2020

Top Themen Gesundheit

Studie: Übergewicht schadet dem Gehirn

Was eigentlich längst bekannt war, ist jetzt nachgewiesen: Übergewicht schadet nicht nur dem Körper, sondern auch der Gehirnleistung. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Vermont und der Yale Universität, die bei übergewichtigen Kindern einen dünner ausgebildeten Frontlappen im Gehirn nachgewiesen haben. Demnach kann sich das Gehirn von Kindern und Jugendlichen mit einem höheren Body-Mass-Index (BMI) schlechter entwickeln als das ihrer normalgewichtigen Altersgenossen. Für die Untersuchung berücksichtigen die Forscher die Daten von rund 3200 Kindern im Alter von neun und zehn Jahren, mit denen Blutproben und Gehirnscans durchgeführt wurden. Die Wissenschaftler fordern deshalb mehr Bewusstsein für eine gesündere und ausgewogene Ernährung, die zu weniger Fettleibigkeit führe.

Die Studie wurde im Fachmagazin „Jama Pediatrics“ publiziert.

 

 


Top Themen Zeitnah

Vernachlässigung im Kindesalter beeinflusst spätere Gehirngröße

Volumen nimmt mit jedem Monat ab

Erwachsene, die als Kinder aus rumänischen Heimen adoptiert wurden, haben kleinere Gehirne als Adoptierte, die keine vergleichbare Vernachlässigung im Kindesalter erfahren haben. Je mehr Zeit die Kinder im Heim verbracht hatten, desto geringer war ihr Gehirnvolumen später. Das berichtet ein internationales Forschungsteam unter Federführung des King’s College London in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences, kurz PNAS, vom 6. Januar 2020. An der Arbeit beteiligt war auch Prof. Dr. Robert Kumsta von der Ruhr-Universität Bochum.
Mithilfe der Magnetresonanztomografie erfassten die Forscherinnen und Forscher das Gehirnvolumen von 67 Erwachsenen im Alter zwischen 23 und 28 Jahren, die in rumänischen Kinderheimen aufgewachsen waren. Dort waren sie stark vernachlässigt worden, bevor sie in englische Familien adoptiert worden waren. Die Daten verglichen die Wissenschaftler mit denen von 21 englischen Adoptierten ohne Heimerfahrung.

Volumen nimmt mit jedem Monat ab

Die Gehirne der rumänischen Adoptierten waren durchschnittlich 8,6 Prozent kleiner als die der Kontrollgruppe. Je länger die Heimerfahrung war, desto kleiner war auch das Gehirnvolumen: Jeder zusätzliche Monat in der Institution ließ das Gehirn um drei Kubikzentimeter schrumpfen, was 0,27 Prozent des Gesamtvolumens entspricht. Diese Veränderungen gingen mit einem verminderten IQ und vermehrten ADHS-Symptomen einher.

Die Forscher schlossen aus, dass das verminderte Volumen mit dem Ernährungszustand, der Körpergröße oder einer genetischen Prädisposition für ein kleineres Gehirn zusammenhing.

Schlechte Bedingungen in Heimen

Die Studie war Teil der English and Romanian Adoptees Study, die 1990 kurz nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Rumänien begann. Die Kinder kamen im Alter von wenigen Wochen in die Heime, wo sie unter extrem schlechten hygienischen Bedingungen lebten, wenig zu essen hatten, kaum persönliche Fürsorge erfuhren und selten soziale oder kognitive Anreize bekamen. Sie verbrachten zwischen 3 und 41 Monaten dort. Frühere Ergebnisse hatten bereits Langzeitfolgen für die psychische Gesundheit offengelegt. Die aktuelle Studie untersuchte nun erstmals, wie sich schwere Vernachlässigung im Kindesalter auf die Gehirnstruktur auswirkt.

Kompensation möglich

Die Veränderungen traten vor allem in drei Hirnregionen zutage, die wichtig für Organisation, Motivation, das Integrieren von Informationen und das Gedächtnis sind. Eine Hirnregion, der rechte inferiore Temporallappen, war bei rumänischen Erwachsenen allerdings größer als bei der Kontrollgruppe, was mit verminderten ADHS-Symptomen einherging. Laut den Forschern ein Zeichen für eine Anpassung, die die negativen Folgen der Vernachlässigung anteilig kompensieren kann. Solche Effekte könnten auch erklären, warum manche Individuen weniger von der Vernachlässigung betroffen zu sein scheinen als andere.

Förderung

Die Studie wurde unterstützt von: Medical Research Council (Grant MR/K022474/1), Economic and Social Research Council (Grant RES-062-23-33), National Institute for Health Research (NIHR) Clinical Research Network, NIHR Biomedical Research Centre, Maudsley National Health Service Foundation Trust. Die Erstautorin Dr. Nuria Mackes hat an der RUB Psychologie mit dem Schwerpunkt Kognitive Neurowissenschaften studiert und wurde durch ein Promos-Stipendium unterstützt.
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Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Robert Kumsta
Genetische Psychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 22676
E-Mail: robert.kumsta@rub.de
Quelle: Pressemitteilung Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum


Top Themen Ernährung

Bio-Städte: Mehr Bio in Kitas und Schulen

Bio-Städte bringen Bio in die Außer-Haus-Verpflegung

Durch politische Beschlüsse in den Bio-Städten steigt vor allem in Schulen und Kitas der Einsatz von Bio-Lebensmitteln. Das Netzwerk der deutschen Bio-Städte ist in den letzten Jahren stetig gewachsen und zählt aktuell 19 Mitglieder. Die Mitglieder nutzen den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und können gemeinsam Projekte auf den Weg bringen, die einzelne Bio-Städte alleine nicht stemmen könnten. Dazu hat das Netzwerk im Herbst 2019 den "Verein zur Förderung der Bio-Städte e.V." gegründet. Auch andere Kommunen, die mehr Bio-Produkte in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung einsetzen möchten, können von den Erfahrungen in den Bio-Städten profitieren. Eine gute Möglichkeit, um sich zu informieren, ist der Kongress Stadt-Land-Bio, der Mitte Februar parallel zur Biofach in Nürnberg stattfindet.

Keine Blaupause – aber viele Lösungen

Allerdings gibt es keine einheitliche Blaupause, die interessierte Städte und Gemeinden als Vorlage für die Umstellung auf Bio-Lebensmittel verwenden können. Jede Kommune muss für sich herausfinden, welche Lösung für sie am besten geeignet ist. Die folgende Tabelle zeigt, wie unterschiedlich die Situation in verschiedenen Städten ist. Nicht alle Bio-Städte sind hier aufgeführt. Teilweise lagen die Daten bei Redaktionsschluss nicht vor oder sind aus anderen Gründen nicht verfügbar. Wichtig ist: Maßstab für die Prozentwerte ist in der Regel der Bio-Anteil am monetären Wareneinsatz. Nur bei den mit einem Sternchen gekennzeichneten Zahlen ist die Bezugsgröße das Gewicht beziehungsweise Volumen der eingesetzten Lebensmittel.

Empfehlungen aus den Bio-Städten

So unterschiedlich die Verhältnisse in den einzelnen Bio-Städten auch sind – aus den Erfahrungen lassen sich einige allgemeine Empfehlungen ableiten:

  • Es hat sich bewährt, den Bio-Anteil schrittweise zu steigern und sich dabei aber stets herausfordernde Ziele zu setzen.
  • Verbindliche Beschlüsse durch den Stadtrat sind als Rückendeckung entscheidend.
  • Das "organische Wachstum" erlaubt es, Erfahrungen zu sammeln und geeignete Lieferstrukturen aufzubauen.
  • "Bio" und "regional" sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wo es geht, kann man beides kombinieren. Ansonsten sind pragmatische Lösungen angesagt, wie beispielsweise mehr bioregionale Produkte im Sommerhalbjahr.
  • Die Umstellung auf Bio sollte mit einer guten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden: Denn die Vorteile und Bedeutung einer Verpflegung mit Bio-Lebensmitteln und des Ökolandbaus müssen immer wieder neu erklärt werden.

Weitere Informationen auf oekolandbau.de


Top Themen Weiterbildung

Nachhaltig leben lernen

69. Internationale Pädagogische Werktagung Salzburg

Nachhaltiges Leben ist ein erfülltes und gutes Leben, ganz im Sinne des großen Philosophen Aristoteles – Eudaimonie: Glück aus dem, was wir selber schaffen, und weniger aus dem, was wir konsumieren und dann oftmals wegwerfen.

Folgende Themen werden unter anderem erörtert:

  • Wie ist unsere faktische klimatologische/ökologische Situation?
  • Ist unsere Gaia – unsere Mutter Erde – noch zu retten?
  • Wie entwickelt sich das Umweltbewusstsein von Kindern und Jugendlichen?
  • Welche Konzepte in der Nachhaltigkeitspädagogik haben sich bewährt?

Programm:

Vorträge mit renommierten Expertinnen und Experten:

  • Barbara Benoist-Kosler, Pädagogische Hochschule Innsbruck
  • Lothar Böhnisch, Freie Universität Bozen
  • Andreas Jäger, Wien
  • Pater Johannes Pausch, Europakloster Gut Aich
  • Michael Rosenberger, Katholische Privat-Universität Linz

Podiumsdiskussion mit Expertinnen und Experten

vielfältiges Angebot an Arbeitskreisen:

Konsumkritischer Stadtspaziergang, Filmische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitspädagogik, teamGlobo, Biologische Ernährung/Landwirtschaft, Malspiel und die Natürliche Spur, PILGRIM, Umweltbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung im Botanischen Garten, Innovationsentwicklung mit digitalen Technologien, Upcycling in der OK.Werkstatt, Südwind, Lebensstrom „Atem“, Achtsamkeit, Theaterpädagogik, Therapeutisches Gärtnern, Leseanimation/Kinderliteratur

SALZBURG ERLEBEN – ein spannendes kulturelles Rahmenprogramm

Beginn: Mi, 15. Juli 2020 | 14.30 Uhr
Ende: Fr, 17. Juli 2020 | 16.30 Uhr
Ort: Große Universitätsaula Salzburg

Anmeldemöglichkeit und detailliertes Programm ab Februar 2020
www.bildungskirche.at/Werktagung


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Wie Kinder lernen, Entscheidungen zu treffen

Zum Entscheiden erziehen, zum Handeln befähigen

Erwachsene bereiten Kinder in vielen Situationen auf das Leben vor, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Sie helfen ihnen durch den Dschungel der möglichen Alternativen und bringen ihnen bei, sich für einen nächsten, zu seinen Vorstellungen passenden Schritt zu entscheiden, um handlungsfähig bleiben zu können. Sie erlösen Kinder von der lähmenden Qual der Wahl und wirken so als Starthilfe für neue Aktionen. Wie wichtig es für Kinder ist, entscheiden zu dürfen, um auch handeln zu können, sehen Sie an folgenden Beispielen.

Etwa im Alter von sieben Monaten beginnen Kinder, sich von ihren Bezugspersonen kurzfristig eigenständig zu entfernen. Eine neue Dimension des Erkundens und Lernens steht an. Vorausgesetzt, eine feste Bindung zu den Bezugspersonen, hat die für eine beginnende Unabhängigkeit notwendige Sicherheit entstehen lassen. Solche Exkursionen finden anfangs nur innerhalb des Sichtbereichs der Eltern statt. Der Aktionsradius wird dann mit zunehmendem Alter immer größer und auch kurzzeitig auf Gebiete außerhalb des Blickfeldes der Mutter ausgedehnt. Die Kinder kehren bei Unsicherheit und Angst sofort zur Mutter – ihrer Sicherheitsbasis – zurück. Sie kommen aber auch – ohne erkennbaren äußeren Anlass – regelmäßig zu ihr zurückgekrabbelt oder -gelaufen, um sich ihrer Anwesenheit zu versichern. Sie lächeln, lehnen sich kurz an ihr Knie und verschwinden wieder.

Dieses kurze emotionale Auftanken geht mit etwa 1  1/2 Jahren immer mehr von einer direkten körperlichen Annäherung in eine optische oder akustische Rückversicherung über. Ein kurzer Blick oder ein Anrufen reicht – nach dem Motto: „Ist meine Zuflucht noch da, jederzeit erreichbar und immer ansprechbar? Kann ich weiterspielen, oder muss ich in der fremden Umgebung Angst haben?“ Diese Art der Rückversicherung ist eine Kontakthalte-Strategie auf Entfernung.

Lassen wir unsere Beispiel-Kinder noch etwas älter werden. Jetzt holen sie sich ihre Informationen zur Spielsituation immer öfter über abfragende Blicke zur Bezugsperson – ein Phänomen, das als „soziale Bezugnahme“ bezeichnet wird. Wenn etwas unerwartete Geräusche von sich gibt, ein fremdes Kind sich immer näher spielt oder ein Hund auftaucht, schaut das Kind seine Mutter an und versucht, mithilfe ihres Gesichtsausdrucks die Lage einzuschätzen. Je nachdem traut es sich, allein weiter zu erkunden oder nicht. Dann kommt es notfalls sogar angerannt. Das Kind holt sich Informationen zur Situation und überprüft, ob die eigenen und die mütterlichen Empfindungen vergleichbar sind.

Auf Spielplätzen kann man, wenn man sich etwas Zeit nimmt, eine überraschende Beobachtung machen: Der Start eines Kleinkindes im Sandkasten lässt Voraussagen über den weiteren Spielverlauf beim Buddeln zu.

Kinder, die nach der Ankunft am Spielplatz noch ein Weilchen bei ihren Eltern sitzen, sich umschauen, schmusen oder direkt neben der Bank ein kleines Spiel beginnen und dann von sich aus in den Sandkasten krabbeln, spielen dort bedeutend länger für sich allein oder auch mit anderen Kindern zusammen als die Kinder, die von ihrer Mama oder ihrem Papa nach der Ankunft recht schnell in den Sand zum Spielen gesetzt werden. Die kommen nämlich oft sofort wieder angekrabbelt oder spielen nur ganz kurz und suchen ganz schnell wieder den Kontakt zu Mutter oder Vater.

Der Unterschied: Fasst das Kind selbst den Entschluss und bestimmt den Zeitpunkt, von den Eltern weg in den Sandkasten zu gehen? Oder geben die Eltern den Startschuss zur Trennung und für ein neues Spiel – zu einem Zeitpunkt, der ihnen der richtige zu sein scheint?

Vielleicht könnte das Kind nach einigen weiteren Minuten in Elternnähe besser vorbereitet aufs Alleinspiel oder einen Kontakt mit anderen Kindern starten. Es ist klar, dass eine Trennung genau dann für das Kind am besten ist, wenn es sich orientiert hat und kaum mehr Bedürfnis nach Elternkontakt verspürt – wenn seine emotionalen Akkus voll aufgeladen sind und es gleichzeitig maximal spielbereit ist. Dann kann es losmarschieren und sich auf ein langes, genussvolles Spiel einlassen. War es seine Entscheidung, spielen zu gehen, dann kann es auch aktiv werden.

Eine geringfügige Änderung des elterlichen Verhaltens hat eine große Wirkung.

Alleinsein lernt man zu zweit.

Eine 1990 von japanischen Psychologen veröffentlichte Untersuchung zum Säuglingsverhalten überraschte die Fachkreise: Bereits im zweiten Lebensmonat zeigen Kinder Stress-Anzeichen, wenn ihre Mutter den Raum verlässt und eine fremde Person hereinkommt – und zwar in Form von Temperaturveränderungen ihrer Stirnhaut. Derartige Reaktionen hatte so kleinen Säuglingen niemand zugetraut. Die ersten Differenzierungsleistungen zwischen „bekannt“ und „fremd“ hatten vorher alle erst im sogenannten Fremdelalter – frühestens mit sechs oder acht Monaten erwartet. Dann ist bekanntermaßen bei vielen Kindern auf das Näherkommen von nicht bekannten Personen mit Fremden-Abwehrreaktionen zu rechnen. Dieses Abwenden des Kopfes, Weinen, Wegstoßen und lautstarkes Verlangen nach der Mutter sind nicht Zeichen einer übergroßen Ängstlichkeit, sondern Signale einer nun erreichten Entwicklungsstufe – nämlich der des individuellen Erkennens und somit der Unterscheidung zwischen einem bekannten, vertrauten Gesicht und einem bislang unbekannten Gesicht.

Bis zu dieser aufsehenerregenden Beobachtung in Japan war man davon ausgegangen, dass ein Säugling, der nicht zu schreien beginnt, wenn die Mutter weggeht, ihre kurze Abwesenheit entweder überhaupt nicht registriert, die Situation als nicht aufregend einstuft oder die Präsenz einer beliebig anderen Person als ausreichend beruhigendes Anwesenheitssignal akzeptiert. Nach diesem Ergebnis war aber klar, dass Säuglinge bereits kurz nach der Geburt – der ersten großen Trennung – kleine Trennungen von einem vertrauten Menschen durchaus wahrnehmen und physiologisch messbaren Stress erleben.

Sollten Eltern ihrem Kind diesen speziellen Stress ersparen? Sollten sie versuchen, jegliche Trennung zu vermeiden – bis ...? Und ab wann ist ein Kind eigentlich trennungsfähig, das heißt nach einer Trennung auch wieder handlungsbereit? Eine absolute Trennungsvermeidung ist unmöglich und scheint, auf den weiteren Entwicklungsverlauf bezogen, auch nicht angebracht zu sein, da schon die frühen Jahre immer wieder automatisch kleine Trennungen mit sich bringen. Und auf die sollte ein Kind vorbereitet werden. Den Umgang mit Trennungen muss man lernen.

„Alleinsein lernt man zu zweit“ – ein Leitsatz der Interaktionsforschung. Die beste Vorbereitung stellt eine feste Bindungserfahrung zu einem engen Kreis vertrauter Bezugspersonen dar. Es ist schon ein großer Schritt an Autonomie getan, wenn ein Kind sich im Beisein seiner Bezugsperson(en) allein beschäftigt. Typisch für das erste Lebensjahr ist, etwas allein machen zu wollen – das bedeutet aber nicht gleichzeitig, allein sein zu wollen. Es gehört zum Entwicklungsprogramm der ersten Lebensjahre zu lernen, dass Bezugspersonen auch dann noch existent sind und weiterhin Sicherheit vermitteln können, wenn sie im Moment gerade nicht da sind. Mit mehr Verständnis für das Geheimnis von Beziehungen nehmen auch die selbstregulatorischen Fähigkeiten zu. Wer über eine gute Bindung verfügt, erlebt sie nicht als einschränkende Abhängigkeit, sondern genießt und begreift sie als gestaltbaren Freiraum, der Autonomie erst möglich macht. Man könnte mittlerweile den Eindruck gewonnen haben, dass ein Trennungswunsch immer nur auf Seiten der Bezugsperson besteht. Dem ist aber nicht so. Bereits von Anfang an haben auch Kleinstkinder den Wunsch, sich hin und wieder zu distanzieren. Das zeigt sich bereits in einer typischen Blickinteraktion zwischen Säugling und Bezugsperson: Nach Phasen intensiven Blickkontakts folgen immer wieder Phasen deutlicher Blickabwendung durch das Baby. Bereits Säuglinge brauchen diese Momente des „Für-sich-Seins“, der Abgrenzung, in denen sie sich von den Anstrengungen einer Interaktion – die ja auch sehr fordernd sein kann – erholen und sich auf sich selbst und auf eigene Aktivitäten konzentrieren können.

Ältere Kinder kokettieren mit ihrer zunehmenden Autonomie. Sie spielen mit der Trennung, indem sie gezielt Interaktionen herbeiführen, während der sie zeitweilig eigenbestimmt verschwinden, um dann wieder aufzutauchen. Sich die Augen zuhalten, sich ein Tuch über den Kopf ziehen oder sich irgendwo im Haus oder Garten verstecken – das sind Spiele, die sie für einen kurzen Moment in eine ganz eigene Welt transportieren. Diese spielerische Trennung behält jedoch nur so lange ihren Reiz, solange klar ist, dass die Mutter auch wieder da ist, wenn man die Augen öffnet oder das Tuch abzieht. Verstecken ist nur dann witzig, wenn man zuerst deutlich geäußert vermisst wird, dann intensiv und leicht erregt gesucht und schließlich voll Freude und Erleichterung wiedergefunden wird.

Kindliche Trennungsspiele haben feste Regeln: Das Kind muss die Kontrolle über die Situation behalten, jederzeit Einfluss nehmen und „Stopp“ sagen können. Sonst nimmt die Angst überhand – und es ist nur noch erschreckend. Die Momente des selbstgewählten Alleinseins dehnen sich im Laufe der Entwicklung zu immer längeren Phasen aus, in denen sich ein Kind mit sich selbst spannend und voll Spaß beschäftigt. Mit sich selbst etwas anfangen zu können, verstärkt Kompetenz-gefühle. Es ist auch toll, eigene Ideen zu haben, sie durchführen zu können und sich dabei wohlzufühlen. Durch eine Unzahl gewinnbringend verarbeiteter kleiner Trennungserfahrungen erlebt ein Kind viele Male, dass es auch gut sein kann, mal allein zu sein – eine wesentliche Voraussetzung, sich selbst zu mögen.

Ein gelungener Umgang mit Nähe und Distanz, mit Bindung und Autonomie lässt sich jedoch nicht von außen oder auf Elternwunsch beschleunigen. Das zeigen die oben beschriebenen Spielplatz-Beobachtungen und neue Ergebnisse aus Kinderkrippen. Zu frühe, zu wenig vorbereitete, vom Kind ungewollte, von Erwachsenenseite jedoch forcierte Trennungen führen nicht zu einer schneller gesteigerten Autonomie, sondern nur zu einem – auch hormonell messbaren – Stressanstieg.

Wichtig bei einer Trennung ist nicht nur, wer geht – sondern auch, wer beim Kind bleibt. „Alte“ und „neue“ Bezugsperson müssen für das Kind zuerst einmal gemeinsam eine Brücke zwischen seinen Welten schlagen. Gelingt es der Krippenerzieherin, Tagesmutter oder Babysitterin während einer behutsamen Eingewöhnung, im Beisein von Mutter oder Vater eine Beziehung zum Kind aufzubauen – mit ihm zu spielen, zu streiten und zu lachen –, dann kann das Kind eine vorübergehende Trennung von der Hauptbezugsperson akzeptieren, ohne großen Stress und ohne lähmende Trauer. Die Trennungszeit wird dann nicht nur überstanden, sondern genussvoll erlebt. Aber genau das will erst einmal gelernt sein. In kleinen Häppchen muss die Trennung serviert werden, damit sie für das Kleinstkind verdaulich wird.

In der Eingewöhnungsphase dienen kurze Trennungen von der Mutter zum Austesten, ...

  • ob der Trennungsschmerz zu bewältigen ist.
  • ob die neue Bezugsperson vom Kind akzeptiert wird.
  • ob sie in der Lage ist, als vorübergehende Sicherheitsbasis zu fungieren, die es dem Kind erlaubt, auch in der neuen Umgebung aktiv zu werden

Klappt das – und nur dann –, kann man langsam die stundenweisen Trennungen zu halb- oder sogar ganztägigen Trennungsphasen verschmelzen lassen.

Um die Zeit des Getrenntseins besser verkraften zu können und um das Band zur geliebten Person noch einmal zu bestärken, bevor es auf seine Festigkeit getestet wird, haben sich Abschieds-rituale entwickelt. Bereits kleine Kinder winken, wenn sie sich verabschieden. Ihr Abschieds-Spektrum wird durch Zärtlichkeiten und verbindende Worte immer größer. Kinder, die in der Lage sind, Abschiedsgesten zu zeigen, akzeptieren die nun anstehende Veränderung. Sie haben gelernt, mit kleinen Trennungen umzugehen, und sind nach dem Fortgang der Bezugsperson weniger angespannt und spielfreudiger.

Am schwersten fallen Kindern Trennungen im Alter von 12 bis 15 Monaten. Jetzt wissen sie schon, was eine Trennung bedeutet, verfügen aber noch über zu wenig Trennungs-Know-how, um locker damit fertig zu werden. Wenn sie etwas älter und erfahrener mit Abschieden und Rückkehr sind, können sie allmählich immer besser damit umgehen. Der Abschied wird in der Gewissheit, sich „in alter Form“ wiederzusehen, leichter zu bewältigen. Jetzt erzählen sie ihren Eltern auch stolz, dass sie nach der Trennung am Morgen eigene Wege gegangen sind und in der Zwischenzeit etwas Tolles ohne sie erlebt haben. Das sollen die Eltern bewundernd zur Kenntnis nehmen.

                Kinder, die Abschiedsgesten zeigen, haben gelernt, mit kleinen Trennungen umzugehen

Diesen Artikel haben wir folgendem Buch entnommen:

Stark von Anfang an
Kinder auf dem Weg zur Resilienz begleiten

Haug-Schnabel, Gabriele
Schmid-Steinbrunner, Barbara
Oberstebrink
ISBN: 9783934333451
20,00 €

Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




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Die Ausbildung elementarpädagogischer Fachkräfte in der Diskussion

Grundsatzgedanken

Schon die bei den alten Griechen vorherrschende Einsicht „Panta rhei“ – alles ist im Fluss – kann auch auf die aktuelle Diskussion um eine grundlegende Reform der Erzieherausbildung übertragen werden. Auf der einen Seite ist die derzeitige Auseinandersetzung in keinerlei Hinsicht neu! Schon seit Ende der Siebzigerjahre wurden immer wieder vielfältige Studien zur Ausbildungssituation und der Berufs(un)zufriedenheit von ErzieherInnen erhoben und in Positionspapieren/Fachartikeln/Büchern publiziert. Gleichzeitig wurden ständig mehr als deutlich dringend notwendige Änderungen im Ausbildungsbereich angemahnt und gefordert. Auf der anderen Seite scheint der „Fluss der offensichtlich notwendigen Reformen“ nun die ultimative Lösung gefunden zu haben: die akademisierte Ausbildung von Erzieher/-innen auf der Ebene eines sechs- bzw. siebensemestrigen Hochschulstudiums, verbunden mit dem akademischen Abschluss „Bachelor of Arts (B. A.)“.

Veränderung in der Ausbildung von Erzieher/-innen: eine unumgängliche Notwendigkeit

Dabei spielt immer wieder der Hinweis auf die Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher in den anderen EG-Ländern eine große Rolle. So gibt es beispielsweise in Großbritannien ein dreijähriges Universitätsstudium (mit einem Anerkennungsjahr), in den Niederlanden existiert eine vierjährige integrierte Erzieher- und Lehrerausbildung (Abschluss: Basislehrer) und in Frankreich sieht die Ausbildung ein dreijähriges Studium an einer pädagogischen Hochschule vor.

Die Notwendigkeit, die Erzieherausbildung zu verändern, ergab bzw. ergibt sich folgerichtig aus zwei Ausgangsdaten. Zum einen war und ist es die Kritik an der erlebten Ausbildung, die von vielen Erzieher/-innen selbst kam/kommt: (A) Es wurde/wird zu wenig bzw. einseitiges oder veraltetes Fachwissen vermittelt (vor allem in den Bereichen Entwicklungs- und Erziehungspsychologie). (B) Die Grundlagenorientierung im Hinblick auf arbeitsrelevante Schwerpunkte war/ist lückenhaft (z. B. zur UN-Charta Rechte des Kindes, zu den unterschiedlichen pädagogischen Ansätzen, zum „Berufsbild der Erzieher/-innen“, zu den spezifischen Inhalten der länderhoheitlichen Bildungsrichtlinien, zur Erstellung von qualitätsorientierten Situationsanalysen, zur vollständigen Betrachtung aller aktueller Qualitätsevaluierungsverfahren). (C) Die Ausbildungsinhalte haben einen deutlich zu geringen Praxisbezug. (D) Bedeutsame Schwerpunkte der Arbeit seien gänzlich unbeachtet geblieben (z. B. Vorbereitung auf eine Leitungstätigkeit; Konfliktmanagement; Rhetorik für schwierige Gesprächssituationen; effiziente Beratungsmethoden für Eltern; Team- und Zeitmanagement; Prophylaktische Pädagogik im Hinblick auf Entwicklungsstörungen …) und Lehrkräften fehle es eindeutig an eigenen Praxiserfahrungen in den Arbeitsfeldern, auf die sich ihre Unterrichtsinhalte beziehen. Sie schienen selbst relativ wenige Fortbildungen zu besuchen, ihre Selbstkritik sei kaum vorhanden und ihr Engagement befinde sich eher auf einem niedrigen Skalierungswert.

Stellungnahmen zur Notwendigkeit von Reformen

Zum anderen liegen unterschiedliche Stellungnahmen und Forderungskataloge von Verbänden und wissenschaftlichen Instituten vor, die ebenfalls in den vergangenen Jahren sehr eindringlich Reformen in der Ausbildung von Erzieher/-innen angemahnt haben. Beispielsweise die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Fachgruppe Kinder- und Jugendhilfe der Fachabteilung des DiCV, der Bayerische Landesverband Katholischer Tageseinrichtungen e.V., die Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe als Deutsches Nationalkomitee der Weltorganisation für frühkindliche Erziehung, der Pestalozzi-Fröbel-Verband (Berlin), Deutsches Jugendinstitut (DJI), der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge (Berlin), das Comenius Institut (Münster), die Gewerkschaften ÖTV und ver.di, das bayerische Institut für Frühpädagogik oder die Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Ausbildungsstätten für Erzieherinnen und Erzieher.

Schließlich ergaben sich auch durch den raschen gesellschaftlichen Wandel und die damit verbundenen soziokulturellen Veränderungen immer wieder neue Herausforderungen, mit denen derzeitig tätige und neu ausgebildete Erzieher/-innen konfrontiert sind. Die Lebenssituationen von Kindern, Jugendlichen und deren Familien haben sich ebenso verändert wie die Lebensentwürfe vieler Eltern. Wertmaßstäbe und Werteorientierungen verschieben sich in neue Dimensionen und neue, arbeitsspezifische Notwendigkeitenen verändern den Beruf von Erzieher/-innen nachhaltig (beispielsweise die Entwicklung der Kindertagesstätte zum Familienzentrum; die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen externen Fachdiensten, die Erstellung von Bildungsdokumentationen, Qualitätszertifizierungen, progressive Öffentlichkeitsarbeit, Interkulturalität in den Einrichtungen und die damit verbundenen interreligiösen Herausforderungen an Kinder und Erzieher/-innen …).

Veränderungen müssen mehr sein als kleine kosmetische Reparaturen

Anhand der genannten Aspekte wird deutlich, dass sich die Tätigkeit von Erzieher/-innen in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern einerseits in einem massiven Wandlungsprozess befindet und andererseits die Ausbildung der Erzieher/-innen darauf zu reagieren hat. Eine solche Änderung kann und darf allerdings nicht in „kleinen ­Reförmchen“ geschehen, wie es beispielsweise immer wieder versucht ­wurde. Auch wenn Ausbildungsschulen ihr Profil selbst überprüft und einzelne Strukturänderungen in ihren Ausbildungsgängen installiert haben, so blieb „der große Wurf“ in den allermeisten Fällen aus.

Ausgehend von den umfangreichen Praxiserfordernissen an eine professionell tätige Fachkraft, an eine qualitätsgeprägte Tätigkeit und ausgehend von den Forderungen der Verbände bzw. der Wissenschaft stellt sich die nächste Frage: Welche immer wiederkehrenden Kritikpunkte wurden in der Vergangenheit an der Fachschulausbildung vor allem laut und welche Innovationen wurden angemahnt? Zunächst ging es um bisher übliche Fächerorientierung mit ihrer festen, zeitlich aufgeteilten Stundenplanstruktur und die fehlende interdisziplinäre Zusammenfügung unterschiedlicher Schwerpunktfächer. Selbst die vorgenommene Umstellung in die sogenannte Lernfelddidaktik steht dabei wiederum in der Kritik, weil die zusammengeführten Inhalte die in einigen Fällen notwendige Trennschärfe mancher Schwerpunkte unberücksichtigt lässt und dadurch entsprechende Inhaltsvertiefungen außer Acht lässt. Darüber hinaus führte die durchweg verschulte Unterrichtsform zu dem bekannten „Frontalunterricht“, der einem aktiv beteiligten, forschenden und prozessorientierten Lernen abträglich war. Gleichzeitig kamen fächerübergreifende Projekte zu kurz, obgleich sie den auszubildenden Frauen und Männern wichtige Lernerfahrungen ermöglichen könnten und gleichzeitig fanden aktuell hoch bedeutsame Lerninhalte (beispielsweise neurobiologische Erkenntnisse und ihre Bedeutung für die Gestaltung der Frühpädagogik; Resilienzforschung; Medienpädagogik; betriebswirtschaftliches Denken und Handeln in sozialpädagogischen Einrichtungen, die differenzierte Betrachtung einer „Bildung aus erster Hand“ und einer „Bildung aus zweiter Hand“ …) nur selten eine Berücksichtigung im Unterricht. Ausgiebige Fachdiskussionen (im Sinne einer produktiven Streitkultur) wurden/werden kaum gepflegt, individuelle Lernvoraussetzungen der Frauen und Männer wurden/werden zu wenig während der Ausbildung berücksichtigt und vor allem haben es viele Ausbildungseinrichtungen nicht geschafft, die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten/Fachhochschulen/Hochschulen und Universitäten zu suchen und zu pflegen. Damit hätte es zu einer weitaus besseren Vernetzung von einer aktuell geprägten „Theorievermittlung“ und zur Verfügung stehenden „Forschungsgrundlagen“ gegeben, durch die entsprechenden Innovationen in die Fachschulen hätten integriert werden können. Und letztendlich – als einen ganz zentral zu nennenden Punkt – wurde/wird zu wenig Wert auf die „Persönlichkeitsentwicklung“ der Auszubildenden gelegt! Und sollte dies dennoch in manchen Ausbildungsschulen der Fall gewesen sein, so waren/sind ihre Versuche in vielen Fällen nicht sehr erfolgreich, was eine nachhaltige Bildung(!) kennzeichnen würde. Die Gründe dafür sind sicherlich sehr vielfältig und die Hintergründe bedürfen einer sorgsamen Betrachtung. Dennoch ändert dies nichts an den eben genannten Ausgangsdaten.

Veränderungen verlangen Grundsatzreformen!

Bei allen Diskussionsaspekten – und das sollte der zentrale Ausgangspunkt bei einer anstehenden Grundsatzreform sein – geht es weder um die ständigen Hinweise auf „europäische Standards“ noch um eine Schwarz-Weiß-Malerei im Abgleich von Fachschulen oder Fachhochschulen, Hochschulen oder einer universitären Ausbildung. Solche politischen oder berufsstandorientierten Dimensionen können nur zu dogmatischen Stellungskämpfen führen, die an der Sachorientierung vorbeigehen.

Vielmehr ist die Frage zu beantworten, welche Kompetenzen Erzieherinnen und Erzieher für eine qualitativ hochwertig zu gestaltende Pädagogik benötigen und wie sie durch ihre Ausbildung zu einer identischen, professionellen Fachkraft werden können. Die Anforderungen und Aufgabenstellungen haben sich daher stets aus der PRAXIS abzuleiten!

Worum muss es daher in erster Linie gehen? Wenn „Professionalität und Qualität im Beruf von Erzieher/-innen“ als eine apriorierte, ausschlaggebende Grundlage angesetzt wird, so geht es zunächst immer um eine PERSÖNLICHKEITSBILDUNG der Fachkräfte. Dabei ist es völlig unerheblich, auf welcher „Ausbildungsebene“ dies geschieht – Hauptsache ist, dass dieser basisbildende Anspruch erfüllt wird. So muss es in der Ausbildung gelingen, künftige sozialpädagogische Fachkräfte in BILDUNGSPROZESSE zu bringen, die beispielsweise folgende Merkmale provozieren, aktivieren und stabilisieren:

Selbstständigkeit, autonomes Handeln, eine selbstkritische und realistische Reflexion der eigenen Person und der geleisteten Arbeit, Zivilcourage, Mut, Wahrnehmungsoffenheit für bedeutsame Anforderungen, eine selbst gesteuerte Leistungsmotivation, Veränderungsbereitschaft, Neugierde an einer permanenten, persönlichen Weiterentwicklung, Interesse an Wissenszuwachs, Forschergeist, Engagement, Authentizität, Kommunikationsfähigkeit, Experimentierfreude, Querdenken, Aufmerksamkeit und Konzentration für bzw. auf wesentliche Aufgaben, Reflexionsbereitschaft über handlungsleitende Werte, Freude an einem lebenslangen Lernen, Verantwortungsübernahme, Verlässlichkeit, Aufgeschlossenheit allem Neuen gegenüber und eine (selbst)kritische Überprüfung, Sach- und Wissenschaftsorientierung bei Fachauseinandersetzungen, Null-Toleranz bei politisch radikalen Weltwahrnehmungen, Selbststeuerungsfähigkeit in belastenden Situationen …

So ist es immer die PERSON als sozialpädagogische Fachkraft, die mit ihren intrapersonalen Merkmalen ihre Arbeit gestaltet!

Innovationen sind unumgänglich und daher angesagt.

Diese tragen dann beispielsweise dazu bei, Teamfähigkeit zu zeigen, Gruppenprozesse aktiv und konstruktiv mitzugestalten, innovative Gedanken zu entwickeln und durch praktische Handlungsvollzüge in der Einrichtung zu installieren, durch vorhandene Fachkompetenzen auf Entscheidungsträger aktiven Einfluss zu nehmen, Entwicklungsprozesse im Innen- und Außenbereich der Arbeit bewusst zu steuern oder eine qualitätsorientierte Konzeption auf der Grundlage der vorzufindenden Infrastruktur zu erstellen, eine professionelle Situationsanalyse ­vornehmen und qualitätsorientiert auswerten zu können, die unterschiedlichen pädagogischen und therapeutischen Ansätze in ihren spezifischen Merkmalen zu erfassen und einen Ansatz zu identifizieren, der für die betreffende Arbeit fachlich begründet und integriert werden kann … Weitere Beispiele könnten endlos folgen.

Alle vier Ausbildungsorte – Fachschulen und Fachhochschulen/Hochschulen/Universitäten – haben sich dieser obersten primär orientierten Aufgabe zu stellen. Dabei wird es darauf ankommen, durch entsprechend didaktische Schwerpunkte und methodische Gestaltungselemente der Lernsituationen den Schülerinnen und Schülern bzw. Studentinnen und Studenten genau diese „Schlüsselkompetenzen“ nahezubringen, damit sie ihre künftige Tätigkeit situationsangemessen, authentisch, qualitäts­orientiert und professionell gestalten. Wenn allerdings die zukünftige Fachhochschulausbildung (mit B.-A.-Abschluss) so „verschult“ (mit einem festgelegten „Stundenplan“ und fächerunvernetzt) sowie „praxisfern“ und „wissenschaftsverliebt“ (mit Professoren ohne eigene, aktuelle Praxiserfahrungen) abläuft, wie es zurzeit in einigen Fachhochschulen der Fall ist, dann wird die angemahnte, heiß diskutierte und eingeleitete Ausbildungsreform zum erneuten großen Flop. Alle angemahnten Innovationsnotwendigkeiten konzentrieren sich dann lediglich auf eine „wissenschaftlich fundierte Lehre“, anstatt zu begreifen, dass dies nur ein (= 1) Baustein in einem großen Gesamtpaket ist. In der Schulsprache hieße das: „Thema verfehlt, setzen, Sechs!“ Weiterhin ist es im Sinne der Aufgabenstellung überaus abträglich, wenn die unterschiedlichen Ausbildungsstätten miteinander konkurrieren und in einen Wettstreit treten würden – dabei kann es nur Sieger und Verlierer geben. Kooperation heißt das „Zauberwort“ – ein Lernziel, das schon in den Bildungsrichtlinien der Elementarpädagogik als Lernziel für Kinder formuliert ist. Würden Lehrkräfte an Fachschulen und Dozenten/Professoren an (Fach-)Hochschulen und Universitäten die für deren Klientel formulierten Lernziele als eigene Lernherausforderungen ansehen, verstehen, aufgreifen und umsetzen, wären die anvisierten Reformen leicht umsetzbar, unabhängig davon, auf welcher Ausbildungsebene dies geschieht.

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Grundlagen der Elementarpädagogik
Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548036
24,95 €

Mehr dazu auf www.burckhardthaus-laetare.de


Top Themen Weiterbildung

Bewegte Spiele für die Gruppe!

Integration und Zusammenarbeit stärken!

Für die Arbeit mit Kindern, vor allem mit Kindern mit Fluchterfahrung und unterschiedlichem kulturellen Hintergrund, braucht es Spiele, die Bewegung und ein konstruktives Miteinander fördern.

Besonders eignen sich einfache, bewegte Spiele, die wenig Material und sprachliche Erklärung benötigen. Ein international erprobter Fairplay-Würfel kann darüber hinaus helfen, in der Gruppe spielerisch Gemeinschaft zu erfahren und soziale Kompetenzen wie gegenseitiger Respekt, Vertrauen und Teamgeist zu erleben.

Im Anschluss an die Weiterbildung können Interessierte die erlernten Inhalte in einem Spielprojekt in einer Flüchtlingseinrichtung in München umsetzen.

Kursinhalte:

  • Bewährte Spiele ausprobieren, die wenig oder kein Material brauchen
  • Spiele zur Förderung von Kooperation und Bewegung bei unterschiedlichen Altersgruppen und Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen
  • Impulse zum Anleiten von Spielen und Änderung der Spielregeln
  • Grundidee und Umsetzung des internationalen Projektes „Sports4Peace – Soziales Lernen durch Spiel und Bewegung“

Zielgruppe:

PädagogInnen, ErzieherInnen, LehrerInnen, Ehrenamtliche und alle Interessierten

Leitung:

Dr. Alois Hechenberger, Spiellandschaft Stadt e.V.

Zeit:

Donnerstag, 26. März 2020, 14.00-17.00 Uhr

Ort:

Spielhaus Westkreuz, Aubinger Str. 57, München – Westkreuz
Teilnahmegebühren: 20 €

Zum Referenten Dr. Alois Hechenberger

Zweijährige Mitarbeit an der San Francisco State University/ USA bei Bill Michaelis, Dozent für Spielpädagogik an den Universitäten Bozen, Innsbruck, München und den Fachhochschulen Luzern und St. Gallen, Referent in der Weiterbildung, Buchautor


Weiterbildung

Großes für unsere Kleinen bewegen – im Fernstudium der IU Internationalen Hochschule Soziales studieren

Kinder sind individuell, Familien vielfältig und Lebensumstände unterschiedlich. Chancengleichheit zu gewährleisten, ist unsere wichtigste Herausforderung, damit wir allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ermöglichen. Chancen müssen jedoch geschaffen, vorbereitet und behutsam vermittelt werden in der sozialen Arbeit, Pädagogik, Psychologie, Bildung, Jugendarbeit und Politik. In den IU Internationale Hochschule Fernstudiengängen Kindheitspädagogik, Soziale Arbeit und Sozialmanagement beschäftigst Du Dich genau mit solchen Fragen und Herausforderungen. Du lernst, Kinder, Jugendliche und Familien in schwierigen Lebenslagen behutsam mit pädagogischen Methoden zu unterstützen, Sozialeinrichtungen mit betriebswirtschaftlicher Expertise langfristig, effektiv und strategisch zu führen oder Dich mit neuen Potenzialen der Social-Entrepreneurship-Branche auseinanderzusetzen. Im Fernstudium der IU Internationalen Hochschule hast Du die Möglichkeit, Dich in Deinem sozialen Wunschgebiet zu spezialisieren, neben dem Job, in Voll- oder Teilzeit, wie es Dein Alltag zulässt.

Dein IU Internationale Hochschule Fernstudium – frei und selbstbestimmt

IU Internationale Hochschule

Im IU Internationale Hochschule Fernstudium studierst Du 100% online und bist damit maximal flexibel. Du bestimmst Dein eigenes Tempo und passt Deinen Lernrhythmus individuell Deinen Lebensumständen an. Prüfungen absolvierst Du on demand online oder an Prüfungszentren in Deiner Nähe. Starte, wann Du willst, denn im IU Internationale Hochschule Fernstudium bist Du nicht an Semesterfristen gebunden. So kannst Du Deinem Traumberuf nachgehen, Dich gleichzeitig in Deinem Bereich weiterbilden und Dein soziales und pädagogisches Wissen ausbauen.

Weitere Infos und spannende Studiengänge aus dem Bereich Gesundheit & Soziales an der IU Internationale Hochschule findest Du → hier.


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Top Themen Weiterbildung

Stromaufwärts mit Elektromobilität

Fortbildung zum spielerischen Erkunden der Elektrizität

Der Wille kommende Generationen eine sauberen Umwelt zu hinterlassen ist mehr denn je vorhanden. Die Forschung nach alternative Energiequellen und wie wir sie nutzen könnten geht voran. An dieser Entwicklung können wir Kinder beteiligen, da sie die Entdecker und Forscher der Zukunft sind.

Gerade das Thema Strom, das unter normalen Bedingungen eher als Gefahr gesehen wird, reizt Kinder besonders und lässt sich mit angemessener Anleitung sehr gut vermitteln. Mit Hilfe von Forscherstationen können Kinder dem Strom „auf die Spur“ kommen.

In der Fortbildung lernen die TeilnehmerInnen Projektbausteine aus Münchens erstem emissionsfreien Spielmobil kennen, dem E-Spielmobil der Spiellandschaft Stadt. Sie erhalten didaktische Materialien zum spielerischen Erkunden der Elektrizität.

Kursinhalte:

  • Vorstellung Projekt E-Mobilität
  • Kennenlernen von Experimenten zum Thema Elektrizität
  • Richtiger Umgang mit alternativen Energien
  • Bau eines kleinen Solarautos
  • Tipps und Tricks für die eigene Praxis
  • Vorstellung weiterführender Projekte und Literatur zum Thema

Zielgruppe: MitarbeiterIinnen aus (Ganztags)Schulen, Kindergärten, Horten, Schulen, Spielhäusern, Spielbussen, Freizeiteinrichtungen und ehrenamtliche SpielplatzpatInnen

Leitung: Maximilian Füeßl, Spiellandschaft Stadt e.V., Agnieszka Spizewska, little lab e.V.

  • Zeit: Montag, 21. April 2020  14.00-17.30 Uhr
  • Ort: Spielhaus Westkreuz, Aubinger Straße 57, München – Westkreuz
  • Teilnahmegebühren: 20 €

Zum Referenten Maximilian Füeßl

BA Pädagogik, hauptamtlicher Mitarbeiter für spiel- und kulturpädagogische Projekte bei Spiellandschaft Stadt e.V., Ko-Leitung Spielhaus am Westkreuz

Zur Referentin Agnieszka Spizewska

Gründerin von little lab e.V. – Wissenschaft für Kinder, leidenschaftliche Ideenstifterin mit Neugier auf Mathematik, Naturwissenschaften & Experimente, Storytellerin und mehr


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Warum Pappbilderbücher so wichtig sind und woran man die Guten erkennt

Ein Interview mit Helmut Spanner

Literatur beginnt beim Pappbilderbuch. Es ist oftmals der Zugang zu allen anderen Büchern. Und je nach Qualität ist es mitentscheidend für unser späteres Verhältnis zum Buch.

Niemand hat hierzulande das Pappbilderbuch so stark geprägt wie Helmut Spanner. Vor über 40 Jahren (1977) veröffentlichte er mit „Meine ersten Sachen“ sein erstes Werk. Seither sind von ihm viele Bücher erschienen, die Generationen von Kindern geprägt haben. 11,3 Millionen Bücher gingen mittlerweile über den Ladentisch und der Erfolg hält weiter an. In seiner Münchner Wohnung hat er uns vieles über seine Schulzeit, seinen Werdegang und vor allem über das Pappbilderbuch erzählt.

Deine Schulzeit war nicht unbedingt wegweisend für Deinen späteren Beruf. Was ist damals geschehen?

Ich wollte schon immer einen künstlerischen Beruf ausüben. Auf dem musischen Gymnasium Marktoberdorf hatte ich selbstverständlich die Hauptfächer Musik und Zeichnen. Ich bin da schon mit der Note 4 in Musik und der Note 4 im Zeichnen entlassen worden. Wenn ich das heute Freunden erzähle, können die das gar nicht begreifen, zumal ich damals schon Kompositionen geschrieben habe. Aber Komposition stand eben nicht auf dem Lehrplan. Und damit war das nicht gefragt. Also der Inbegriff von Musik war gar nicht gefragt. Es wurden gewisse Fertigkeiten gefordert, etwa wie man vom Blatt spielen kann. Das ist für mich noch immer eine Katastrophe. Bei mir läuft Musik anders.

Lässt sich das auch auf das Zeichnen übertragen?

Die ganze pädagogische Schiene lief bei mir völlig daneben, so lange ich denken kann. Die Grundschule war noch völlig in Ordnung. Aber dann ging es schon beim ersten Gymnasium in St. Stephan los. Ich bin Zeichner. Der Kunsterzieher kam damals aus dem Expressionismus. Da mussten wir die Bänke hochklappen und mit freier Hand und ausgestrecktem Arm Bilder malen. Da er uns aber nicht erklärte, dass es dabei wichtig ist, das Wasser zuerst aus dem Pinsel zu drücken, lief uns reihenweise die Farbe über die Bilder. Dafür hätte es auch zum Austupfen Schwämme gegeben. Das hat er uns aber nicht verraten. Mit der Methode war ich als Zeichner schon unten durch. Sie war mir als Schüler nicht angemessen.

Das waren ja regelrecht traumatische Erlebnisse. Aber Du hast dennoch immer weitergemacht.

Letztlich hat mich das nicht so beeindruckt. Was mir damals fehlte, war Anerkennung. Ich war ja nicht schlecht im Zeichnen. Nur grundsätzlich wollten die Lehrer von mir immer etwas anderes als die Fähigkeiten, die ich damals schon hatte. Das ist der zentrale Punkt der Pädagogik. Das war auch der Grund, warum ich Pädagogik studieren wollte. Schließlich habe ich damals erfahren, wie man es als Lehrer nicht machen sollte.

Und dann hast du Lehramt studiert.

Ja, auch weil ich immer mit Jugendlichen arbeiten wollte. Während des Studiums kam ich dann an zwei Münchner Schulen. Und hier lief schon wieder genau das, was am Gymnasium schief ging. Auch hier war nicht das wichtig, was bei den Schülern angelegt war, sondern das Gymnasium will eben nur das vermitteln, was es selbst will. Die Schule setzt einfach nicht am Individuum an. Sie versucht nicht das rauszuholen, was im Schüler steckt und das zu verbessern. Schlimmer noch, der Schüler interessiert letztlich gar nicht.

Das war für mich eine ganz schlimme Erfahrung. Schließlich habe ich an der Schule aufgehört.

Ich war damals knapp 30 Jahre alt. Der Schuldirektor war sehr nett. Er sagte, „Herr Spanner, wie Sie über Kinderbücher reden … Sie sollten Kinderbücher machen.“ Ich hatte schon zwei Kinderbücher gezeichnet. Und zu der Zeit hat mich der Erfolg vom Katzenbuch überholt. Es war mir klar, dass dies meine Existenz sein könnte. Mein erstes Buch mit dem Titel „Meine ersten Sachen“ hatte ich bereits mit 25 veröffentlicht. Das Buch gibt es heute noch.

Lass uns noch einmal auf Deine Zeit an der Kunstakademie zurückgehen. Wie war hier dein Einstieg?

An der Kunstakademie wurde ich zuerst abgelehnt. Nach einem halben Jahr ging ich dann persönlich dort hin, und zwar mit denselben Arbeiten und habe diese bei Herrn Professor Thomas Zacharias eingereicht. Ich habe ihn gefragt, warum ich nicht angenommen wurde. Nachdem er das selbst nicht mehr wusste, hat er mich aufgenommen.

Meine Abschlussarbeit für die Akademie der bildenden Künste war mein erstes Pappbilderbuch, eben jene „Meine ersten Sachen“. Dafür habe ich die Note 5 bekommen.

Wie kam denn das?

Das Pappbilderbuch war für die Leute an der Akademie keine Kunst. Das Buch wendet sich an ein Publikum, an Kinder, damit ist es angewandt. Kinderbuch ist Illustration und gilt vielen schon als niedere Kunst. Und nun geht einer noch weiter hinunter, kniet sich vor Zweijährigen und macht für die was. Da war für die Professoren der Ofen aus. Das verstanden sie nicht.

Letztlich war die Akademie für mich vertane Zeit. Denn auch Handwerk lernt man dort nicht. Das sieht die Akademie nicht als ihre Aufgabe. Ich bin Autodidakt geblieben.

Dennoch war die Akademie für Dich Ausgangspunkt zu Deinem späteren Werk.

Wir kamen an die Akademie. Es war Umbruchszeit, also Nach-68er. Für uns war klar, wir wollen später mal keine Bilder malen, bei denen sich irgendjemand fragt: „Passt das Bild zu meinem Sofa?“ Das war uns zu wenig anspruchsvoll. Wir wollten die Welt verändern und bei den Kindern anfangen. Wo sonst? So haben wir die Gruppe „Bilderbuch“ eröffnet. Darunter waren mit mir drei bis vier leitende Studenten. Illustration hat uns fasziniert. Wir haben in den Bilderbüchern einen Ansatz gesehen, um nach außen zu gehen. Toll war, es waren damals Gründerzeiten.

Wir waren an der Akademie, hatten aber kein einziges Bilderbuch. Schließlich schrieben wir die Verlage an, dass sie uns zumindest ihr aktuelles Programm schickten. Und innerhalb eines Monats hatten wir einen ganzen Schrank voller Bücher.

Was habt ihr dabei erkannt?

Wir haben uns dafür interessiert, was in den Kinderbüchern vermittelt wird. Die Mädchenrollen waren inaktiv, die Jungen hatten die aktiven Rollen. Da wir alle auch kunstinteressierte Leute waren, sind wir nicht nur inhaltlich rangegangen, sondern auch vom bildnerischen her. Wir haben nach Klischees gesucht. Das war eine Situation von Gleichgesinnten und Gleichaltrigen, ohne Konkurrenz zu lernen. Hier wurde die Leidenschaft geweckt.

Wie kamst Du von hier aus zum Pappbilderbuch?

Thomas Zacharias hatte bereits ein Buch bei Ravensburger verlegt. Dadurch saßen Leute von Ravensburger plötzlich an der Kunstakademie – Gisela und Christian Stottele. Sie wurden auf uns aufmerksam und besuchten uns. Allerdings haben sie fast alles abgelehnt. Aber sie suchten für Pappbilderbücher neue Konzepte. Wir wussten damals noch gar nicht, was Pappbilderbücher sind. Dennoch entwickelten wir dann für 500 Mark pro Kopf Pappbilderkonzepte. Wir mussten ein zehnseitiges Konzept zeichnen und zwei Originale dazu abgeben.

Die Zeit war reif und unsere Ideen wurden zumindest zum Teil verwendet; allerdings nicht mit uns.

Warum hast du dann doch Dein erstes Pappbilderbuch bei Ravensburger veröffentlicht?

Die zwei Originale, die ich damals abgegeben hatte, benötigte ich für mein Examen. Sie kamen einfach nicht mehr zurück. Woraufhin ich dann nach Ravensburg fuhr. So stand ich an einem Feiertag, den es in Bayern nicht gab, vor dem Verlagsgebäude. Ich wollte da rein und dann rief mir einer aus einer Entfernung von rund 30 Metern zu: „Das sehe ich schon von weitem: Sie sind ein Künstler!“ Später erfuhr ich, dass das der Verleger Otto Julius Maier war. „Ja, das mag schon sein, dass ich ein Künstler bin. Aber ich mag jetzt da rein. Warum ist da zu?“, antwortete ich. Ich erfuhr dann, dass Feiertag sei, und sollte am nächsten Tag wieder kommen.

Leider waren wegen eines redaktionellen Wechsels dann die Bilder verschollen. Beim Suchen habe ich der neuen Redakteurin erklärt, ob sie wüsste, dass sie mit Dick Bruna Bücher machten, die Kleinkinder nicht verstehen. Denn damals arbeitete ich bereits an meiner Abschlussarbeit und hatte an 50 Kindergartenkindern die Zeichnungen von Dick Bruna getestet. Keines der Kinder konnte mir sagen, was auf einem bestimmten Bild von Dick Bruna drauf war. Es war ein Bild, auf dem ein Bild an der Wand abgebildet war, das einen Opa zeigte.

Das fanden die Ravensburger interessant. Schließlich haben sie mich ein Pappbilderbuch machen lassen.

Wie ging es dann weiter?

Gerlinde Wincierz war damals neu im Verlag und nahm mich in das Programm auf. Wir haben zwölf Bilder durchgesprochen und das war „Meine ersten Sachen“. Später sollte ich dann vier Bilder neu machen. Wie ein Fischhändler habe ich sie dann runter gehandelt. Ich musste einen Kamm statt einer Bürste zeichnen. Für den Kamm habe ich sechs Wochen gebraucht. Mein innerer Widerstand war einfach zu groß. Kleinkinder werden nicht mit einem Kamm gekämmt, sondern eben mit einer Bürste. Außerdem ist die Bürste vom Zeichnerischen her einfach schöner und interessanter.

Was fasziniert Dich vor allem am Zeichnen für Kleinkinder so?

Bei den Kleinkindern geht es nur um ursprüngliche, einfache, existenzielle Dinge. Das hat mit den großen politischen und gesellschaftlichen Themen, die uns Tag für Tag berühren, nichts zu tun. Das war für mich reizvoll.

Warum glaubst du, dass Deine Bücher so gut beim Publikum ankommen?

Ich glaube zum einen, die Ravensburger haben einen tollen Vertrieb. Ich glaube aber auch, dass meine Bücher die Kinder genau da abholen, wo sie stehen. Die Kinder kommen von der Greiferfahrung. Sie kommen über die Hände. Die visuelle Wahrnehmung ist am Ende des zweiten Lebensjahres erst führend. Das heißt, die taktile Wahrnehmung, die Greiferfahrung, ist wichtig, ist eine Vorstufe der rein abstrakten visuellen Wahrnehmung. So lernen die Kinder durch Greifen Wahrnehmung – sie begreifen.

Was früher etwa einen Tasse war, in die das Kind reingreifen konnte, taucht jetzt im Buch auf. Hier kann es aber nicht mehr reingreifen. Es kann die Tasse auch nicht mehr umfassen. Es ist eine platte Welt. Die reale Tasse ist Natur und das Buch ist Kultur. Für einen Erwachsenen ist das alles völlig normal. Ein Kind steht aber vor einer völlig unbekannten Welt.

Die ganzen Kriterien, die sich das Kind durch Greifen und Fühlen erarbeitet hat, gelten plötzlich nicht mehr. Das heißt, es muss das Bildzeichen völlig neu lernen. Das versuche ich, den Kindern zu erleichtern, indem ich die Räumlichkeiten darstelle. Indem ich im Grunde möglichst nah am Sehbild bleibe und nicht am Gedankenbild.

Kannst Du das noch weiter konkretisieren?

Wenn ich den Gegenstand auf Linie und Fläche reduziere, dann weiß ein Erwachsener zwar, was das sein soll. Es ist aber letztlich ein Gedankenbild. Es hat wenig mit der Seherfahrung zu tun. Die Kinder sehen das Gleiche wie wir. Der Unterscheid ist, wir haben unser Sehbild durch millionenfache Erfahrungen ausgeprägt. Wir wissen genau, das ist ein Stuhl, das ist eine Heizung … Die Begriffe sind da. Beim Kind ist die Software noch weitgehend unbeleckt. Der Gehirncomputer ist hervorragend, saugt auf wie ein Schwamm. Aber alles muss zunächst erlernt werden.

Wie gehst Du mit Deinen Zeichnungen darauf ein?

Je weiter die Bilder aus dem Greifbereich hinausgehen, desto schwieriger sind sie zu erkennen, desto abstrakter sind sie. Deshalb müssen sich Pappbilderbücher für kleine Kinder möglichst nahe an die Realität halten. Meine Sachen sind nicht vom Erscheinungsbild her, sondern geistig reduziert. Das heißt etwa, dass ich eine Tasse ohne irgendwelche Muster zeichne. Weil ein Kind sonst die Muster mit der Tasse mitlernen würde. Das führt dann später im schlimmsten Fall zu Vorhängen mit Blumenmuster.

Allerdings muss alles, was funktional zur Tasse gehört, da sein – die Wandung, man muss sehen, dass es reingeht, also dass man etwas reintun kann und der Henkel ist wichtig von der Funktion her, dass man sich die Finger nicht verbrennt. Das ist geistig das Wichtige an der Tasse. Alles andere ist austauschbar.

So versuche ich das Wesentliche an den Gegenständen zu betonen und was nicht nötig ist und keine Funktion hat, lasse ich weg.

Wenn ich in den Laden gehe, um ein Buch für ein zweijähriges Kind zu kaufen, wonach sollte ich schauen?

Nahe an der Realität muss es sein, ästhetisch, also geschmacksbildend, es muss einfach sein, echt und ohne Unstimmigkeiten, emotional …

Aber wie können denn Gegenstände für Kinder emotional sein? Vor allem dann, wenn sie wie bei dir auf das Wesentliche reduziert sind?

Selbstverständlich sind Gegenstände für Kinder emotional. Wenn ein Kind etwa einen Ball sieht, lacht das Kind, weil seine ganzen Erfahrungen, die es mit dem Ball gesammelt hat, beim Anblick des Bildes hochkommen. Voraussetzung ist, der Ball wird als solcher erkannt. Wenn ich aber als Ball nur einen Umriss und eine Fläche zeichne, dann kann es auch eine Sonne, ein Teller oder eben ein Ball sein. Das Bildzeichen wird dann zu offen, zu abstrakt, und das Kind hat nicht mehr den direkten emotionalen Zugang.

Es ist nicht der freie künstlerische Stil, der im Pappbilderbuch gefragt ist. Die Ansprüche gehen vom Kind aus. Ich kann mich eben nicht als freier Maler im Pappbilderbuch verwirklichen. Da bin ich falsch. Das ist eine andere Kategorie. Es geht um die Kinder. Aber nicht in dem Sinne, nur das zu befriedigen, was die Kinder sehen wollen.

Wie wichtig ist dabei die Pappe?

Sehr wichtig: Die Kinder beißen natürlich rein. Sie essen die Pappe. Ich bekam mal ein Buch zu sehen, da war tatsächlich nur noch eine halbe Seite da. Und die Eltern bestätigten mir, der Rest ist weg. Die Bücher müssen etwas aushalten. Die Kinder haben einen ganz intensiven Umgang damit.

Hat sich in den vergangenen 40 Jahren etwas in der Wahrnehmung der Menschen verändert?

In der Wahrnehmungsentwicklung der Kleinkinder hat sich garantiert nichts verändert. Das geht in 10.000-Jahresschritten. Die Frage ist immer, wo man ansetzt: bei den Kindern, bei der Mode oder bei den verschiedenen künstlerischen Auffassungen. Ich setze bei den Kindern an. Mir ist es vollkommen klar, wie Kinder wahrnehmen.

Wenn Bücher von dir erscheinen, schaust du dir diese gemeinsam mit Kindern an?

Im Allgemeinen nicht. Ich habe das letzte Mal aber mit „Nasi und Mausi“ eine Testperson gehabt. Das war wichtig, weil meine Lektorin bezweifelte, dass das Buch mit kleinen Kindern funktioniert. So konnte ich ihr doch ziemlich eindrücklich beweisen, dass es eben doch funktioniert. Mittlerweile beweist es die verkaufte Auflage zusätzlich.

Ansonsten bin ich mir sicher, dass ich mich auf einer kindlichen Ebene befinde. Ich habe nach all den Jahren einen sehr guten Zugang dazu. Allerdings ist es ganz schwer zu beschreiben, woher das kommt.

Nach 40 Jahren mit all deinen Büchern, was war dein schönstes Erlebnis?

Mein schönstes Erlebnis war, als ein Buch von mir zusammengestellt wurde, das heute nicht mehr auf dem Markt ist. Das war damals ein Papierbilderbuch. Das Buch erschien zu meinem 30jährigen Jubiläum, um zu zeigen, was ich seither so gemacht hatte. Als ich damals das Muster in Ravensburg bekam, fuhr ich mit dem Zug heim, sah mir das Buch an und dachte mir, das ist ja eigentlich eine geschlossene Sache. Obwohl zwischen der linken und rechten Seite teilweise 20 Jahre Unterschied waren. Das war ein unglaubliches Glückgefühl. Weil das, was ich in den vergangenen 30 Jahren gemacht hatte und nun in Händen hielt, komplett zusammenpasste. Für mich ist das eine Bestätigung, dass es bei mir nicht um mein Handwerk, sondern immer um die Kinder geht. Es ist halt kein Ego-Trip, bei dem ich den Leuten zeigen will, wie toll ich malen kann, sondern es geht vom Kind aus. Und das ist immer dasselbe.

Als mir der Maler Rabe Habdank aus Berlin schrieb, er versinke im Meer der Möglichkeiten der Malerei, antwortete ich ihm, dass mir das nicht passieren könne. Ich bin in einer Pfütze tätig und um mich herum stehen Kinder.

Hast du nach 40 Jahren die Nase voll von Pappbilderbüchern?

Grundsätzlich nicht. Wobei die Entwicklungen in den Verlagen heftiger werden. Ich wünsche mir einfach mal eine Ausstellung mit meinen Zeichnungen in einem größeren Rahmen. Und ich würde mir mehr Anerkennung für mein Metier wünschen. Ich halte das Pappbilderbuch für sehr wichtig, weil es der Einstieg ins Buch ist, weil es das spätere Lesenlernen beschleunigt, weil es ganz klar ist, dass wir den Kindern entwicklungsgerechte Dinge geben müssen, die sie emotional fesseln. Damit die Kinder in die Bücher reingehen, weil die erste Erfahrung mit dem Buch gut ist.

Und was planst du für die Zukunft?

Ich werde künftig wieder mehr Musik machen. Bei mir sind rund 1200 Kompositionen da, die ich in einer Vorstufe aufgenommen habe. Daran möchte ich arbeiten und hoffe, dass zehn gute dabei sind.

Das heißt aber nicht, dass ich das Interesse an Büchern verloren habe. Ich merke schon wieder, dass sich im Kopf eine Menge tut. Ideen habe ich bis zum Grabdeckel. Es sind genügend Konzepte da. Ich weiß nur nicht, wann ich das zeichnen soll. Das ist immer eine große Aufgabe. Am Katzenbuch saß ich eineinhalb Jahre. Am Bärenbuch saßen wir zu dritt knapp zwei Jahre. Ich arbeite nicht digital, weil ich ein Original haben möchte. Das hat für mich eine andere Qualität.

(Gernot Körner)