne als Wettspiel: Dann scheidet der Partner, der die Schneekugel berührt hat, aus. Die Sieger kämpfen in den nächsten Runden so lange miteinander, bis zum Schluss nur noch ein Gewinner übrig ist.

Bei kleineren Kindern endet das Spiel meistens so, dass ein Partner auf der Nase liegt und sich eine wilde Schneeballschlacht anschließt. Wenn auch Erwachsene mitspielen und die Kinder erleben, dass diese nicht weinen, wenn sie Schnee ins Gesicht bekommen, bleiben in der Regel nur ganz wenige Kinder übrig, die es nicht leiden können, wenn sie mit Schnee beworfen werden.

 Schneemänner

Ganz bestimmt kommt im Laufe des Festes irgendeiner auf die Idee, aus den heil gebliebenen Schneekugeln einen Schneemann zu bauen, der mit Möhren, Ästen oder anderen Gegenständen, die man in der Nähe findet, verziert werden kann. Dabei muss es aber nicht bei einem Schneemann bleiben, andere verrückte Schneegestalten leisten ihm sicher gerne Gesellschaft: Ob Riesenschneehühner oder flotte Schneeautos, jeder darf nach Lust und Laune bauen!

 Schneefestung

  • Zielscheiben oder Stöckchen

Schneekugeln können auch zu einer Festung aufgebaut werden. Die Festung besitzt Schießscharten. Dort halten die Ritter auf ein Signal hin drei Minuten lang Zielscheiben oder Stöckchen hoch. Sie selbst nehmen hinter dem Schneewall Deckung. In diesen drei Minuten, die ein unparteiischer Erwachsener an- und abpfeift, werden die Ritter von einer gleich großen Gruppe Angreifer mit Schneebällen beschossen. Die Ritter merken sich, wie oft ihre Zielscheibe bzw. ihre Stöckchen getroffen wurde/n. Ist die Zeit um, werden alle Treffer zusammengezählt und in den Schnee geschrieben. Dann werden die Rollen getauscht.

Welche Angreifergruppe konnte die meisten Treffer landen?

Mit älteren Kinder, denen es nichts ausmacht, von einem Schnee­ball getroffen zu werden, kann das Spiel auch ohne Zielscheiben oder Stöckchen gespielt werden. Jeder Ritter, der von einem Schneeball getroffen wurde, ist verwundet. Nach zwei Treffern scheidet er aus.

Zielwerfen

  • Holzleisten, Winkel, Tacker, Stifte, Messer oder Cutter

Wem das Spiel „Schneefestung“ zu wild ist, der kann sich auch ein anderes Ziel aussuchen, das mit Schneebällen beworfen werden soll. Das trainiert die Feinmotorik und hält warm. Als Ziel könnten zum Beispiel Figuren aus Pappe dienen. Die Schneebälle bleiben daran haften und bilden so eine schöne Dekoration. Allerdings muss diese Aktion gut vorbereitet werden, denn die Pappfiguren würden sonst viel zu schnell aufweichen und umkippen. Deshalb werden sie mit Holzleisten auf der Rückseite verstärkt und mit einem Winkel versehen, sodass sie fest im Schnee stehen. Am besten eignen sich dazu große Waschmaschinen- oder Kühlschrankkartons. Die Händler sind meist froh, wenn sie diese nicht selbst entsorgen müssen.

Die Umrisse der Figuren werden mit einem Stift aufgemalt und anschließend mit einem Messer oder Cutter ausgeschnitten. Vor allem große Tiergestalten sehen gut aus, und es gibt ja einige Tiere, die während der Wintermonate weiß sind, wie zum Beispiel Schneeeule, Eisbär, Schneehase oder Fuchs. Auch die „wilden Kerle“ aus dem Buch von Maurice Sendak und andere selbst kreierte Gestalten machen sich gut. Später können sie dann mit viel Gebrüll umtanzt werden, das hält warm.

Eismänner

  • Eimer, Wasser, evtl. Pinsel und umweltfreundliche Farbe

Wenn man bei Frost Schneemänner oder die mit Schneebällen beworfenen Gestalten aus dem vorhergehenden Spiel vorsichtig mit Wasser übergießt, bildet sich an deren Oberfläche eine Eiskruste. Schon so sehen die Eisfiguren toll aus. Gibt man zusätzlich etwas umweltfreundliche Farbe ins Gießwasser, wirken sie noch skurriler.

Großen Spaß macht es auch, diese Figuren mit den Farben richtig zu bemalen. Wenn man sie dann am nächsten Tag noch einmal besucht, kann man sich dabei über das gelungene Fest unterhalten.

Schneeballtitschen

Dieses Spiel ist dem Tontaubenschießen abgeguckt. Da Kinder in der Regel noch nicht so gut zielen können, werfen sie die Schneebälle so hoch sie können in die Luft und die Erwachsenen versuchen mit ihren Schneebällen, die der Kinder zu treffen. Wenn sich die Kinder ebenfalls im Zielwerfen üben wollen, wird eine Dose oder ein ähnlicher Gegenstand auf einen Schneehaufen gesetzt, der mit Schneebällen abgeschossen werden soll.

Hase und Jäger

Ein paar Kinder sind die Hasen, die in einem abgegrenzten Spielfeld herumflitzen. Aber da kommen schon die Jäger (die Erwachsenen) mit ihren Schneeballwurfgeschossen und versuchen, die Hasen zu treffen. Gelingt es ihnen oder sind die Hasen geschickter, schlagen einen Haken und sind auf und davon?

Viel Spaß macht es den Kindern auch, wenn die Erwachsenen die Hasen und sie selbst die Jäger sind. Da die Kinder in der Regel in der Überzahl sind, wird es ihnen gemeinsam vielleicht gelingen, alle Hasen zu treffen. So mancher Erwachsene läuft dann zur künstlerischen Höchstform auf und sinkt theatralisch zu Boden.

Wenn alle Hasen am Boden liegen, kommen die Kinder meistens neugierig näher, um zu gucken, ob den Erwachsenen nicht vielleicht doch etwas zugestoßen ist. Dann kann man sie sich gut schnappen und „einseifen“. Wie beruhigend, dass nach dem Spiel heißer Kakao und nicht der Kochtopf auf die Hasen wartet!

Schneerätsel

Am Aufwärmfeuer gibt es neben warmen Getränken auch kleine Rätsel zu lösen:

  1. Mal ist es hart, mal bricht es, bei Sonne wird es flüssig.
                Eis
  2. Erst sitzt er im Gras, aber bald ist er verschwunden.
                Raureif
  3. Womit kann man kein Wasser tragen: mit einem Becher, einer Tasse oder einem Sieb?
                Mit einem Sieb
  4. Wie kann man dennoch Wasser mit einem Sieb transportieren?
                Wenn es gefroren ist
  5. Womit kann man Eis am besten essen: mit dem Messer, der Gabel, der Zunge oder dem Löffel?
                Mit der Zunge oder einem Löffel

Diesen Artikel haben wir aus dem Buch von Eckart Bücken „Feste für das Kinderjahr“ entnommen.

Feste für das Kinderjahr
Mit Kindern Feste vorbereiten und feiern
Eckart Bücken
Burckhardthaus-Laetare
ISBN 9783944548159
9,90 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de


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Möglichkeiten und Chancen von Teamarbeit

Teamarbeit ideale Form der Zusammenarbeit

Teamarbeit ist eine viel zitierte, häufig benannte, aber in der Realität recht selten praktizierte Arbeitsform in den verschiedenen sozialen Institutionen. In Gesprächen mit Kolleginnen fällt zwar auf, dass der Begriff „Teamarbeit“ oft benutzt wird, in der Praxis dagegen eher ein „Nebeneinanderarbeiten“ zu beobachten ist. Wenn nun die Teamarbeit im Folgenden als eine sicherlich ideale Form der Zusammenarbeit besprochen werden soll, dann liegt der Grund darin, dass möglichst viele Personen, die gerade in der sozialen Arbeit tätig sind, ihre derzeitige Arbeitsform überdenken und überprüfen sollten, um vielleicht selbst zu „ihrer“ Teamarbeit zu finden.

Was verstehen wir unter Team bzw. Teamarbeit?

Ein Team ist eine Arbeitsgruppe, in der alle Gruppenmitglieder an der Bewältigung einer gemeinsamen Aufgabe beteiligt sind und anstehende Probleme gemeinsam bearbeiten – auf der Grundlage gegenseitiger Sympathie, aktiver und gleichberechtigter Kooperation sowie selbständiger und initiativer Aktivität.

Ich denke, dass hier schon eines deutlich wird: Teamarbeit verlangt von jedem Gruppenmitglied deutlich mehr als dies bei anderen Arbeitsformen üblich ist. Hier geht es um die Mitarbeit aller, um die Inangriffnahme einer Gesamtaufgabe, die damit allen bekannt sein muss, um die Bearbeitung von Problemen im Gegensatz zur „Friede-Freude-Eierkuchen-Mitarbeiterbeziehung“, um sich zu entwickelnder Sympathie zueinander, um den Abbau von Hierarchiestrukturen und den Aufbau bzw. die Pflege kooperativer Aktivität sowie eigenständiger, selbstbewusster Tätigkeit. Damit wird dem interessierten Leser sicherlich schon jetzt folgender Ausspruch verständlich: Jedes Team ist eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe ein Team!

Voraussetzungen für Teamarbeit

Da ein Team sicherlich nicht durch eine mehr oder minder zufällige Zusammensetzung verschiedener Personen entsteht, die ad hoc den Entschluss fassen, ein Team zu sein bzw. zu werden, so müssen ganz offensichtlich bestimmte Voraussetzungen für die Entwicklung von Teamarbeit bestehen, die im Folgenden angesprochen werden sollen:

  • Die im Team arbeitenden Kolleginnen müssen grundsätzlich Sympathie füreinander haben, damit sich zum Beispiel Beziehungsstörungen nicht auf inhaltliche Auseinandersetzungen übertragen.
  • Es muss eine gemeinsame, jeder Mitarbeiterin bekannte Zielsetzung für die Arbeit bestehen, wie sie zum Beispiel durch die Transparenz der exakt gefassten pädagogischen Konzeptionsziele gegeben ist.
  • Jedes Gruppenmitglied muss grundsätzlich bereit sein, Verantwortung in Bezug auf seine spezielle Funktion bzw. für seinen Arbeitsbereich zu übernehmen.
  • Alle Mitarbeiterinnen müssen vom Wert der Teamarbeit überzeugt sein und Zutrauen zu sich selbst haben, im Team arbeiten zu können. Das bedeutet, dass jede Einzelne auch ein gutes Maß an Selbstwertgefühl auf Grund ihrer bereits vorhandenen oder weiter zu entwickelnden fachlichen Qualifikation besitzt.
  • Jede Mitarbeiterin sollte persönlichen Einsatz zeigen und initiatives Verhalten entfalten – auch mit Hilfestellung ihrer Kolleginnen –, wenn es zum Beispiel um das Einbringen von Verbesserungsvorschlägen geht.
  • Alle Gruppenmitglieder sollten sich für ihre eigene Arbeit (selbständiges Denken!) und für die Arbeit im Team einsetzen.
  • Da Teamarbeit eben nicht bedeutet, dass alle Mitarbeiterinnen „gleichgeschaltet“ sind, sondern dass das Team vielmehr aus einer Anzahl von Individuen besteht, sollte jede Mitarbeiterin die Individualität der anderen akzeptieren und in diesem Zusammenhang zum Beispiel nicht mit deren Schwächen spielen, sondern ihr dabei helfen, ihre Stärken auszubauen.
  • Bei den vielfältigen Diskussionen sollte es zu fairen Auseinandersetzungen kommen, immer im Hinblick auf die gemeinsam zu lösende Aufgabe.
  • Jede Einzelne sollte ihrerseits die Motivation zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Person spüren und sie andererseits auch in Form ihrer Bereitschaft den anderen gegenüber signalisieren, damit eine – leider recht häufig zu beobachtende – mögliche Selbstüberschätzung abgebaut oder verhindert werden kann bzw. das Selbst- und Fremdbild miteinander in Vergleich gesetzt werden. Ebenso sollte jedes Teammitglied bereit sein, bei Schwierigkeiten anderer Gruppenmitglieder Hilfestellung zu geben.
  • Bei allen inhaltlichen Besprechungen muss auch die Bereitschaft bestehen, das emotionale Klima zu beobachten, aktiv zu pflegen und nötigenfalls neu zu initiieren.
  • Mehrheitsentscheidungen des Gesamtteams sollten auch von derjenigen akzeptiert und unterstützt werden, die diese Teamentscheidung auf Grund ihrer Gegenposition nicht gutheißt, wobei hier die Teammitglieder ihre Aufgabe erkennen sollten, die Entscheidung noch einmal zu verdeutlichen und zu begründen.
  • Und schließlich: Eine regelmäßig stattfindende Teamsitzung/-besprechung muss fester Bestandteil pädagogischer Arbeit sein, der alle Mitarbeiterinnen positiv gegenüber stehen und an der sie auch regelmäßig teilnehmen. in ihr ist weiterhin ebenso die für die Teamarbeit postulierte Machtausgewogenheit bzw. (relative) Machtgleichheit ständig zu überprüfen, wie dies auch während der übrigen pädagogischen, institutionellen und organisatorischen Tätigkeiten der Fall sein sollte.

Aus den genannten Voraussetzungen für Teamarbeit wird deutlich, dass sie durch folgende Verhaltensweisen bzw. Einstellungen einzelner Mitarbeiterinnen oder situative Faktoren verhindert wird oder zerstört werden kann:

  • Antipathie zwischen einzelnen Mitarbeiterinnen und Ignoranz;
  • Ablehnen eigenständiger Verantwortung für bestimmte Arbeit(en) oder einer Funktionsübernahme und einem Entgegenstellen von Veränderungen;
  • Mangel an Eigeninitiative und Ablehnung, eigenaktiv zu werden;
  • Untertanengeist und weiteres Bejahen einer als positiv empfundenen Abhängigkeit;
  • Geringschätzung und Abwertung von Diskussionen und Beibehaltung dieser Meinung;
  • autoritäres Denken und/oder Handeln und Ablehnung einer Strukturveränderung;
  • unkritisches Denken und unbedachtes Bejahen jeder Teamentscheidung und die Akzeptanz dieser eigenen Haltung;
  • Inkonsequenz beim Ausüben der im Team abgesprochenen Tätigkeiten und starre Überzeugung vom eigenen richtigen Tun;
  • undeutliche Zielformulierung der eigenen Arbeit und Negierung von Veränderungen;
  • Treffen ungenauer Arbeitsabsprachen und heimliche Freude an damit nicht zu kontrollierenden Maßstäben;
  • bewusst falsche oder fehlende Informationsweitergabe an andere Gruppenmitglieder und Nichteinsehen der dringend notwendigen Veränderung der Situation;
  • Erleben und Akzeptanz von Konkurrenzgefühlen und Zurückhaltung bei ihrer Aufdeckung bzw. Bearbeitung;
  • Abschmettern von neuen Ideen anderer Gruppenmitglieder und weiteres Abblocken innovativer Gedanken und Vorschläge.

Vielleicht werden Sie jetzt nach dem Lesen der Voraussetzungen für Teamarbeit und der Nennung der verhindernden bzw. zerstörenden Faktoren geneigt sein zu sagen, dass wohl kaum eine Arbeitsgruppe alle diese Punkte erfüllt bzw. teamhemmende Merkmale nicht zeigt; vielleicht denken Sie sogar an Ihre eigene Arbeitsgruppe und sind der Meinung, dass für die Entwicklung von Teamarbeit so viel zu verändern sei, dass die Menge der Innovationsprozesse einen Anfang unmöglich macht. Dazu möchte ich zweierlei bemerken:

  1. Die hohen, zu Recht bestehenden Anforderungen an die pädagogische Arbeit einerseits sind mit den Pädagoginnen andererseits nur durch Teamarbeit zu erfüllen. Nur wenn Selbständigkeit, Sympathie zu anderen, Verantwortungsbewusstsein, Sich-in-Frage-stellen, Eigeninitiative und zielgerichtetes, transparentes Arbeiten von den Mitarbeiterinnen gelebt wird, kann pädagogische Tätigkeit ihre Ziele erreichen!
  2. Wenn Teamarbeit eine besondere Form von partnerschaftlicher und reflektierter Zusammenarbeit mit dem Ziel aufgabenbewältigender Tätigkeit ist, dann ist sie als ein ständiger Lernprozess zu verstehen. Teamarbeit entwickelt sich immer langsam, zumal gerade die in einer Institution bestehenden Strukturen und gesellschaftliche Verhältnisse ihren Prinzipien widersprechen. Vor allem sind es aber unsere eigenen Verhaltensweisen, die es uns schwer machen, Teamarbeit zu verstehen und auch praktisch umzusetzen. Wir alle haben im Laufe unserer Entwicklung lernen müssen, individuelle Leistungen zu zeigen, deren gute Qualität sich dadurch definieren konn­te, dass andere Leistungen schlechter waren/sind oder andere Personen mehr Fehler machen als wir. Damit bedeutet Teamarbeit für uns hauptsächlich Arbeit an/mit uns selbst.

Ich denke, dass es daher primär nicht darum geht, Voraussetzungen für Teamarbeit als nicht möglich abzuwerten, sondern sie in bestimmten Punkten gezielt herbeizuführen. Damit werden Voraussetzungen nicht als Basisfaktoren für Teamarbeit angenommen, sondern als neue, einzuleitende Veränderungen gemeinsam in Angriff genommen. Damit nun einzelne Gruppenmitglieder für sie zutreffende und notwendige Voraussetzungen für Teamarbeit erkennen und benennen können, empfiehlt es sich, dass jede Mitarbeiterin zunächst für sich eine möglichst genaue Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe vornimmt, um im Anschluss daran ihre Gedanken mit den anderen im Plenum auszutauschen. Dabei soll folgendes Arbeitsblatt hilfreich sein:

Kommunikation am Arbeitsplatz, Merkmale der Zusammenarbeit

  1. Was finde ich gut?
  2. Was gefällt mir gar nicht?

Gleichzeitig ist es wichtig, sich der daraus resultierenden Anforderun­gen bewusst und klar zu werden. Auch dazu bietet sich ein Arbeitsblatt an:

Anforderungen, die an mich gestellt werden

  1. Anforderungen, die ich an mich selbst stelle:
  2. Anforderungen, die die Mitarbeiterinnen an mich stellen:
  3. Anforderungen, die durch die Rahmenbedingungen an mich gestellt werden:

Die Erzieherin als „teamfähige Persönlichkeit“

Die Überzeugung vieler Erzieherinnen, dass Teamarbeit einerseits nicht schwer und andererseits durch „gesunden Menschenverstand“ und „ein gutes Maß an Fingerspitzengefühl“ zu erreichen sei, bringt nicht nur Naivität und Einfältigkeit in die Arbeitsgruppendiskussion, sondern fördert auch ständige Konflikte. Diese entstehen schon alleine dadurch, dass die Anzahl der Mitarbeiterinnen in Institutionen bzw. Gruppen in den letzten Jahren zugenommen hat und damit mehr „Individualisten“ miteinander auskommen müssen. Zudem sind auch die Anforderungen aus pädagogischer, gesellschaftspolitischer, gemeinwesenorientierter und berufspolitischer Sicht größer geworden. Damit ist die pädagogische Praxis heute insgesamt komplizierter und anspruchsvoller gegenüber früheren Jahren.

ln Anbetracht dieser Aussagen und der qualitativen Ansprüche an zu praktizierende Teamarbeit erscheint es notwendig, Verhaltensweisen und Merkmale der Erzieherin unter dem Aspekt einer „teamfähigen Persönlichkeit“ näher zu betrachten:

  • Personale Kompetenz: Dadurch, dass sich Menschen „nicht nicht verhalten“ können und damit immer in der Beziehung zu anderen stehen und auf sie wirken, ist es notwendig, dass sie sich ihrer Verhaltensweisen bewusst werden und aktiv an ihrem Wohlbefinden und der konstruktiven Wirkung auf andere arbeiten. Wie könnte dies besser gelingen als durch die Äußerung eigener Bedürfnisse und Wünsche, gezeigte Neugierde im Denken und Handeln, risikobereites Eingehen auf neue und unbekannte Situationen, dem Erkennen und Äußern eigener Ängste und der ständigen Erweiterung der eigenen Wahrnehmung bezüglich der eigenen Person, der Situationen und Kinder, Eltern und Mitarbeiterinnen, um auf diese Weise starre Haltungen abzubauen, Vorurteile überflüssig werden zu lassen und Wahrnehmungsfilter aufzulösen?
  • Soziale Kompetenz: Dadurch, dass die Erzieherin ständig im Sozialkontakt mit anderen Personen steht, muss sie die Fähigkeit besitzen, in den unterschiedlichsten Situationen mit Menschen umzugehen. Das bedeutet Motivation und Entwicklung im Bereich ihres sozialen Umgangs, sich auf Kinder und Eltern sowie Mitarbeiterinnen einstellen zu können, Gefühle, Bedürfnisse und Erwartungen anderer Menschen wahrzunehmen und sie zu akzeptieren, Kompromissbereitschaft auf der einen Seite, Konsequenz auf der anderen Seite zu lernen, Konflikte unter den Mitarbeiterinnen zu erkennen und nach Lösungen zu suchen, Ungerechtigkeiten aufzudecken und Menschen mit anderen Haltungen annehmen zu können.
  • Sachbereichsorientierte Kompetenz: Erzieherinnen als teamfähige Persönlichkeiten sind nicht zuletzt in ihrer Sachkompetenz angesprochen und gefragt. Hier geht es um die Realisierung der Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nötig sind, um Sachverhalte erkennen und handelnd eingreifen zu können. Als Beispiele können hier das Wissen um die Notwendigkeit strukturierten/gemeinwesenorientierten Arbeitens sowie die Umsetzung in die„ pädagogische Praxis genannt werden, Verfahren zur Lösung von Problemen zu kennen und nutzen zu können sowie verschiedene Spielformen zu kennen und sie situationsgerecht in der Arbeit mit Kindern und Erwachsenen anbieten und durchführen zu können. Ich denke, dass auch mit der Sachkompetenz die „Fachkompetenz“ der Erzieherin gemeint ist. Pädagogische Arbeit ist nur mit guten theoretischen Kenntnissen sowie ihrer fachpraktischen Umsetzung zu leisten. Dabei geht es allerdings nicht nur um pädagogisches Wissen, das nicht selten bei vielen Erzieherinnen zwar vorhanden ist, aber losgelöst von praktischen Bezügen existiert. Vielmehr handelt es sich um Kenntnisse des Gesamtzusammenhangs, die die Einleitung verändernder Maß nahmen „provozieren“.

Dazu ein Beispiel: Ich weiß, was so genannte Kriterien von „Verhaltensstörungen“ beinhalten; mir sind auch die in jeder Gruppe stattfindenden „gruppenpädagogischen Entwicklungsphasen“ und „die in jeder Gruppe zu findenden Rollen und deren Funktionen“ bekannt. Meine Kenntnisse, die ich nun in Zusammenhang setze, helfen mir dabei, beispielsweise durch Beobachtung festzustellen, dass ein bestimmtes Kind mit „seinen Verhaltensstörungen“ durch gruppenpädagogisches Geschehen in die Rolle des sogenannten schwarzen Schafes gedrängt wurde. Dadurch kann sich die Gruppe sehr einfach von ihrem Druck lösen. Meine Zusammenhangskenntnisse werden mich also dazu bringen, in und mit der Gruppe Strukturen zu verändern, damit – wie in unserem Beispiel – das „schwarze Schaf“ seine Rolle ablegen kann und aus der Befreiung von dem Druck heraus neue Verhaltensweisen annehmen lernt.

Ebenso wie die Fachkompetenz dazu notwendig ist, dass Erzieherinnen den vielfältigen Anforderungen ihrer Praxis gewachsen sind, so gehören auch die Bereitschaft und Teilnahme an Fort-, Weiter- und Zusatzausbildungen zur Sachkompetenz einer jeden Mitarbeiterin. Einerseits können dadurch bestehende Wissenslücken geschlossen werden, andererseits kann die Arbeit durch neu erfahrene Erkenntnisse qualitativ verbessert werden. Wenn Bildungsmaßnahmen zudem das Ziel erreichen, dass die pädagogischen Fachkräfte neue Einstellungen und Haltungen entwickeln und erwerben, dann können sowohl die Erzieherin selbst als auch das gesamte pädagogische Umfeld in hohem Maße davon profitieren.

Um nun in der Arbeitsgruppe festzustellen, inwieweit die einzelnen Gruppenmitglieder dazu beitragen, als teamfähige Persönlichkeiten an einem sich positiv entwickelnden Team aktiv mitzuarbeiten und auch zu analysieren, wie die Kommunikation in der Gruppe gestaltet ist, kann die derzeitige Ist-Situation anhand einer Checkliste festgestellt und dis­kutiert werden. Es ist günstig, wenn jedes Gruppenmitglied zunächst für sich alleine die Liste ausfüllt, um sie dann mit allen anderen ge­meinsam zu besprechen. Mit Sicherheit werden Merkmale deutlich, die veränderungswürdig erscheinen und auch praktisch verändert werden können.

Die Team-Checkliste

Um in der Arbeitsgruppe möglichst differenzierte Aussagen zur eigenen Tätigkeit bzw. zur Gruppenkommunikation machen zu können, empfiehlt es sich, die Ist-Situation zu analysieren, um sie einerseits zu erfassen und andererseits kritisch zu hinterfragen bzw. notwendige Änderungen anzustreben.

Teamarbeit in der Praxis

Grundlage der Teamarbeit sollte die Teambesprechung sein, die allwöchentlich mit allen zur Mitarbeiterinnengruppe gehörenden Personen stattfinden und ca. eineinhalb Stunden umfassen sollte. Je nach Größe des Teams und Umfang der zu behandelnden Themen kann die Zeitspanne – falls möglich – auch ausgeweitet werden. Die Teambesprechung bildet den Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit, weil hier alles besprochen wird, was unmittelbar (tätigkeitsbezogen) bzw. mittelbar (berufspolitisch gesehen) mit der Institution zu tun hat. Erfahrungen zeigen immer wieder, dass Häufigkeit und Dauer der Treffen nicht unerheblich für die Motivierung der Mitarbeiterinnen sind, um die Arbeit im Team zu bejahen.

  1. Alle Arbeitsgruppenmitglieder geben sich regelmäßig und offen Rückmeldung über ihr Verhalten/ihre Beziehung.
  2. Konflikte werden wahrgenommen, geäußert, beachtet und konstruktiv bearbeitet.
  3. Die gemeinsame Arbeit steht im Vordergrund, konkurrierende Aktivitäten Einzelner sind nicht zu beachten.
  4. Alle Gruppenmitglieder sind sowohl auf ihre Arbeit als auch auf die Dienstbesprechungen vorbereitet.
  5. ln der Arbeitsgruppe wird mehr Wert auf die Stärken der einzelnen Mitglieder gelegt als dass Schwächen und Fehler im Vordergrund stehen.
  6. Alle Arbeitsgruppenmitglieder nehmen sich die Zeit (haben die Möglichkeit), über sich, ihre Einstellungen, ihre Haltung und ihre Gefühle zu sprechen.
  7. Notwendige und wichtige Informationen werden allen mitgeteilt, so dass jedes Arbeitsgruppenmitglied den gleichen Informationsstand besitzt.
  8. Neue Ideen werden grundsätzlich erst einmal aufgenommen, ohne bewertet zu werden.
  9. Entscheidungen werden nicht nur nach der Mehrheit gefällt, sondern nach grundsätzlicher Übereinstimmung.
  10. Nachdem Entscheidungen gefallen sind, wird ihre Realisierung im Auge behalten, laufend überprüft und hinterfragt sowie nötigenfalls wieder verändert.
  11. Die mannigfachen Aufgaben in der Institution werden entsprechend der Interessen und dem persönlichen Einverständnis auf die einzelnen Mitarbeiterinnen übertragen.
  12. Probleme bei der Arbeit werden präzise angesprochen, wobei grundsätzlich Verallgemeinerungen und Angriffe auf bestimmte Gruppenmitglieder abgewiesen werden.
  13. Die in der Arbeitsgruppe bestehende Machtungleichheit wird bewusst in eine (relative) Machtgleichheit verändert.
  14. Zeitpläne und Tagesordnungen bei Dienstgesprächen sind vorher in einer gemeinsamen Absprache festgesetzt worden.
  15. Während der Dienstbesprechungen ist nicht automatisch die Einrichtungsleiterin auch die Diskussionsleiterin; vielmehr wird großer Wert auf die Bedeutung und Realisierung ständig wechselnder und verteilter Rollen gelegt.
  16. Alle Arbeitsgruppenmitglieder stellen ihre „Erfolge” und Schwierigkeiten bei ihrer Tätigkeit vor und geben sich Hilfestellungen (Vermeidung von Ratschlägen).

Um einen Überblick zu geben, was im Einzelnen während einer Teambesprechung erörtert werden kann, sollen stichwortartig die vielleicht wichtigsten Aspekte kurz aufgelistet werden:

  • Gemeinsames Besprechen der Posteingänge der letzten Woche;
  • Information der Mitarbeiterinnen über aktuelle Schwierigkeiten bei der Arbeit; Analyse, Besprechung und Diskussion von Lösungsmöglichkeiten für das spezifische Problem;
  • Information/Absprache über geplante Besuche von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen; Bericht über besuchte Weiterbildungsseminare und Erörterung der Möglichkeiten, neue Erkenntnisse praktisch umzusetzen;
  • Erweiterung der Literaturbestände oder Zeitschriften auf Anregung jeder einzelnen Mitarbeiterin; Vorstellung interessanter Zeitschriften­artikel oder neuer Bücher;
  • Besprechung über die geplante Neueinstellung von Praktikantinnen bzw „fertiger“ Mitarbeiterinnen;
  • Besprechung und Beratung der aktuellen Aufgaben- und Funktions­teilung in der Institution;
  • Supervision der geleisteten Arbeit durch Mitarbeiterinnen aus dem Team oder durch Fremdsupervisoren;
  • Planung und Besprechung der Durchführung zukünftiger, neuer Arbeitselemente;
  • Übung in Diskussionsfähigkeit und Erkenntnis über bzw. Bearbeiten eigener Fehler in Verhaltens- oder Denkweisen;
  • Bearbeitung von Spannungen zwischen Mitarbeiterinnen innerhalb des Teams...

Sicherlich ist diese Auflistung nicht vollständig, weil jede Institution ihre spezifischen Aufgaben und Schwerpunkte hat. Es wäre nun die Angelegenheit des jeweiligen Teams, seine Schwerpunkte für die Teambesprechungen herauszufiltern und in die Treffen aufzunehmen.

Neben den Teambesprechungen könnte in größeren Abständen (zum Beispiel einmal pro Halbjahr) zusätzlich ein „Planungstag“ stattfinden. An diesem Tag kann es zur Überprüfung des „pädagogischen Konzeptes der Einrichtung“ oder zur „Bearbeitung anhaltender Beziehungsstörun­gen“ kommen. Ein ganz besonderer Vorteil dieser so genannten Planungstage besteht darin, dass alle Mitarbeiterinnen während einer längeren Zeitspanne wirklich ohne Störungen problemorientiert arbeiten können.

Teambesprechungen können aber nur dann effektive Auswirkungen haben, wenn in ihnen nicht „nur“ gesprochen, sondern ihre Wirkung mittels eingesetzter Medien unterstützt wird! Dabei können während der Sitzung beispielsweise Tafeln oder großflächige Papierblätter als Visualisierungshilfen benutzt werden; diese schaffen für alle Mitarbeiterinnen außerdem die Möglichkeit, Themenwünsche als Tagesordnungspunkte aufzuschreiben bzw. wichtige Informationen an alle weiterzugeben. Gleichzeitig erscheint es sinnvoll, während der Teambesprechungen ein Protokoll zu führen, damit Vorschläge nicht verloren gehen und Absprachen kontrolliert werden können.

Mögliche Schrittfolge bei der Problembearbeitung

Die häufigste „Bearbeitungsform von Problemen“ sieht in der Praxis wie folgt aus: Eine Mitarbeiterin stellt ihr Problem kurz dar, andere machen einen Vorschlag unter gleichzeitiger Bewertung des „Falles“. Da dies in der Regel aber subjektive Ratschläge sind, die mehr oder weniger schnell nach der Problembenennung erfolgen, ist die Gefahr groß, dass das Problem nicht gelöst wird, weil einfach zu viele Faktoren außer Acht gelassen werden. Dagegen bietet sich als konstruktive Form der Problembearbeitung im Team eine Schrittfolge an, die bei ihrer Beachtung ein großes Maß an tatsächlicher Problemlösung verspricht:

  1. Genaue Formulierung und Beschreibung des Problems, damit alle Teammitglieder den gleichen Ausgangspunkt im Wissen haben.
  2. Analyse des Problems, damit der Ist-Zustand exakt umrissen wird und in Bezug zu seinen möglichen Entstehungs- und Aufrechterhaltungsbedingungen gesetzt werden kann (außerdem ist ein Soll-Zustand ohne eine Ist-Analyse nicht zu definieren).
  3. lnformationssammlung: Von allen Mitarbeiterinnen werden Kenntnisse über bislang praktizierte Methoden gegeben und mögliche Lösungen/Ideen gesammelt, ohne zunächst eine Wertung vorzunehmen (wichtig, da andernfalls neuartige Lösungsmöglichkeiten vorschnell ins Aus verbannt werden).
  4. ldeenkombination: Angesprochene Methoden, Ideen bzw. Lösungsmöglichkeiten werden mit bisher versuchten „Experimenten“ und den Erkenntnissen darüber bzw. den Erfahrungen damit in Beziehung gesetzt.
  5. Prüfung der möglichen Lösungsvorschläge: ln diesem Schritt werden die verschiedenen Lösungsvorschläge auf Möglichkeiten ihrer Realisierung hin überprüft. (Wer arbeitet mit? Was genau muss geschehen? Wie ist das Ziel zu erreichen? Mit wem soll zusammengearbeitet werden? Mit Hilfe welcher Medien ist das Ziel am besten zu realisieren? Wann soll mit der Arbeit begonnen werden?)
  6. Bestimmung einer Lösungsmöglichkeit: Es ist notwendig, dass alle Teammitglieder deutlich ihre Bereitschaft signalisieren, sich unterstützend zu beteiligen.
  7. Planung und gezielte Durchführung: Alle Planungsschritte werden noch einmal dargestellt, besprochen und endgültig festgesetzt; erst jetzt wird mit der Durchführung begonnen.
  8. Beobachtung und Kontrolle der Lösungsdurchführung: Trotz der genauen Ist-Analyse, Soll-Beschreibung und differenzierten Arbeit empfiehlt es sich, die nun praktizierte Lösungsmöglichkeit im Auge zu behalten und zu kontrollieren, damit einerseits eine Verlaufskontrolle Rückmeldung geben kann und andererseits bei auftretenden Schwierigkeiten die Teammitglieder den betreffenden Mitarbeiterinnen schnell und hilfreich zur Seite stehen können.

Vorteile und Auswirkungen von Teamarbeit

Wenn die gesamte Arbeit im Team (lnhaltsebene) und die emotionalen Aspekte (Beziehungsebene) gemeinsam an- und abgesprochen werden, lassen sich viele positive Auswirkungen auf Personen und Tätig­keiten feststellen, von denen hier einige aufgeführt werden sollen:

Dadurch, dass zum Beispiel allen Teammitgliedern die Arbeit der anderen Mitarbeiterinnen bekannt ist, sind alle in der Lage, Teilaufgaben, beispielsweise bei Krankheit oder Fortbildung, zu übernehmen. Das bedeutet für die praktische Arbeit, dass das bisher Geleistete in dem betreffenden Teilbereich fortgeführt und durch den Ausfall einer Mitarbeiterin nicht zunichte gemacht wird bzw. zum Scheitern verurteilt ist. Ein zweiter wichtiger Punkt liegt in der Wirkung der Teamarbeit auf den Einzelnen. Dieser zeigt in der unmittelbaren Gemeinsamkeit mit anderen eine bessere Arbeitshaltung und wird durch die Anwesenden geradezu stimuliert. Das bedeutet auch, dass Teamarbeit ein Klima großer Offenheit schafft, wodurch zum Beispiel eventuelle Fehler nicht verdeckt zu werden brauchen, da Konkurrenz in einem Team nicht existiert. Außerdem wird durch eine gut abgesprochene Teilarbeit und einen ständigen Erfahrungsaustausch die einzelne Mitarbeiterin in ihrer Arbeit unterstützt, so dass sich die Leistungen einer jeden als recht effektiv erweisen.

Das Team stellt für die einzelne Mitarbeiterin sicherlich auch die „Instanz“ dar, der sie sich in Situationen von Überarbeitung und damit möglicherweise verbundener Gereiztheit oder depressiver Stimmung anvertrauen kann. Weitere positive Auswirkungen der Teamarbeit auf die Gesamtarbeit sind darin zu sehen, dass Misserfolge in Teilbereichen das Team insgesamt nicht so sehr zurückwerfen, wie das bei isoliert arbeitenden Personen der Fall ist, denn ein Team ist steter in der Verfolgung seiner Ziele und optimistischer in der Beurteilung von Erfolg und Misserfolg. Schließlich schützt Teamarbeit den Einzelnen auch davor, autoritäres Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen, Eltern und Kindern zu zeigen. Sie hindert ihn daran, seine Überlegenheit – zum Beispiel den Kindern gegenüber – auszuspielen, denn Teamarbeit lehrt partnerschaftliches Verhalten, zumal der Einzelne einen „Prestigeverlust“ oder Ähnliches nicht verspüren kann.

Vorteile und Auswirkungen von Teamarbeit auf Kinder werden schnell deutlich: Die Kinder beobachten das partnerschaftliche Verhalten und setzen es in ihren Kontakten mit anderen um; sie spüren die Freude der Mitarbeiterinnen an ihrer Tätigkeit und erleben eine angenehme Atmosphäre; sie bemerken die Art der Konfliktregelung der Erwachsenen und ahmen es bei ihren Konflikten nach; sie erleben die Offenheit ihrer Erzieherinnen und der Einrichtung selbst und werden dadurch stimuliert, ihren Teil zur „offenen Arbeit“ beizutragen, indem sie zum Beispiel andere Gruppen aufsuchen oder einmal einen Freund mit in den Kindergarten bringen; sie lernen soziales Verhalten nicht durch „Übungsmap­pen“ oder in „didaktischen Einheiten“, sondern durch wahrgenommene Akzeptanz, Rücksichtnahme oder angemessene Durchsetzung von Bedürfnissen. Und schließlich machen die Kinder eine neue Erfahrung dahingehend, dass es ohne ein zu spürendes Hierarchiegefälle und ohne latent existierende Konkurrenz mehr Freiheit, aber auch mehr Verantwortung zu erleben gibt, als sie es bisher kennengelernt haben.

Nicht zuletzt sind die Vorteile und Auswirkungen der Teamarbeit auch bei den Eltern, dem Träger und der Gemeinde zu beobachten: Eltern spüren die offene Atmosphäre und fühlen sich angenommen; sie sind stärker motiviert, sich in die pädagogische Arbeit einbeziehen zu lassen und aktiv an Aktionen teilzunehmen; sie wagen es, sich zu öffnen und mehr von sich „preiszugeben“, wodurch sie auch die Möglichkeit zulassen, ihre Haltung und Verhaltensweisen den eigenen Kindern gegenüber zu überdenken und möglicherweise zu verändern. Der Träger wird durch die Teamarbeit nicht selten stimuliert, einerseits mehr Informationsaustausch zu wünschen und selbst zu gewähren, andererseits durch das Erleben des Teams als einem „Block“ sicherlich in der Anordnung und Durchsetzung von „unpopulären Maßnahmen“ vorsichtiger zu sein. Die Auswirkungen auf die Gemeinde sind besonders fassbar zu beschreiben: Hier schafft Teamarbeit unter dem Aspekt des situationsorientierten bzw. gemeinwesenorientierten Ansatzes vielfältige Möglichkeiten für gemeinsame Vorhaben und Veranstaltungen.

Schlussbemerkungen

Der Inhalt dieses Beitrags zielt nicht zuletzt darauf ab deutlich zu machen, dass die Bildung eines Teams ebenso ein langfristiger Prozess ist wie auch die Arbeit im Team selbst! Vielleicht bedeutet sie für die einzelne Mitarbeiterin zunächst Einengung oder schwer zu bewältigende Mehrarbeit. Doch alle, die Teamarbeit praktizieren, werden mit der Zeit die wichtige und hilfreiche Erfahrung machen, dass die eigene Individualität gerade nicht verloren geht, sondern dass alle in diesem Prozess mitwachsen!

Wenn Teamarbeit ein langfristiger Prozess ist, dann müssen alle Gruppenmitglieder neue Erfahrungen zulassen und veraltete Einstellungen und Verhaltensweisen ablegen. Das bedeutet „lernen“. Ich glaube, dass meine vorgestellten Gedanken nur in begrenztem Maße „begreifbar“ machen können, was Teamarbeit beinhaltet – erlernbar ist sie nur durch Praxis! Ich möchte daher die Ausführungen mit einer Aussage von Konrad Lorenz beenden, dem es gelungen ist, den eigenen Lernprozess bzw. den Lernprozess in Gruppen sehr gut zu beschreiben:

Gesagt ist noch nicht gehört, gehört ist noch nicht verstanden, verstanden ist noch nicht einverstanden, einverstanden ist noch nicht angewendet, angewendet ist noch lange nicht beibehalten.

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Elementarpädagogik und Professionalität
Lebens- und Konfliktraum Kindergarten
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548005
192 Seiten, 19,90 €


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Nüsse machen schlau – eine Geschichte für den 1. Advent

Am Samstag vor dem 1. Advent holte Papa die Weihnachtskisten vom Dachboden. Die Kartons waren total verstaubt – und Papa nach dem Runtertragen auch. Auspacken durften Marcus und Luise: Lichterengel und Bergmann, die dicke Räucherfrau mit der Kloßschüssel in den Händen, den kleinen Schneemann mit aufgespanntem Regenschirm, die Krippen-Figuren für die große Pyramide und vieles mehr.

Währenddessen steckte Papa den Adventsstern zusammen. Als er die Hälfte der Zacken ineinander gefummelt hatte, stellte er sich mitten ins Zimmer, setzte sich den halben Stern auf den Kopf und reckte einen Arm in die Höhe, in der Hand eine lange Kerze haltend. Er sah aus wie die amerikanische Freiheitsstatue. Kater Max strich durchs Zimmer, beschnupperte dies und das und fand keine Ruhe. Advent ist wohl auch für ihn eine aufregende Zeit.

Ganz zuletzt kramten Marcus und Luise hervor, worauf sie sich am meisten gefreut hatten: den großen Nussknacker – einen König mit rotem Mantel, goldener Krone und schneeweißem Bart. Der Nussknacker-König brauchte einen eigenen Karton; noch voriges Jahr war er ein bisschen größer als Luise – nun hatte sie ihn überholt. „Das ist der Beweis“, stellte Marcus fest, „du wächst also doch“. Luise war sich nicht sicher, ob sie lachen oder fauchen sollte. Am besten tat sie so, als hätte sie die Stichelei ihres Bruders nicht gehört.

„Warum knacken wir eigentlich die Nüsse nie mit dem König?“, fragte sie Papa. „Das ist ziemlich schwierig“, antwortete der. „Besonders bei Kokosnüssen...“ (Das war wieder Marcus.) Papa redete weiter: „Beim Arbeiten mit dem Nussknacker kann man sich fix die Finger einklemmen.“ „Darf ich trotzdem mal probieren?“, bettelte Luise. „Meinetwegen. Aber nur eine Haselnuss. Und Vorsicht!“

Luise wühlte die dickste Haselnuss aus der Tüte und schob sie dem Nussknacker-König zwischen die Zähne. Dann drückte sie auf den Hebel in seinem Rücken – aber nichts tat sich. Sie strengte sich an und ächzte – der König biss auf die Nuss, aber er zerknackte sie nicht. „Lass mich mal ran“, sagte Marcus lässig und nahm die Sache in die Hand. Er fasste den Hebel und drückte – dann noch ein wenig mehr – dann richtig toll – plötzlich knallte es und Marcus hätte sich tatsächlich fast die Finger eingeklemmt. Kater Max hüpfte vor Schreck in einen Karton. Die Nuss war geknackt – und Marcus wendete sich stolz an Luise: „Halt die Hand auf. König Knackbert, der Kräftige, lässt den Nusskern hineinrollen.“ Luise hielt ihre Hand hin, Marcus zog den Hebel des Nussknackers nach oben – aber was König Knackbert, der Kräftige, in Luises Hand fallen ließ, war Nussbrei, gespickt mit Schalensplittern. „Wo ist der Kern?“, fragte Marcus erstaunt. „Zermatscht“, sagte Papa.

Am Nachmittag saßen die drei um den Küchentisch und knackten verschiedene Nusssorten fürs „Studentenfutter“. (Seltsame Bezeichnung: Papa erklärte es so: „Nüsse essen macht schlau.“ Deshalb wollte sich Marcus ab sofort zum Frühstück extradick Nuss-Nougat-Creme aufs Brötchen streichen...).

Jede Nuss, die versehentlich vom Tisch fiel, wurde von Kater Max sofort als Spielzeug genutzt. Er kullerte die Nüsse kreuz und quer durch die Küche, sprang hinterher und schlug sogar einen Purzelbaum, weil er zu spät abgebremst hatte. Kater Max veranstaltete alles Mögliche mit den Nüssen – nur zurück zum Tisch brachte er sie nicht. Er bugsierte sie unters Küchensofa, hinter den Kühlschrank, zwischen leere Flaschen. Hatte er sie gründlich versteckt, setzte er sich in die Nähe des Küchentisches und wartete auf die nächste herabfallende Nuss.

Die Haselnüsse und die Walnüsse knackte Papa mit der Nusszange. Marcus und Luise nahmen sich einen Berg Erdnüsse vor. Jede Erdnuss hat eine kleine „Nase“ – wenn man mit dem Daumen darauf drückt, springt die Nussschale ganz leicht auf. Meistens jedenfalls. Dann die Nusskerne herausrollen lassen (fast immer sind es zwei, aber Luise fand schon mal drei Kerne in einer Erdnuss!), die dünne rote Schale abreiben – fertig. Nur jeder zehnte Nusskern durfte in den Mund wandern, die anderen mussten auf den Teller gelegt werden. Das hatten die drei abgesprochen. Und Marcus zählte für Luise mit, denn bei ihr kam die zehn immer gleich nach der drei.

Eine Stunde später waren alle Nüsse geknackt. Papa lehnte sich zurück. „Hui – das hat Durst gemacht. Ich trinke erst mal ein Glas Wasser.“

„Und ich nehme Cola“, rief Marcus. „Und ich Kakao“, rief Luise. „Mooooment“, sagte Papa, „ich bin nicht euer Diener. Wenn ihr etwas trinken wollt, dann holt es euch selbst.“ Und zur Bestätigung schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. Nur – dummerweise traf Papa dabei aus Versehen den Rand des Nusstellers. Der Teller kippte blitzschnell nach oben und alle mühsam geknackten Nüsse hüpften auf den Tisch und von dort auf den Fußboden. Hunderte Nüsse kullerten durch die Küche. Papa war ganz bleich geworden, Marcus und Luise prusteten los – und Kater Max sprang sofort mitten zwischen sein neues, tolles Katzenspielzeug.

„Ach du dicke Kokosnuss!“ Papa konnte es nicht fassen, was er da angerichtet hatte. „Fix, helft bitte mit aufsammeln, ehe Max sämtliche Nüsse wegschleppt.“ Papa griff sich den leeren Teller und alle drei krabbelten durch die Küche. Kater Max kreiselte und knurrte und ballerte mit den Nüssen um sich. Papa versuchte, ihn einzufangen, aber Max war viel geschickter als er und ließ sich dieses Kullerspiel natürlich nicht vermiesen.

Im Wohnzimmer hatte Mama den Lärm des polternden Tellers gehört und wollte natürlich wissen, was passiert war. Als sie die Tür öffnete, sah sie Marcus und Luise unterm Tisch zwischen den Nüssen hocken. Und sie sah Papa hinter Kater Max herhetzen. Max hatte immer noch genügend Zeit, um unterwegs mit Nüssen zu kicken.

„Oh“, sagte Mama und kicherte, „das ist aber lieb von euch, dass Max mitspielen darf...“ „Na hallo!“ erwiderte Papa und gab es auf, Kater Max zu verfolgen. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“„Hilfst du mit einsammeln?“, fragte Marcus.

„Ach nein.“ Mama winkte ab. „Spielt ruhig ohne mich.“ Sie ging wieder, wendete sich in der Küchentür aber noch einmal um und betrachtete ihre umherkrabbelnde Familie: „Und da wird immer behauptet, Nüsse essen mache schlau!“ „Bis jetzt haben wir ja kaum welche gegessen!“, entgegnete Luise. Mama nickte: „Man sieht´s!“ Und dann packte sie blitzschnell Kater Max und sagte zu ihm: „Lass die drei besser alleine weiterspielen. Kullerst bei mir im Wohnzimmer ein bisschen mit dem Wollknäuel.“

Studentenfutter

Zutaten: verschiedene Nusskerne (Erdnüsse, Haselnüsse, Cashewkerne etc.), Rosinen

Zubereitung: Nüsse knacken, mischen und essen.

Diese Geschichte haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Das Kirchenjahr mit Kindern feiern
Ein Vorlesebuch mit lustigen Geschichten , Backrezepten und Spielen.
Reuter, Thomas
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548906
96 Seiten, 9,90 €

 


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Wie wir mit Kindern zum Thema kommen

Einstieg in unterschiedliche Themen finden

Methoden, die für ganz unterschiedliche Themen angewendet werden können, bei denen die Spielstruktur aber immer gleich bleibt, nennt man multithematisch. Um solche Methoden und Spiele geht es in hier. Im Grunde sollen diese Methoden die Kinder einer Gruppe motivieren, in ein Thema einzusteigen.

Dabei werden erste Gedanken und Meinungen, aber auch das bereits vorhandene Wissen der Gruppenmitglieder in Bezug auf das gewählte Thema deutlich. Mit einem so genannten „Kaltstart“ in eine Diskussion einzusteigen, ist für viele Gruppen sehr schwierig. Es reicht oft nicht aus zu sagen: „Heute reden wir einmal über...“ Aber wenn einzelne TeilnehmerInnen bestimmte Meinungen vertreten sollen, kann sich die Gruppe spielerisch der Auseinandersetzung nähern.

Für die LeiterInnen kristallisieren sich im Laufe des Spiels häufig zentrale Fragen der Gruppenmitglieder heraus, an denen sie sich später orientieren können. Besonders wichtig bei der thematischen Arbeit ist eine Visualisierung der Ergebnisse. Das heißt, diese sollten schriftlich, in Bildern oder Symbolen für alle sichtbar gemacht werden. Viele der im Folgenden aufgeführten Methoden liefern bereits ein schriftliches Ergebnis. In anderen Fällen muss die Gruppenleitung das Ergebnis festhalten.

Ein erster Einstieg

Spiele, die einen ersten Einstieg in das gemeinsame thematische Arbeiten ermöglichen:

Dosenspiel

In der Mitte des Kreises, um den die Kinder sitzen, stehen drei große Dosen. Am besten eignen sich große Konservendosen, die in der Gastronomie verwendet werden. Diese werden gründlich ausgespült und – falls nötig – der obere Rand mit Klebestreifen überzogen, damit sich niemand an der scharfen Kante verletzen kann. In den Dosen befinden sich Zettel mit Fragen zu drei Schwerpunkten eines Themas. Beispielsweise zum Thema: „Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft“. Erster Frageschwerpunkt:

Was wissen die Kinder über die Krankheitsbilder und Formen von Behinderungen? Zum Beispiel:

  • „Haben alle Menschen mit Downsyndrom den gleichen niedrigen IQ?“
  • „Nehmen sich schwerstbehinderte Menschen als andersartig war?“

In der zweiten Dose befinden sich Fragen, die die Kinder persönlich betreffen, wie:

  • „Hast du Verwandte oder Bekannte, die mit einer Behinderungleben?“
  • „Warst du schon einmal in einem Heim für Mehrfachbehinderte?“

Die dritte Kategorie fragt nach Zivilcourage und gesellschaftlichen Normen. Solche Fragen könnten sein:

  • „Glaubst du, dass behinderte Kinder in die Regelschulen integriertwerden sollten?“
  • “Wie reagierst du, wenn ein behinderter Mensch in deinem Beisein diskriminiert wird?“

Das erste Kind nimmt sich nun einen Softtennisball und wirft ihn in eine der drei Dosen. Es darf versuchen, eine bestimmte Dose zu treffen und damit eine Fragenkategorie auszuwählen. Dann zieht es einen Zettel aus der Dose, in der sein Ball gelandet ist, liest die Frage laut vor und gibt seine Meinung dazu ab. Alle Kinder kommen nacheinander an die Reihe. Wenn dabei bereits Diskussionen entstehen, ist das toll und sollte von der Gruppenleitung nicht gestoppt werden.

Lieder zum Einstieg

Es ist natürlich immer schön, die Lieder gemeinsam anzuhören, da die Melodien meist auch diejenigen Gefühle ausdrücken, die zum Text passen. Trotzdem sollte den Kindern der Liedtext immer auch schriftlich vorliegen, damit sie ihn besser verstehen und sich in der anschließenden Diskussion auf bestimmte Stellen beziehen können.

Einige wenige deutsche Lieder seien hier beispielhaft aufgeführt:

Zum Thema Diskriminierung hat Funny van Dannen, ein ironisches, aber äußerst provokantes Lied mit dem Titel „Lesbische, schwarze Behinderte“ geschrieben. Ein Lied von den Toten Hosen, „Alles ist eins“, beschäftigt sich mit dem Tod. Es gibt ein Lied von Pur gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch von Kindern, es heißt „Kinder sind tabu“. Klaus Hoffmann hat ein Lied geschrieben, das vom respektlosen Umgang von Erwachsenen mit Kindern handelt: „Jedes Kind braucht einen Engel“. Hörbeispiele all dieser Lieder und vieler Weiterer zu den verschiedenen Themen findet man leicht im Internet, z.B. auf Youtube.

Assoziative Gedankengänge ermöglichen einer Gruppe, das Thema zuerst einmal sehr breit zu betrachten. Erst in einem zweiten Schritt wird das Thema dann konkreter und differenzierter gesehen.

Diesen Artikel haben wir aus Heike Baums Buch mit dem Titel „Spiele und Methoden für die Gruppenarbeit“ entnommen. Das Buch ist bei Burckhardthaus erschienen.

Spiel ist mehr als Spaß
Spiele und Methoden für die Gruppenarbeit
Heike Baum
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548180
144 Seiten, 7,95 €


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Wenn Kinder oft unkonzentriert und abgelenkt sind

Foto von Katerina Holmes von Pexels

Erfolgreich durch die Grundschule

Ablenkbarkeit gehört zu den häufigsten Gründen, weshalb Kinder von ihren Eltern in Praxen und Instituten vorgestellt werden. Die Eltern wurden zum Beispiel von der Lehrerin auf Konzentrations-Probleme ihres Kindes aufmerksam gemacht. Oder sie haben selbst beobachtet, wie leicht sich ihr Kind von den Hausaufgaben ablenken lässt.

Erhöhte Ablenkbarkeit und Konzentrations-Probleme sind das Gleiche. Die Lehrer schildern das Problem meist so: „Ihr Kind lässt sich von allem ablenken, es schaut ständig zum Mitschüler, der hinter ihm sitzt, es kramt oft in seinem Schulranzen. Ihr Kind bekommt oft nicht mal die Fragestellung mit. Andere Kinder sind mit der Aufgabe schon halb fertig, bevor Ihr Kind überhaupt angefangen hat.“

Dabei ist es wichtig, sich die Situation genauer anzuschauen: Es gibt Kinder, die vom ersten Schultag an abgelenkt sind. Bei anderen Schülern dagegen bestand die Ablenkbarkeit schon vor Schulbeginn. Außerdem kommt es vor, dass die Problematik erst im Laufe der Grundschulzeit auffällt, etwa in der zweiten oder dritten Klasse.

Dann wiederum gibt es Kinder, bei denen die Ablenkbarkeit in den meisten Schulfächern vergleichbar stark ausgeprägt ist – und Kinder, bei denen ein Konzentrationsdefizit ausschließlich in bestimmten Fächern vorkommt. Das sind dann meist die wenig geliebten Fächer und die, in denen die Noten schwächer sind.

Bei manchen Kindern ist die erhöhte Ablenkbarkeit tagesformabhängig, bei anderen ist sie ständig zu beobachten.

Gründe für eine Über-Erregung des kindlichen Nervensystems
Es gibt viele Faktoren, durch die das Nervensystem von Kindern überreizt werden kann. Dazu können gehören:

  • Belastungen der Mutter während der Schwangerschaft:
    • Körperliche Belastungen, z. B. Infektionen, Gestose, die Einnahme von Medikamenten (Antibiotika, wehenhemmende Mittel)
    • Psychische Belastungen, z. B. Partnerschafts-Konflikte
  • Rund um die Geburt: z. B. Medikamentengabe während der Geburt, Besonderheiten bei der Geburt (Zangengeburt, Saugglocke, Kaiserschnitt), Verlegung des Neugeborenen auf die Intensivstation/Kinderklinik, Trennung von der Mutter
  • Körperliche Erkrankungen der Eltern: z. B. Migräne
  • Psychische Beeinträchtigungen: z. B. depressive Verstimmung, Ängste
  • Paarkonflikte der Eltern
  • Eltern-Kind-Konflikte
  • Geschwisterkonflikte
  • Als belastend empfundene Lebenssituationen: Kindergartenwechsel, Umzüge, Schulwechsel, Krankheiten von Familienmitgliedern, Verlust von Freunden oder Verwandten, Geburt von Geschwistern
  • Körperliche Faktoren beim Kind: z. B. Blockaden im Bereich der Halswirbelsäule, Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, Impfreaktionen, Nährstoffmangel, Flüssigkeitsmangel

Auch wenn die Suche detailliert betrieben wird, kommt es vor, dass man keine offensichtlichen auslösenden Faktoren und Zusammenhänge findet. Wenn mögliche Ursachen für die Überreizung des kindlichen Nervensystems gefunden werden, bedeutet das noch nicht, dass sie ausschlaggebend für die Ablenkbarkeits-Problematik sind.

Eine erhöhte Ablenkbarkeit findet man in unterschiedlichen Ausprägungen:

  • Ruhiger Typ: Viele dieser Kinder suchen während des Schulunterrichts andere Beschäftigungen, z. B. Comic lesen, Stifte spitzen und ordnen, malen, aus dem Fenster schauen (und vorbei fliegende Vögel zählen). Diese Kinder verhalten sich in der Regel unauffällig und zurückhaltend und stören nicht den Unterricht. Das Hauptproblem liegt darin, dass der Schüler durch seine Ablenkbarkeit den Unterrichtsstoff verpasst und sich mündlich wenig beteiligt.
  • Impulsiver Typ: Hier sind die Kinder in der Regel lebhaft und zappelig. Sie können kaum eine Minute lang ruhig sitzen, rutschen auf dem Stuhl herum, stehen immer wieder auf, reden pausenlos während des Unterrichts, lenken Mitschüler ab, rufen ungefragt dazwischen und halten sich nicht an Klassenregeln. Dabei stören sie den Unterricht, mitunter auch massiv.

Erhöhte Ablenkbarkeit bereits vor Schuleintritt

Es ist ein Unterschied, ob ein Kind bereits im Kindergarten als leicht ablenkbar auffiel, oder ob die Ablenkbarkeit erst während der Schulzeit auftritt.
Im Kindergarten fällt die verkürzte Aufmerksamkeits-Spanne eines Kindes zum Beispiel am ehesten während des Stuhlkreises oder bei geführten Gruppenaktivitäten (wie Weben, Malen, Basteln, Puzzle legen) auf. Manchmal berichten Erzieherinnen, dass ein Kind immerzu zwischen den Aktivitäten wechselt und sehr wenig Ausdauer beim Spielen zeigt. Erschwert wird die Verhaltens-Einschätzung in Kindergärten, in denen es wenig Struktur gibt und überwiegend Freispiel angeboten wird. In dieser Gemeinschaft fällt ein leicht ablenkbares Kind kaum auf, weil es seine Beschäftigungen selbst wählen kann.

Frühe Zeichen für Ablenkbarkeit

  • Haben Sie Ihr Kind bereits im Kleinkind- und Kindergartenalter als leicht ablenkbar empfunden?
  • Kam es vor, dass Ihr Kind bei gemeinsamen Mahlzeiten am Tisch oft nicht mitbekommen hat, was gerade gesprochen wurde?
  • Zeigte es nur wenige Minuten Ausdauer beim Spielen oder suchte es sich häufig eine neue Beschäftigung?
  • War Ihr Kind immer schon besonders verträumt?
  • Konnte sich Ihr Kind oft zwei Sachen gleichzeitig nicht merken, z. B. dass es außer Brötchen auch noch vier Stück Kuchen beim Bäcker holen sollte?
  • Hatten Sie den Eindruck, dass Ihr Kind vergesslicher wirkte als gleichaltrige Kinder?

Eine Ablenkbarkeit, die bereits im Kleinkind- oder Kindergartenalter ausgeprägt war, kann durch die Schulsituation noch verstärkt werden. Bei einer Überreizung des Nervensystems, die schon vor der Schulzeit existierte, ist das Erregungsniveau des kindlichen Nervensystems sehr hoch. Entsprechend unruhig, nervös und unkonzentriert verhalten sich die Kinder dann in der Schule. Sie reagieren mitunter unwillig und gereizt. Eine erhöhte Ablenkbarkeit kann also Ausdruck eines längerfristig gestressten Nervensystems sein.

Erhöhte Ablenkbarkeit mit Schuleintritt

Bei vielen Kindern stellt sich ein Konzentrations-Problem erst während der Schulzeit ein. Es kann bereits in den ersten Schulwochen auftreten oder auch erst nach dem ersten Schuljahr.

Besonders bei Jungen kommt es häufiger vor, dass der Wechsel vom Kindergarten in die Schule eine hohe Anpassungsleistung erfordert. Viele Jungen erleben die Einschulung als Herausforderung und fühlen sich in ihrem Freiheitsdrang beeinträchtigt. In der Schule wird erwartet, dass sie stundenlang auf einem Stuhl sitzen bleiben, dass sie ruhig und aufmerksam zuhören, dass sie ordentlich und sauber schreiben und dass sie sich mit vielen neuen Mitschülern vertragen. Es kann mitunter einige Wochen oder Monate lang dauern, bis sich ein Kind an die neue Situation gewöhnt hat. Deshalb kann es vorkommen, dass die Konzentrations-Probleme anfangs nicht bemerkt werden.

Häufig kommt es vor, dass Jungen bei der Einschulung in ihrer feinmotorischen Entwicklung noch nicht so weit sind wie gleichaltrige Mädchen. Weil im Kindergarten ihr Interesse an Malen und Basteln meist noch nicht so groß war, fällt es ihnen anfangs schwer, den Stift richtig zu halten, Buchstaben zu schreiben, Zahlen zu malen, sauber mit Schere und Klebstoff zu arbeiten. Das kann die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Wenn die Umstellung vom Kindergarten auf die Schule die Hauptursache ist, nimmt die Ablenkbarkeit normalerweise in wenigen Wochen an Intensität ab – sobald sich nämlich die Anpassungs-schwierigkeiten gelegt haben.

Eine erhöhte Ablenkbarkeit kann auch durch einen Lehrerwechsel ausgelöst werden – etwa dann, wenn die Klassenlehrerin längere Zeit krank ist und Vertretungslehrer eingesetzt werden müssen. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass der Schüler die Beziehung zur neuen Lehrperson als problematisch empfindet. Die Fähigkeit, sich gut zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit ganz dem Schulstoff zu widmen, setzt voraus, dass das Kind sich in der Klasse mit Lehrer und Mitschülern sicher fühlt. Wenn die Lehrerin als übermäßig streng, ungerecht oder wenig einfühlsam für die Bedürfnisse der Schüler erlebt wird, kann das eine erhebliche Verunsicherung eines Kindes zur Folge haben. Diese Unsicherheit kann einen beträchtlichen Teil der Aufmerksamkeit des Schülers binden.

Es ist aber auch denkbar, dass die seit einem Lehrerwechsel aufgetretenen Konzentrations-Probleme weniger mit dem Wechsel zusammenhängen als mit der Tatsache, dass der Schulstoff schwieriger geworden ist.

Kinderzeit-Podcast: Hochbegabung in der Kita. Zu Gast: Ulrike Krause

Konzentration und Motivation

Immer wieder kommt es vor, dass Eltern in der Praxis erklären: „Mein Sohn hat eigentlich keine Konzentrations-Probleme, denn ich bekomme ja mit, dass er sich durchaus konzentrieren kann, wenn er sich für etwas interessiert.“ Wie passt das zusammen?

Es ist wichtig zu wissen, dass Konzentrations-Probleme bei Kindern immer motivationsabhängig sind. Das heißt, ein Kind kann sich gut konzentrieren, wenn es seine Beschäftigung selbst gewählt hat, wenn es zum Beispiel Lego baut oder mit dem Computer spielt. Dagegen kann es demselben Schüler schwer fallen, im Unterricht auch nur fünf Minuten lang bei der Sache zu bleiben – einfach, weil ihn das Thema nicht so sehr interessiert.  Konzentrations-Probleme von Kindern sind in der Regel nicht die Folge einer verminderten geistigen Leistungsfähigkeit. Die Konzentrationsfähigkeit der leicht ablenkbaren Kinder ist nur stärker motivationsabhängig als bei anderen gleichaltrigen Kindern.

Je nach Fach motiviert
Julian
, acht Jahre alt, zweite Klasse, arbeitet im Sachkunde-Unterricht gut mit –  ebenso in Mathematik. Dabei zeigt er Einsatzfreude, Leistungsbereitschaft, aktive Mitarbeit und trägt mit konstruktiven Ideen positiv zum Unterricht bei. Im Deutsch- und Englisch-Unterricht sieht das allerdings ganz anders aus: Hier zeigt er eine deutlich erhöhte Ablenkbarkeit, bleibt kaum ruhig auf dem Stuhl sitzen, äußert seine Unlust etwas mitzuschreiben und unterhält sich statt dessen lieber mit seinem Banknachbarn über die aktuellen Fußballergebnisse. Wenn die Klasse aufgefordert wird, eine schriftliche Aufgabe zu erledigen, braucht Julian ewig, bis er seine Arbeitsmaterialien einsatzfähig vor sich liegen hat. Mitunter haben seine Klassenkameraden bis dahin die Aufgabe schon halb fertig.

Es ist auch denkbar, dass die Motivation für ein Schulfach nichts mit dem Interesse am Fach zu tun hat, sondern von außen gesteuert wird. Zum Beispiel kann ein Schüler in einem bestimmten Fach sehr aufmerksam mitarbeiten, weil er seine Lehrerin besonders mag. Er möchte durch seine aktive Beteiligung am Unterricht ihre Zuwendung gewinnen.

Dagegen ist ebenso denkbar, dass dieser Schüler für seine Klassenlehrerin wenig Sympathie empfindet und es sich in seinen Augen nicht lohnt, sich für ein Lob von ihr anzustrengen. In diesem Fall ist der Schüler wahrscheinlich in den Fächern, die seine Lieblingslehrerin unterrichtet, ausgesprochen aufmerksam, in den Fächern seiner Klassenlehrerin dagegen ziemlich ablenkbar.

Mögliche Ursachen

Eine erhöhte Ablenkbarkeit hat meist mehrere Ursachen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Konzentrations-Probleme beitragen:

  • Teilleistungsstörung (Lese-/Rechtschreibschwäche und/oder Rechenschwäche)
  • Wahrnehmungsstörung (visuell und/oder auditiv)
  • Depressive Verstimmung
  • Anpassungs-Probleme nach einschneidenden Lebens-Veränderungen
  • Leistungsängste/Prüfungsängste
  • Angststörung
  • Schulische Überforderung
  • Schulische Unterforderung
  • Rechts-Links-Blockade
  • Blockaden im Bereich der Halswirbelsäule (z. B. KISS-Syndrom)
  • Nahrungsmittel-Unverträglichkeit
  • Flüssigkeitsmangel
  • Nährstoffmangel (Vitamine/Mineralstoffe/hochwertige Fettsäuren)

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Erfolgreich durch die Grundschule
Wie Sie Ihr Schulkind unterstützen und motivieren können
Birgit Sesterhenn/Katrin Edelmann
Oberstebrink
208 Seiten, 22,90 €
ISBN 9783934333437
Mehr auf www.oberstebrink.de


Top Themen Praxis

Ein Herbst-Lied zum Singen, Tanzen und Mitspielen
"Hejo, spann den Wagen an!"

Der englische Kanon „Hejo, spann den Wagen an“ gehört zu den beliebtesten Herbst-Liedern. Das Lied ist für alle Kinder eingängig und gut mitsingbar. Reinhard Horn stellt drei Ideen vor, wie das Lied eingesetzt und umgesetzt werden kann.

Singen

Das Lied ist ein Kanon für drei Gruppen. Bevor man den Kanon probiert, sollte das Lied erst einmal als Rundgesang gesungen werden. Das Lied besteht aus drei Zeilen, die sich immer und immer wiederholen.

Die Melodie dieser drei Zeilen greift auf einfache melodische Muster zurück :

  • 1 Zeile → Melodiesprünge
    Die Melodie macht einen Sprung nach unten und wieder zurück zum Ausgangston
  • 2 Zeile Melodieschritte
    Die Melodie geht Schritt für Schritt aufwärts und wieder zurück
  • 3 Zeile Tonwiederholdung
    Die Melodie bleibt auf einem Ton

Wenn die Kinder die Melodie gut singen können, kann man zunächst probieren es in zwei Kanongruppen zu singen. Dabei ist hilfreich und unterstützend, wenn bei jeder Kinder-Kanon-Gruppe eine Erzieherin mitsingt und die Kinder so durch das Lied führt.
Kanon singen ist eine gute Schule zum Training der Stimme und des Gehörs.

Tanzen

Die Dreiteiligkeit des Liedes kann man gut in Bewegung umsetzen.
Aufstellung : Im Kreis – alle schauen zur Kreismitte

  • 1 Zeile Die Kinder machen einen winkende Bewegung
  • 2 Zeile Mit den Fingern Regen darstellen ( fällt von oben nach unten
  • 3 Zeile Handreichung und auf der Kreisbahn nach rechts gehen. Am Ende stehen bleiben und wieder von vorne beginnen.

Bhoomwhaker
Da das Lied harmonisch nur aus zwei Akkorden besteht, kann man es gut mit Bhoomwhakers und/oder Stabspielen begleiten.



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St. Martin mit Marcus und Luise

Eine Geschichte zum Vorlesen und Backen

Nichts los im November. Kaum noch Sonne, noch kein Schnee. Na, wenigstens gab‘s das Martinsfest am 11. November. Marcus und Luise freuten sich schon riesig auf den Laternenumzug im Dunkeln, den reitenden Sankt Martin und natürlich auf die Martinshörnchen.

Das Martinsfest erinnerte daran, dass Sankt Martin vor vielen, vielen Jahren an einem kalten Wintertag seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt hatte.

Die Martinshörnchen sahen aus wie Hufeisen von Martins Ross, schmeckten aber viel besser. Bevor man ein Hörnchen anknabberte, musste man es zerbrechen und eine Hälfte verschenken. Halb so wild, denn meistens bekam man ja auch von jemandem eine Hälfte geschenkt.

Hmm – Martinshörnchen! Und was das Beste war: Die Hörnchen wurden zu Hause bei Marcus und Luise gebacken. Genau drei Tage vor dem Martinsfest. Und weil das ‚ne Menge Arbeit machte, kamen Freunde von Mama und Papa zum Helfen. In diesem Jahr sollten es über einhundert Martinshörnchen werden!

Also – zuerst wurden alle Backzutaten gemischt, dann musste daraus ein großer Teigklumpen geknetet werden. Das machte Grit, Mamas Freundin. Grit war nämlich Body-Builderin und ging fast jeden Tag zum Krafttraining ins Fitness-Center. Heute allerdings nicht, denn heute durfte sie ja Teig kneten.

Die anderen saßen drumherum, tranken Kaffee und bestaunten Grits Muskeln. Eins, zwei, drei war der Teig fertig. Nun wurde er ausgerollt. Da durften die Männer ran. Die Frauen schnitten Teig-Dreiecke heraus, klecksten Heidelbeermarmelade darauf, rollten die Hörnchen ein und legten sie aufs Backblech. Und dann ab damit in die Backröhre. Vom ersten fertigen Blech durften Marcus und Luise je ein Hörnchen naschen. Köstlich! Und Kater Max strich durch die Küche und futterte alle Teigstückchen auf, die zu Boden fielen. Später wurden die Hörnchen noch mit Zuckerguss bepinselt. Das alles dauerte bis spät in den Abend – und Grit fragte immer wieder, ob nicht noch ein bisschen Teig zum Kneten da sei.

Endlich – morgen war Martinsfest. Der Wäschekorb voller Hörnchen stand im Schlafzimmer, denn da war es schön kühl. Es duftete in der ganzen Wohnung. Aber die Hörnchen waren nachgezählt. Doch morgen ... Morgen kam Sankt Martin auf dem Pferd geritten und verteilte die Hörnchen. Sankt Martin war in Wirklichkeit auch Grit. Die hatte nicht nur Muskeln, sondern konnte auch toll reiten. Außerdem war sie die Einzige, die den Korb mit den Hörnchen vor den Kindern schützen konnte. Also – noch einmal schlafen!

Mama saß gerade gemütlich im Wohnzimmer und las, als sie plötzlich Marcus schreien hörte: „Raus da! Du spinnst wohl!! Mama!!!“ ,Aha’, dachte Mama, ,Luise wollte sicher naschen.’

Sie sauste ins Schlafzimmer. Marcus hockte an der einen Seite des Korbes, Luise an der anderen, mitten im Korb hockte Kater Max. Marcus zerrte an dessen Vorderpfoten, Luise am Schwanz, Max fauchte.

„Was macht ihr denn da?“, wunderte sich Mama. „Zum Mar­tinsfest sollen die Hörnchen geteilt werden, nicht die Katze. „Luise war furchtbar aufgeregt.“ Weißt du, was der Max gemacht hat? Er hat in die Hörnchen gepinkelt!“

Ach du liebe Zeit! – Mama jagte Kater Max unters Bett und besah sich die Bescherung. Max hatte mitten in die Hörnchen ein Loch gescharrt und hineingepullert. Die Hörnchen waren nass und klebrig, der Zuckerguss war aufgeweicht, es roch gar nicht mehr feierlich.

„Wer hat Max ins Schlafzimmer gelassen?“, fragte Mama ganz langsam.

„Papa war‘s!“, antwortete Luise ganz schnell und Marcus nickte heftig. Papa war arbeiten. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass er nicht auf Max aufgepasst hätte!

„Was machen wir denn jetzt?“, Mama war völlig ratlos.

„Die trocknen doch“, tröstete Marcus sie. „Das merkt schon keiner.“

„liih!“, rief Luise. „Ich esse kein Hörnchen, wo Max draufgepinkelt hat. Außerdem erzähl ich‘s allen!“

Marcus wollte schon ärgerlich werden, aber Mama beruhigte ihn. „Die Hörnchen sind hin. Wegen diesem blöden Kater!“ „Und weil Papa nicht aufgepasst hat“, nahm Luise Max in Schutz.

Dann saßen die drei in der Küche und überlegten. Wenn es morgen zum Martinsfest keine Hörnchen gäbe, wären die Kinder furchtbar enttäuscht. Und dann müssten sie auch zugeben, was passiert war. Außerdem hätte Grit nichts zu beschützen. „Wir müssen nochmal backen“, meinte Marcus. „Ich helf dir.“ „Ich auch“, sagte Luise.

Mama schaute auf die Uhr. Es war abends um acht. Die Geschäfte hatten gerade schon geschlossen. Aber glücklicherweise war Papa gestern einkaufen gewesen. Der hamsterte immer. „Damit sich‘s lohnt“, sagte er, wenn er angeschleppt kam.

Mama seufzte. Dann begann sie, Mehl, Milch, Backpulver, Zucker, Eier und Marmelade zusammenzusuchen. „Könnte gerade so reichen“, meinte sie. „Bloß die Heidelbeermarmelade muss ich mit Pflaumenmus strecken.“

Halb acht waren die Zutaten gemischt. Jetzt ging‘s ans Kneten. Grit war um diese Zeit im Fitness-Center, also musste Mama selbst ran. Sie kämpfte mit dem Teig. Luise guckte ihr mitleidig zu und Marcus feuerte sie an: „Da kriegst du Muskeln wie Grit!“

Um acht lag der fertige Teigklumpen auf dem Tisch. Mama rollte ihn aus. Marcus formte die Hörnchen. Luise kleckste die Marmelade darauf. Halb elf reihten sich einhundertzwanzig Hörnchen auf dem Tisch aneinander – nur gebacken und bestrichen werden mussten sie noch.

Marcus und Luise waren hundemüde. Sie wollten ganz freiwillig ins Bett. „Wo ist eigentlich Max?“, fragte Luise. Wo wohl? Marcus öffnete sacht die Tür zum Schlafzimmer. Max lag zusammengerollt mitten in den Hörnchen und schlief.

Marcus und Luise schliefen auch sofort ein und träumten von Martinshörnchen-Bergen. Und von Grit, die diese Berge bewachte. Mama stand in der Küche und backte und backte. Ihre Arme waren schwer, ihr Rücken schmerzte und sie konnte kaum noch stehen.

Kurz vor elf kam Papa von der Arbeit nach Hause. „Hmm“, schnupperte er schon an der Tür. „Du hast gebacken, Schatz?“ Er betrat die Küche und blieb staunend stehen: „Du kannst wohl gar nicht genug kriegen vom Hörnchenbacken?“ „Sehr lustig!“, fauchte Mama. „Du und dein Kater! Du kannst gleich mit im Hörnchenkorb schlafen! Aber pinkel nicht auch noch hinein!!“

„Was ist denn passiert?“, Papa begriff gar nichts. Und nun erzählte ihm Mama die ganze Kater-Geschichte. Am Schluss mussten sie beide drüber lachen – und Papa gab zu, dass Kater Max mit ihm ins Schlafzimmer gehuscht war. Dort verkroch er sich unterm Bett – und Papa hatte keine Lust gehabt, ihn zu fangen...

„Na toll!“, sagte Mama. „Dafür musst du mir jetzt helfen.“

Und schon drückte sie ihm den Topf mit dem Zuckerguss in die Hand: „Viel Spaß!“

Einsichtig setzte sich Papa an den Küchentisch, betrachtete seufzend die Reihen Martinshörnchen und begann, eins nach dem anderen mit Zuckerguss zu bepinseln...

Martinshörnchen (für ca. 30 Hörnchen)

Zutaten: 500 g Mehl, 250 g Zucker, 2 Eier, 150 g Margarine, 1 Päckchen Vanillinzucker, 1/2 Päckchen Backpulver, 1 kleine Prise Salz

Zubereitung: Aus allen Zutaten einen festen Teig kneten und möglichst eine Stunde ruhen las­sen. Anschließend den Teig ca. 0,5 cm dick ausrollen, Teigdreiecke ausschneiden, aus diesen dann Hörnchen formen (dabei nach innen aufrollen) und in Hufeisenform biegen. Auf Backpapier goldgelb backen.

Tipp: Es erleichtert die Arbeit, wenn man aus dem gerollten Teig zunächst mit Hilfe einer runden Form einen Kreis aussticht und diesen achtelt. Die Hörnchen werden auf diese Weise auch gleich groß und schön.

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Das Kirchenjahr mit Kindern feiern
Ein Vorlesebuch mit lustigen Geschichten , Backrezepten und Spielen.
Reuter, Thomas
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548906
96 Seiten, 9,90 €


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Ein Lied zur Stärkung der Kinder
"Ich bin klasse, so wie ich bin!"

Lieder können viel bewegen: sie können Kinder in ihrer motorischen Entwicklung fördern, als Bewegungs- und Spiellied, sie können ein wichtiger Teil der Sprachentwicklung sein und Lieder können Kinder in ihrer seelischen Entwicklung unterstützen und stärken.

Das Lied „Ich bin klasse, so wie ich bin“ ist solch ein Lied, dass Kinder stärken kann und ihnen die Sicherheit einer gesunden, kraftvollen Entwicklung bieten kann.

Einfache Bewegungen helfen das Lied kennenzulernen:

  • Ich bin klasse  → beide Daumen hoch
  • So wie ich bi auf sich selbst zeigen
  • Ja, ich schaff das mit beiden Armen zeigen, wie viel Kraft in einem steckt
  • Ich kriege das hin zur Melodie klatschenn
  • Ja, ich schaff das → mit beiden Armen zeigen, wie viel Kraft in einem steckt
  • Ich kriege das hin  zur Melodie klatschenn
  • Ich bin klasse  → beide Daumen hoch
  • So wie ich bi → auf sich selbst zeigen

Prof. Dr. Armin Krenz schreibt zum Lied: Der Mensch baut seine gesamte Persönlichkeitsentwicklung von einer Grundlage her in den ersten zwei, drei Lebensjahren auf. Das heißt, Persönlichkeitsmerkmale wie neugierig sein, interessiert sein, lebendig sein, zugewandt sein, experimentierfreudig sein, fantasievoll sein ergeben sich aus Erlebnissen, Erfahrungen und Eindrücken aus der Kindheit.
Diese eigene Identität - wer bin ich und was kann ich - entwickelt sich tatsächlich in diesen drei Schritten, die auch im Lied angesprochen werden: Ich bin – ich kann – ich habe!
Zunächst einmal sucht das Kind einen Persönlichkeitsaufbau in sich - nach dem Motto wer ich bin: ich bin wichtig, ich bin einmalig, ich bin liebenswert, ich bin klasse! (Im Lied heißt es: „Ich bin klasse, so wie ich bin!“)
Aus diesem ich bin wer oder auch ich bin sehr viel wert, entwickelt sich dann dieser zweite große Entwicklungsschritt: ich kann.
Kinder wollen etwas leisten, Kinder wollen etwas können. Ich kann klettern, ich kann hüpfen, ich kann springen, ich kann einen Ball rollen lassen, ich kann mich von einem anderen fangen lassen, ich kann aber auch traurig sein, ich kann weinen, ich kann aber auch damit rechnen, dass jemand anders mich unterstützt, wenn es mir nicht so gut geht. Ich erlebe, dass ich weiß, dass ich wer bin und dass ich was kann. Im Lied heißt es dazu: „Ja, ich schaff das. Ich kriege das hin!“
So entwickelt sich dieser letzte große Entwicklungsschritt innerhalb dieser drei Phasen: ich habe. Ich habe Sicherheit in mir, ich habe Vertrauen, dass ich in dieser Welt etwas in Gang setzen kann. Ich habe ein Selbstwertgefühl, ich habe die feste Überzeugung, dass ich in dieser Welt ein Mit-Gestalter bin, jemand der einen Einfluss hat und für sein eigenes Leben auch in der Lage ist zu sorgen.

Kinder wollen selbstwirksam sein – und das geschieht gerade und auch im gemeinsamen Singen, rhythmischen Klatschen und Bewegen.


Liederbuch/CD „Lachen Singen Tanzen“

Liederbuch/CD „Lachen Singen Tanzen“

Heft: 48 Seiten, 12,80 € ISBN 978-3-89617-265-5
CD: ca. 50 Min., 13,90 € 

Bestelladresse:
KONTAKTE Musikverlag
Windmüllerstr. 31
59557 Lippstadt
Tel.: 02941 14513
Fax: 02941 14654
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Empathie und situatives Begleiten im Betreuungsalltag

Das Sein der pädagogischen Fachkraft ist das erste Wirkende

In seiner jahrzehntelangen medizinisch-pädagogischen Praxis erkennt Janusz Korczak ein „wunderbares Geheimnis“, nämlich das Sein des Kindes hier und heute, seine Entwicklung, sein eigentümliches Fühlen, Denken und Wollen. Die „Liliputs im Lande der Riesen“ geben aber dem Riesen schier unlösbare Rätsel auf: „Schmerzliche Augenblicke erlebt der Erzieher, wenn er in der Ratlosigkeit des Kindes seine eigene Ohnmacht wahrnimmt.“ (Korczak 1978, S. 103) Wie kann die pädagogische Fachkraft sich in die gemeinsame Situation so einbringen, dass das Kind sie als gleichwertig empfindet und um Hilfe bittet? Das erinnert an Maria Montessoris Erziehungsgrundsatz: „Hilf mir, es selbst zu tun!“

Korczak ist in der dialogischen Handlungssituation bemüht, die Individualität des Kindes wahrzunehmen und sich von diesem Wahrnehmen leiten zu lassen. Er fühlt sich zuständig für das Sein des Kindes hier und heute, für das Recht des Kindes auf die „Erfüllung des Augenblicks“. Seine authentische und empathische Haltung kann mit neueren Forschungen vertieft gesehen werden, die das Sein der handelnden Erzieherin ins Zentrum stellen: Neurobiologische Lernforschung, geisteswissenschaftliche Einsichten und pädagogische Erfahrungen weisen mit Nachdruck darauf hin, dass eben das Sein der Erzieherin das Erste ist, das seine Wirkung entfaltet; ihr Tun folgt an zweiter Stelle und schließlich kommt erst das, was sie sagt.

Spiegelneurone, eine fundamentale Beziehungsbasis

Der Neurobiologe Giacomo Rizzolatti und der Wissenschaftsphilosoph Corrado Sinigaglia (Rizzolatti/Sinigaglia 2012) entdeckten im Hirnbereich Nervenzellen, die nicht nur Handlungen, sondern auch Gefühle spiegeln, und nannten sie Spiegelneurone (mirror neurons). Es zeigte sich, dass das Gehirn nicht nur beobachtete Handlungen spiegelt, sondern auch Gefühle. Dadurch erhält der ganze Bereich der Empathie und Sympathie eine ganz neue Bedeutung. Neurone gestatten unserem Gehirn, die beobachteten Bewegungen und wahrgenommenen Gefühle mit unseren eigenen in Beziehung zu setzen und dadurch deren Bedeutung zu erkennen. Beobachtet ein Kind einen Vorgang, dann werden bei ihm Nervenzellen aktiv, und zwar so, als wenn es selbst aktiv wäre. Nervenzellen werden spiegelbildlich aktiv.

Einige Forscher sehen in den Spiegelneuronen den Ursprung für die Entwicklung von Empathie und die Bildung von Sozial- und Sprachkompetenz. Sogar Autismus, eine starke Störung der Beziehung, wird damit erklärt, dass Kinder keine Spiegelneurone entwickeln konnten und sich deshalb nicht in einen anderen Menschen hineinversetzen und kein Verständnis für seine Gefühle und Interessen entwickeln können.

Neurone sind also dann aktiv, wenn eine Handlung bei einer Person erlebt wird. Die erlebte Handlung wird innerlich so nachvollzogen, als ob der Beobachter sie selbst ausführt. Das Kind kann sich in die Gefühle anderer Menschen so hineinversetzen, dass es den zugrundeliegenden Hirnprozess des jeweils anderen spiegelt.

Beobachtet die Erzieherin das Kind oder das Kind die Erzieherin, dann wird im Gehirn derselbe Bereich aktiv, der auch beim Beobachteten aktiv ist. Das bedeutet: Das Kind spürt und empfindet den Schmerz oder das Leid, die Freude oder die Zufriedenheit der Erzieherin, und umgekehrt spürt und empfindet die empathisch wirkende Erzieherin den Schmerz und die Freude des Kindes. Sieht man beide Aspekte als zwei Seiten der Medaille, dann kann man sagen: Das Kind ist mit dem vom Erziehenden oder von den Erziehenden gestalteten Erziehungsraum leiblich und emotional verbunden. In diesem Raum begegnen sich Menschen als gleichwertige Partner auf gleicher Augenhöhe – ohne negative Zuschreibungen, ohne distanzierte Beschreibungen und Bewertungen.

Die Empathie der Erzieherin darf aber nicht zur Identifikation mit dem Kind führen. Dies würde ja bedeuten, dass sie ihre Aufgabe als situative Begleiterin nicht mehr ausfüllt, das Kind für sich vereinnahmt und dadurch seine Entwicklung behindert.

Spiegelneurone ermöglichen jedem Menschen schon ganz früh, die äußeren Bewegungen und die inneren Beweggründe der begleitenden Person im Gehirn auf neuronaler Ebene zu imitieren. Der Vorgang der Spiegelung ereignet sich simultan, intuitiv und ohne jedes Nachdenken. Von der wahrgenommenen Handlung wird eine interne neuronale Kopie hergestellt, die es dem jeweils anderen ermöglicht, die Handlung auf seine Art und Weise nachzuahmen. (Klein 2012, S. 48 f.)

Beobachten, wahrnehmen, deuten und verstehen

Sobald die pädagogische Fachkraft in der Beziehungssituation handelt, beobachtet sie unwillkürlich das Verhalten des Kindes ebenso wie das Verhalten der Gruppe. Ihr Handeln ist also mit diagnostischem Handeln eng verwoben. Sie ist bemüht, auf fehlerhaftes Verhalten des Kindes möglichst passend zu reagieren. Um aber wirklich passend reagieren zu können, muss sie zunächst versuchen, das Verhalten des Kindes einigermaßen zu verstehen. Und das ist schwierig, denn sie kann nur Vermutungen anstellen, wenn beispielsweise ein Kind, das sich gerade gewaschen hat, plötzlich anfängt zu weinen.

Die pädagogische Fachkraft wird zunächst darum bemüht sein zu fragen, was im Kind, in seinem Denken, Fühlen und Wollen wirklich vor sich geht.

Sie kann fragen:

  • Was will das Kind mit seinem Verhalten ausdrücken?
  • Was will es mir mit diesem Verhalten sagen?
  •  Welche Botschaft will es mir vermitteln?
  • Was bewegt es gerade zu diesem Verhalten?
  • Wie kann ich es mit seinen Problemen wirklich erkennen?

Um auf diese Fragen eine befriedigende Antwort zu finden, ist eine Gliederung des diagnostischen Nachdenkens in Phasen des

  • Beobachtens,
  • Wahrnehmens,
  • Deutens und
  • Verstehens

hilfreich. Die Phasen laufen nicht nacheinander ab. Sie gehen ineinander über und ergänzen einander.

Schon beim Beobachten wird deutlich, dass die (Heil-)Erzieherin nicht alles zur gleichen Zeit beachten kann: die Mimik und Gestik, die Bewegungsabläufe, die Stimme, Sprache und Atmung des Kindes. Sie trifft eine willkürliche oder auch eine unwillkürliche Auswahl. Dabei kann sie Wichtiges übersehen und Nebensächliches hervorheben. Oder sie kann eine Bestätigung ihrer Annahme suchen und finden.

Und beim Wahrnehmen wird sie dessen gewahr, was sie eben beobachtet hat. Auf dem Hintergrund ihrer Lebens- und Berufserfahrungen, ihrer Kenntnisse, ihres Denkens und Empfindens gibt sie dem beobachteten Verhalten einen Sinn.

Doch wie soll sie das wahrgenommene Verhalten deuten? Es kann mehrere Bedeutungen haben, und die Erzieherin kann zu unzutreffenden oder widersprüchlichen Schlussfolgerungen kommen. Sie wird deshalb versuchen, das beobachtete Verhalten vor ihrem „inneren Auge“ wiederholt ablaufen zu lassen und noch einmal zu überlegen, welchen Sinn das Verhalten nun wirklich haben könnte. Vielleicht kommt sie dann zu einer Deutung, die der tatsächlichen Situation des Kindes nahekommt.

Schließlich versucht sie das gedeutete Verhalten zu verstehen. Sie wird hier nach den psychischen Bedingungen, aber auch nach den körperlichen und sozialen Bedingungen des ungewöhnlichen Verhaltens fragen. Und sie wird immer wieder noch einmal zurückgehen und noch einmal beobachten, wahrnehmen und deuten, um zu einem „angemessenen und möglichst zutreffenden Verstehen zu kommen.“ (Sautter 2000, S. 86)

Diese erziehungsdiagnostische Aufgabe ist insbesondere auch bei Kindern mit primär psychosozial bedingten Entwicklungsgefährdungen geboten. Sie stellen die pädagogische Fachkraft vor neue Anforderungen, weil die belastenden Lebens- und Entwicklungsbedingungen häufig erst bei der Aufnahme in die Bildungseinrichtung erkannt werden.

Zwischenergebnis

  • Das erziehungsbegleitende diagnostische Handeln ist ein persönlicher Prozess, der sich in jeder pädagogischen Situation neu abspielt und zu keinen eindeutigen und sicheren Erkenntnissen führt.
  • Diese pädagogisch-psychologische Diagnostik kann mit dem Arzt Dr. Karl König als „wahre heilpädagogische Diagnostik“ bezeichnet werden, die der Erzieherin immer wieder eine neue Aufgabe stellt.
  • Da kein Mensch in der Lage ist, von sich abzusehen und den anderen Menschen objektiv (unvoreingenommen, unparteiisch) zu beurteilen, müssen die Beobachtungen mit anderen (heilpädagogisch-therapeutischen Fachkräften, Eltern, Ärzten) kommuniziert und reflektiert werden, um dadurch die Beobachtungs- und Beurteilungsfehler zu reduzieren.
  • Und schließlich: Da ein Kind sein Verhalten nach seiner Logik – und nicht nach der Logik des Erwachsenen – bewertet, ist es geboten, mit ihm ins Gespräch zu kommen und mit ihm nach den Ursachen und Gründen für seine Verhaltensbesonderheit zu suchen. Das trifft besonders für hyperaktive Kinder und für Kinder aus sozialen Brennpunkten und in erschwerten Lebenslagen zu.

Literaturliste:

Korczak, Janusz: Wie man ein Kind lieben soll, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1978.
Rizzolatti, Giacomo/Sinigaglia Corrado: Empathie und Spiegelneurone. Die biologische Basis es Mitgefühls, 4. Auflage, Suhrkamp, Frankfurt 2012.
Sautter, Hartmut: Pädagogisch-psychologische Diagnostik und Intuition, In: Buchka M., Intuition als individuelle Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit in er Pädagogik, Edition SZH, Luzern 2000, S. 83-95

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Inklusive Erziehung in der Krippe, Kita und Grundschule
Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks
Klein, Prof.Dr. phil Ferdinand
Oberstebrink
ISBN: 9783963046018
19,95 €