Juni 2020

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Gewaltprävention in der Kita: Interview mit Josefine Barbaric

Photo by Kat J on Unsplash

 

Eine junge Erzieherin soll in mehreren Kitas Übergriffe auf Kinder verübt haben. Anfang Mai starb ein kleines Mädchen aus Viersen nach einem Atemstillstand. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach wirft der Frau Mord vor. Sie sitzt in Untersuchungshaft. Dieser Fall schockiert Eltern und Pädagogen gleichermaßen. Wir haben deshalb mit Präventionsexpertin Josefine Barbaric über Gewalt in der Kita, Folgen des Fachkräftemangels und wirksame Schutzkonzepte für Kinder gesprochen. 

 
Eine Erzieherin hat in einer Kita in Viersen ein Kind getötet. Das wirft eine große Frage auf: Wie steht es mit dem Kinderschutz in deutschen Kitas?

Bedauerlicherweise kommt es in regelmäßigen Abständen zu Gewaltmeldungen aus deutschen Kitas und sehr wohl stellt das Thema Gewalt an Kinder in deutschen Kitas ein großes und ernstzunehmendes Problem dar. Denn die Fälle, die an die Öffentlichkeit dringen, sind, wie so oft, nur die Spitze des Eisberges. Im Mai 2018 konnten wir lesen, dass ein Kitaleiter in Heilbronn über mehrere Jahre einen Jungen sexuell missbraucht hat. Im Oktober 2019 wurde durch die Sendung Kontraste über Original Play in deutschen Kitas berichtet. In diesem Zusammenhang haben Eltern in Berlin und Hamburg Missbrauchsfälle (auch Vergewaltigungen von Kindern in den Kitas) angezeigt. Im Dezember 2019 stellte die Pädagogin und Autorin Dr. Anke Elisabeth Ballmann ihr neustes Buch „Seelenprügel“ vor. Eine Dokumentation darüber, dass zu viele Kinder in ihrem Betreuungsalltag psychischer Gewalt durch Erwachsene ausgesetzt sind. Anfang 2020 gab es in Landkreis Rostock mehrere Kitaschließungen wegen Gewaltvorwürfen gegen Kitamitarbeiter und jetzt der tragische Tod von „Greta“. Warum habe ich all diese Fälle angeführt? Weil sie zeigen, dass es völlig unerheblich ist, über welche Gewaltform wir sprechen. Fakt ist, Kinder erleiden unter Umständen jede Form von Gewalt in den Kindertageseinrichtungen. Meine Vorträge beginne ich häufig mit dem einleitenden Satz: Der gefährlichste Ort für ein Kind, ist häufig das eigene Zuhause – doch für all die betroffenen Kinder aus den oben angesprochenen Fällen, waren es die Kindertageseinrichtungen.

 

Wie erklären Sie sich, dass die Erzieherin wohl schon früher auffällig wurde und trotzdem weiter als Pädagogin arbeiten konnte?

Schauen Sie, die erste Herausforderung sehe ich persönlich bereits darin, dass Auszubildenen zu Beginn keinem Persönlichkeitstest oder einem Eignungstest unterzogen werden. Das halte ich bereits für grob fahrlässig, denn immerhin arbeiten diese Personen irgendwann einmal mit kleinen Menschen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Einrichtungen im frühkindlichen Bereich im Vergleich zu allen anderen Bildungseinrichtungen die höchste Bildungsrendite erzielt – doch was ist dies unserer Gesellschaft wert? Wertschätzung? Gäbe es diese Wertschätzung, hätte auch die Politik bereits vor Jahren schon eine entsprechende Ausbildungsvergütung für den klassischen Ausbildungsweg an den Fachschulen eingeführt. Das hat man allerdings „verschlafen“ und billigend in Kauf genommen, dass dieser wichtige Beruf vor allem von jungen Leuten nicht als besonders attraktiv wahrgenommen wurde, weshalb sich viele junge Menschen auch heute erst gar nicht für diesen Beruf entscheiden. Dies, eine bundesweit stätig- steigende Geburtenrate und ein exorbitant ansteigenden Betreuungsbedarf auch bei den U3 Kindern führte in den letzten Jahren zu einem besorgniserregenden Fachkräftemangel.

Wenn Sie nun als Leitung einer Kita schon ohnehin ein sehr „dünne Personaldecke haben“, dann sind sie erst einmal froh, über jede und jeden, den sie haben bzw. bekommen können. Ich denke Sie werden mir Recht geben, wenn ich unterstelle das Mangel auch immer Mangel in der Qualität bedeutet. In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass Gewalt ganz häufig auch einen Mangel offenlegt. Den Mangel an sozialer Unterstützung! Damit entsteht nicht nur allerorts eine extreme Überlastungssituation für alle Beteiligten in den Kindertageseinrichtungen, viel schlimmer, es wird Raum geschaffen, für genau solche tragischen Zwischenfälle, körperliche Grenzüberschreitungen und Gewalttaten von Erzieher*innen gegen Kinder, im schlimmsten Fall mit Todesfolge, wie im Fall „Greta“.

 

Wie könnten Kinder besser geschützt werden?

Indem wir offen über das Thema Gewalt und vor allem Schutz vor Gewalt in den Einrichtungen sprechen. Hierzu braucht es die Bereitschaft für Präventions- und Schutzkonzepte bei den zuständigen Trägern, den Kommunen und auch in den Einrichtungen selbst. Bedauerlicherweise ist diese Bereitschaft häufig nicht vorhanden. Das solche wichtigen Qualifizierungen noch immer Freiwilligen-Leistungen sind, kann einfach nicht richtig sein.  Primäre Gewaltprävention hat die Aufgabe, durch Aufklärung und Austausch dafür zu sorgen, dass erst keinerlei Gewalt entsteht. Das ist im besten Fall ein gemeinsames Projekt zwischen Träger, Kitaleitungen, Erziehern und auch Eltern.

Gewaltprävention ist Kinderschutz und kostet nun mal Geld. Zudem schützt sie auch die Einrichtungen. Denn wenn ein Fall von körperlicher Grenzüberschreitung und oder Gewalt von einem Erzieher (w/m) gegen ein Kind an die Öffentlichkeit dringt, ist das immer auch ein enormer Imageschaden für die gesamte Einrichtung und auch für den zuständigen Träger.

Sie geben mir vielleicht Recht, wenn ich behaupte, dass es einhergehend mit dem Arbeitsschutz auch die Möglichkeit auf „Gewaltschutz“ in den Einrichtungen braucht. Sozusagen ein Leitbild, dass deutlich und klar nicht nur nach außen getragen wird, sondern ebenso als Verhaltensleitlinien für alle verantwortlichen Akteure innerhalb der Einrichtung gilt.

Regelmäßige Berichterstattung gehört zu einem erfolgreichen Gewaltschutz-Konzept. So darf es auch erst einmal nicht um Fingerpointing gehen – sondern vielmehr ums Verstehen.

Wann ist was bei wem zu melden? Hier empfehle ich, aus dem Team einen Präventionsbeauftragten aufzubauen. Diese Person sollte Vertrauensperson und Anlaufstelle für alle Kolleg:innen und Eltern sein.

Hinweise welcher Art auch immer, müssen unbedingt ernst genommen und ihnen muss bis zur vollständigen Klärung nachgegangen werden. Von Gewalt betroffene Kinder versuchen sich häufig so gut wie eben möglich mitzuteilen, es ist von unsagbar großer Bedeutung, dass wir Ihnen zuhören und glauben.

 

Welche Rolle spielt der Fachkräfte-Mangel bei solchen Fällen?

Eine sehr große Rolle. Schauen Sie, folgende Ergänzung möchte ich gerne noch hinzunehmen: Ganz häufig sprechen wir von dem Personalschlüssel in den Kindertageseinrichtungen. Ja, der ist wichtig, doch was sagt er aus? Viel entscheidender ist doch die Fachkraft-Kind Relation. Wir sind uns einig, wenn ich sage, dass die Fachkraft-Kind Relation viel aussagekräftiger ist, denn hier wird aufgezeigt, für wie viele Kinder eine Fachkraft im Alltäglichen tatsächlich zuständig ist. Und hier haben wir in vielen Einrichtungen bundesweit katastrophale Überlastungszustände, die durch die Vorgaben aus dem Infektionsschutzgesetz zur Covid-19 Krise leider auch aktuell nicht entlastet werden können.

Es braucht ein wertschätzendes Umdenken in unserer Gesellschaft. Die sichere und gute Betreuung unserer Kinder muss uns auch etwas wert sein.  Ebenso Wertschätzung durch die Politik. Die Bezahlung muss verbessert werden, und damit einhergehend braucht es Eignungstests, damit man qualitativ hochwertige Bewerber (w/m) gewinnen kann, die als ausgebildete Erzieher*innen auch im Beruf bleiben weil sie eben auch die Eignung zu diesem tollen Beruf mitbringen.

„Nur ein Drittel der frisch ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher nehmen tatsächlich eine Erwerbstätigkeit im Beruf auf, war der Befund vor gut einem Jahrzehnt (Keil u.a. 2012 in. Rauschenbach 2006). Laut einer Analyse des wenige Jahre später durchgeführten Mikrozensus (2008) arbeiteten von den Frühpädagoginnen und -pädagogen (Erzieherinnen und Erzieher sowie Kinderpflegerinnen und -pfleger), die zum Befragungszeitpunkt erwerbstätig waren, 35 Prozent berufsfremd. Insbesondere Männer hatten dem Beruf den Rücken gekehrt (Fuchs-Rechlin 2010: 39ff.). Einige dürften beruflich aufgestiegen sein (Sozialarbeit, Schulpädagogik), andere sind in andere Berufsfelder eingemündet, wovon etliche Büroberufe ausüben oder in der Altenpflege arbeiten. Wie viele der heutigen Absolventinnen und Absolventen tatsächlich in den Beruf einsteigen, ist nicht bekannt“. 

 

Woran können Eltern erkennen, dass etwas in der Kita nicht stimmt?

Ganz einfach, am Verhalten ihrer Kinder und an möglichen Verletzungen! Von Gewalt betroffene Kinder verändern sich. Werden unter Umständen leiser, wollen nicht mehr in die Kita gehen, haben am Morgen schon Bauch- und oder Kopfschmerzen. Weinen häufiger, nässen und und/oder koten wieder ein, werden unter Umständen aggressiv. Es gibt keine einheitlichen Hinweise. Kinder können körperlich und/oder psychisch völlig unterschiedliche Symptome an den Tag legen. Doch in einer Sache bin ich mir sehr sicher, wer sein Kind genau beobachtet oder noch passender begleitet erkennt die Veränderungen. Eltern sollten bei auffälligen Veränderungen ohne Scheu und Angst im Kindergarten nachfragen und das Gespräch suchen. Ich empfehle den Elternbeirat mit ins Boot zu nehmen. Vielleicht gab es hier schon Hinweise oder Meldungen von Eltern. Es sollte im Interesse aller Verantwortlichen sein, um eine vollständige Aufklärung bemüht zu bleiben.

 

 

Über Josefine Barbaric

Josefine Barbaric wurde am 13. Juni 1975 in Frankfurt am Main geboren. Es verbindet sie eine eigene und sehr persönliche Geschichte mit diesem schwierigen und sensiblen Thema "Sexuelle Gewalt". 2017 schrieb sie mit "Nein, lass das!" ein Aufklärungsbuch für Kinder und widmet sich seither dem Thema "Prävention gegen sexuelle Gewalt an Kindern". Sie ist nicht nur Autorin und Referentin, sondern zudem auch der Vorstand des gemeinnützigen Vereins Nein, lass das!

Über das Buch "Nein, lass das!"

Das Aufklärungsbuch gegen sexuelle Gewalt an Kindern ist als aktives Vorlesebuch für Kinder von 2-6 Jahren angedacht. 
Über eine leichte, kindgerechte und doch klare Art und Weise wird auf die Themen Körperlichkeit und Genitalien eingegangen. Zudem wird unseren kleinen Mitmenschen erklärt, wie sie sich zur Wehr setzen dürfen, wenn jemand etwas tun möchte, was sie nicht mögen. Dass es Kindern absolut erlaubt ist, NEIN sagen zu dürfen. Die Geschichte ist feinfühlig erzählt, zudem bunt und fröhlich illustriert, so dass man sie bedenkenlos vorlesen kann.
 
Paperback 12,90 inkl. MwSt. Nur im Direktvertrieb über bestellung@neinlassdas.com erhältlich!

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Tag der kleinen Forscher: Aus Forscherfest wird „Kleine Forscher“-Show

Stiftung Haus der kleinen Forscher

Am 16. Juni ist „Tag der kleinen Forscher“. Der Mitmachtag der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ findet 2020 unter besonderen Umständen statt. Vieles ist daher etwas anders als sonst: In ganz Deutschland forschen Kinder diesmal zu Hause, beim Spazierengehen oder in den eingeschränkt geöffneten Kitas und Grundschulen. Die Stiftung selbst verlegt ihr Forscherfest kurzerhand ins Netz und lädt alle kleinen und großen Entdeckerinnen und Entdecker dazu ein. Das Motto: „Von der Quelle bis ins Meer – Wasser neu entdecken!“ 

Seit 2009 gehen Tausende Mädchen und Jungen jedes Jahr am „Tag der kleinen Forscher“ mit ihren Erzieherinnen und Erziehern oder ihren Lehrkräften auf Entdeckungsreise und erkunden ihre Welt – sei es im Rahmen eines Forscherfests oder kleinerer Aktionen. So sollte es auch in diesem Jahr wieder sein, doch die Zeiten sind andere. 

Auch die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ musste aufgrund der Corona-Pandemie neu planen und verlegt ihr Forscherfest gemeinsam mit ihrem diesjährigen Partner, der experimenta, ins Netz. Ursprünglich sollten etwa 2.000 Kinder in Deutschlands größtem Science Center in Heilbronn feiern und forschen. Nun gibt es in der „Kleine Forscher“-Show jede Menge Forscherideen und spannende Aktivitäten zum Motto „Von der Quelle bis ins Meer – Wasser neu entdecken!“ – für Kinder und alle, die sie beim Entdecken und Forschen begleiten. 

Veröffentlicht wird die „Kleine Forscher“-Show am 16. Juni 2020 ab 10 Uhr untertag-der-kleinen-forscher.de und ist dort auch in den Tagen danach jederzeit verfügbar. Außerdem gibt es auf der Website viele weitere Angebote zum Aktionstag, die Interessierte kostenlos herunterladen können. Viele der Anregungen erfordern keine pädagogischen Vorkenntnisse und lassen sich auch zu Hause oder während eines Spaziergangs mit Eltern und Geschwistern ganz einfach umsetzen. Pädagogische Einrichtungen können das kostenfreie Aktionspaket zum „Tag der kleinen Forscher“ mit einer bunten Broschüre voller Forscherideen und vielem mehr weiterhin kostenlos bestellen: tag-der-kleinen-forscher.de/aktionsmaterial

Kinder lernen Wasser als lebenswichtige Ressource schätzen

So wird der 16. Juni auch diesmal ein bundesweiter Mitmachtag und setzt ein Zeichen für gute frühe MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung. Denn die legt einen Grundstein, um den Herausforderungen einer zunehmend komplexen Welt erfolgreich begegnen zu können.

Das Thema Wasser spielt dabei eine besondere Rolle: „Das diesjährige Motto lässt Kinder Wasser als lebenswichtige Ressource kennen- und schätzen lernen“, sagt Michael Fritz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. „Wie jede und jeder Einzelne von uns mit dieser Ressource umgeht, hat direkte Auswirkungen auf unsere Erde.“

 

Tag der kleinen Forscher 2020 - Entdeckertour Teil 3 "... bis ins Meer!"
Über den Tag der kleinen Forscher

Der „Tag der kleinen Forscher“ ist der bundesweite Mitmachtag für alle, die gerne forschen. Er stellt die Bedeutung des forschenden Lernens in Kita, Hort und Grundschule in den Mittelpunkt und widmet sich jedes Jahr einem neuen, spannenden Thema rund um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik und Nachhaltigkeit. Dabei zeigt der Aktionstag immer wieder: Gute frühe MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung macht Kinder stark und befähigt sie, selbstbestimmt und verantwortungsvoll zu handeln. 

Mehr erfahren über den Aktionstag: tag-der-kleinen-forscher.de

 


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Händewaschen mit dem Kikaninchen

Foto von Burst von Pexels

Die allermeisten Kinder kehren in den nächsten Tagen zurück in die Kitas. Trotz großer Schritte in Richtung Normalität bleiben Hygieneregeln wichtig. Gerade das Händewaschen ist eine wichtige Hygienemaßnahme, die von den Kindern noch gelernt werden muss. In der jetzigen Zeit ist es aber wichtiger denn je, dass selbst die Kleinsten verstehen, wie wichtig richtiges Händewaschen ist. Zum Waschen zählen die korrekte Dauer und die Ausführung.

Der Kinderkanal Kika hat sich deshalb etwas ganz besonderes einfallen lassen. Mit einem Lied und zwei tollen Plakaten zeigen das Kikaninchen und seine Freunden den Kindern das richtige Händewaschen.

Durch das Lied bekommen die Kinder ein Gefühl für die richtige Dauer und der lustige Text beschreibt die wichtigsten Abläufe beim Händewaschen.

 

Liedtext Händwaschlied

Hallo Hände, bitte Seifenschaum machen 

und sich dabei kringelig lachen.

Die Finger müssen die Lücke finden, 

umarmen sich von vorne und hinten.

Die Fingerspitzen in den Handflächen drehen, 

Halbzeit beim „am Waschbecken stehen“.

Daumen rechts und Daumen links,

bitte nicht pupsen, denn sonst stinkt‘s.

Abwaschen, abtrocknen - und ahoi,

dreißig Sekunden sind jetzt vorbei.

Hier kann man den Liedtext samt Ausmalvorlage herunterladen.

 

Händewasch–Plakate für kleine und große Kinder
Für die Vorschule

Den Liedtext des Händewaschlied samt Anleitung gibt es auch als Plakat zum PDF-Download.

 

Für die Kleinen

Auch für die kleineren Kinder gibt es ein tolles Händewasch–Plakat zum PDF-Download.

 


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Interview mit Kindermusiker Oliver Ehmsen

(c) Oliver Ehmsen

Oliver Ehmsen ist eigentlich hauptberuflich Grundschullehrer und stellvertretener Schulleiter in Hamburg."Nebenbei" schreibt er tolle Kindermusik, gibt Mitmachkonzerte und bietet in der Schule das Pausensingen an (auch derzeit – mit Abstand). Grund genug für ein Interview über Musik für Kinder, Singen in der Schule und musikscheue Eltern.

Warum ist Singen und Tanzen so wichtig für Kinder?

Oliver Ehmsen: Kinder bewegen sich von Natur aus gerne. Musik kommt den Kindern beim Bewegen entgegen. Der Rhythmus von Liedern wird von ihnen aufgenommen und in natürliche Bewegung umgesetzt. Einige Songs meines neuen Albums laden direkt zum Tanzen ein, z.B. die neue Version des Klassikers „Hokey Pokey“ im Big Band-Arrangement.

Die Stimme selbst ist unser Ur-Instrument, das wir Menschen immer dabeihaben. Singen ist ein wichtiges Ausdrucksmittel für verschiedenste Stimmungen, im Kinderlieder-Bereich vielfach für die der Freude.

Ist aus deiner Sicht jedes Kind musikalisch?

Oliver Ehmsen: Aus meiner Sicht bringt jedes Kind eine Grundmusikalität mit. Musikalisch sein bedeutet für mich nicht nur gut singen zu können oder einen Rhythmus zu klatschen. Auch das Empfinden für Musik und das Reagieren auf Musik ist schon ein Teil von Musikalität. Was aus diesen Grundzügen entstehen kann, ist dann eine Mischung aus Anlage und Umwelt. Es hängt viel davon ab, welche musikalischen Angebote Kindern gemacht werden, um ihre Musikalität weiterentwickeln zu können.

Warum scheuen sich manche Eltern mit ihren Kindern zu singen?

Oliver Ehmsen: Leider gibt es immer noch genügend Erwachsene, die eigene negative Erfahrungen mit dem Singen gemacht haben, z.B. weil ihnen in ihrer eigenen Schulzeit Sätze wie „Sei du mal ruhig, du kannst nicht gut singen!“ entgegengebracht wurden. Das hatte sicher für einige abschreckende Wirkung und wirkt auch heute noch nach. Auf der anderen Seite werden uns durch die Medien viele perfekte Singvorbilder präsentiert. In Musikproduktionen wird durch die heutige Technik auch vieles „glatt gebügelt“, also mancher falsch gesungene Ton einfach berichtigt. Da ist es dann manchmal schwierig, mit der eigenen Stimme sich dem Vergleich zu stellen und es wird lieber Spotify oder AppleMusic eingeschaltet, statt selbst zu singen. Der eigene Gesang klingt eben anders. Aber genau dieses „anders“ ist richtig und wichtig für die Kinder. Es ist doch toll, die eigene Mutter oder den eigenen Vater singen zu hören, selbst mit einzustimmen und dadurch Primärerfahrungen beim Singen zu gewinnen. Wenn sich Eltern von Beginn an trauen, selbst zu singen, wird der Kreislauf durchbrochen und Kindern schon früh vermittelt, dass singen Freude bereitet. Das können die Kinder dann später an ihre eigenen Kinder weitergeben. Ich hoffe, dass einige meiner Songs der neuen CD „Fliegen“ auch nachgesungen oder zumindest mitgesungen werden!

Was muss ein gutes Kinderlied mitbringen? Reicht ein guter Groove und ein schmissiger Reim?

Oliver Ehmsen: Es gibt sehr viel gute Kindermusik im deutschsprachigen Raum. Die Schwerpunkte der einzelnen Künstlerinnen und Künstler sind dabei ganz unterschiedlich gelagert. Manche Songs zielen aufs Mitsingen und Mitbewegen ab, andere erzählen Geschichten und sind mehr zum Zuhören, wieder andere behandeln Themen wie den Klimawandel und regen damit zum Nachdenken und Handeln an. Der Funke für ein Lied kann bei Kindern aus ganz unterschiedlichen Gründen überspringen. Manchmal ist es tatsächlich der Groove, der sofort in die Beine geht, ein anderes Mal ist es ein witziger Text, der „um die Ecke“ gedacht ist. Ich habe bei meinem Album auch einen Mix an unterschiedlichen Liedern versucht. Titel wie „Voll in Bewegung“ sind ganz klar zum Tanzen gedacht, ein Lied wie „Wir Kinder haben Rechte“ regt zum Nachdenken und darüber sprechen an und „Verkehrte Welt“ hat einen Text zum Zuhören und Schmunzeln.

Wie wichtig sind dir als Kindermusiker die Inhalte und vielleicht auch pädagogischen Botschaften?

Oliver Ehmsen: Ich möchte mit meinen Liedern nicht pädagogisierend agieren. Es gibt eine Menge Lieder, die einfach nur Spaß machen. „Der grüne Frosch mit der roten Mütze“ ist z.B. ein Song, der besonders gut ankommt und bei nahezu jedem meiner Mitmachkonzerte zu hören ist. Er feiert in diesem Jahr sein 15-jähriges Jubiläum. Hier geht es einfach ums Mitsingen und Mitbewegen. Aber natürlich sind mir auch Botschaften in manchen Songs wichtig. Vor einigen Jahren habe ich den Titel „Hey du, siehst du mich?“ geschrieben, der der Siegertitel des Wettbewerbs der Hamburger Polizeiverkehrslehrer war und das Thema Straßensicherheit zum Inhalt hat. Im letzten Jahr haben wir mit einer Klasse den Wettbewerb „Klasse inklusiv – gemeinsam stark“ mit dem Song „Vielfalt ist das Leben“ gewonnen, der auch mit auf dem neuen Album ist. Auch dieser Song trägt eine Botschaft, nämlich dass jeder etwas anderes gut kann, jeder einzelne wichtig ist für die Gemeinschaft und man gemeinschaftlich mehr erreichen kann.

Deine Konzerte sind Mitmach-Konzerte mit vielen Elementen – was macht das so spannend für die Kinder?

Oliver Ehmsen: Ich gebe Mitmachkonzerte in Kitas und in der Grundschule für Klasse 1 und 2 und passe das Programm jeweils der Altersgruppe an. Immer gibt es einen ganzheitlichen Zugang zur Musik durch Mitsingen, Bewegen, Tanzen und Bodypercussion. Im kleineren Rahmen kommen auch mal Orff-Instrumente oder Boomwhackers zum Einsatz. Das Programm ist abwechslungsreich gestaltet, es beinhaltet viele Mitmachaktionen, aber es gibt auch ruhigere Phasen zum Zuhören. Die regulären 45 Minuten vergehen dabei meistens so schnell, dass das Konzert oft noch durch ein paar Zugaben verlängert werden muss.

Welchen Zugang zur Musik kann Kita und Grundschule liefern?

Oliver Ehmsen: Die Zeit in der Kita und in der Grundschule ist für die Kinder eine Zeit, die von einer besonderen „Offenohrigkeit“ geprägt ist. Kinder lassen sich für vielerlei Musik begeistern, wenn man sie ihnen entsprechend präsentiert. Mit zunehmendem Alter kann man mit den Kindern auch intensiv über Musik sprechen und sie lernen auch zu begründen, warum sie eine bestimmte Musik gerne oder nicht so gerne hören. Daraus entwickelt sich nach und nach ein bestimmter Musikgeschmack. Mir ist es in meinem Grundschulmusikunterricht, den ich auch gebe, wichtig, verschiedenste Musik in den Unterricht zu bringen. Natürlich habe ich auch eine Präferenz für bestimmte Musik, aber diese möchte ich den Kindern nicht überstülpen. Das was ich als Kindermusiker mit meinen Mitmachkonzerten und meinen eigenen Liedern anbiete, ist nur ein ganz kleiner Baustein des großen Musikspektrums.

 

Über Oliver Ehmsen

Oliver Ehmsen (*1978) ist waschechter Hamburger und im "normalen" Leben stellvertretener Schulleiter und Musiklehrer an einer Grundschule der Hansestadt. Neben der Arbeit in der Klasse spielt er Klavier, Keyboard und Gitarre und singt in Chören. Ehmsen komponiert Kinderlieder und schreibt für Fachzeitschriften über Kindermusik in der Grundschule.

 

Reinhören: Olli Ehmsen: Wir fliegen, fliegen, fliegen

„FLIEGEN“ – Das neue Album von Kindermusiker Olli Ehmsen

Wer hatte ihn nicht selbst schon einmal, den Traum vom Fliegen? Es sieht so einfach aus, wenn man den Vögeln dabei zuschaut. Um es ihnen gleichzutun, brauchen wir Menschen technische Hilfsmittel oder aber … unsere Fantasie … Genau dazu regt der Titelsong des neuen Kinderlieder-Albums „Fliegen“ von Olli Ehmsen an. Im Refrain heißt es dort: „Wir fliegen wie noch nie – in uns’rer Fantasie …“. Bei diesem Bewegungslied werden alle Kinder und ihre Familien mitgenommen, in Gedanken einmal übers Land und übers Meer zu fliegen.

Insgesamt 11 neue Songs mit frischem Sound plus ein Bonus-Track befinden sich auf der Zusammenstellung „Fliegen“. Es sind Songs zum Mitsingen, Tanzen und Bewegen, aber auch zum Zuhören und Nachdenken.  Lieder wie „Voll in Bewegung“ und „Keine Hexerei“ laden zum Mittanzen und zur Bodypercussion ein. „Vielfalt ist das Leben“ – der Siegertitel des Hamburger Wettbewerbs „Klasse inklusiv - gemeinsam stark“ – thematisiert das gemeinschaftliche Miteinander, das trotz aller Unterschiedlichkeiten für jeden so gewinnbringend ist. Rolf Zuckowski spricht in Bezug auf diesen Song von einer „starken Botschaft“ und meint, dass wir „Lieder wie dieses, die Kindern eine Perspektive geben, brauchen“. Der Titel „Verkehrte Welt“ stellt das normale Leben einfach auf den Kopf. Da sind dann auf einmal Fußbälle eckig, Würfel rund und die Fische gehen spazieren.

www.singen-ist-stark.de


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"Tag der kleinen Forscher": Wo lebt der Rohrfrosch?

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Es wird nass beim „Tag der kleinen Forscher“ 2020, dem bundesweiten Mitmachtag der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Am 16. Juni folgen Mädchen und Jungen den Wegen des Wassers und entdecken dabei die vielen Besonderheiten dieses für uns so alltäglichen Elements. Ganz nach dem Motto: „Von der Quelle bis ins Meer – Wasser neu entdecken!“. Als kleine Einstimmung auf den „Tag der kleinen Forscher“ stellen wir ab sofort jeden Monat ein Wasser-Experiment für den Kita-Alltag vor. Im Juni machen sich die Kinder als Nachwuchsbiologen auf die Suche nach dem Rohrfrosch.

Experiment: Wo lebt der Rohrfrosch?

Bei dieser Forscheridee schlüpfen die Mädchen und Jungen in die Rolle von kleinen Zoologinnen und jungen Tierkundlern. Sie finden und erforschen unbekannte Wasserlebewesen in ihren Biotopen, die sie später gemeinsam in einer Ausstellung – im Kinderzimmer genauso wie in der Kita oder Grundschule – präsentieren könnten.

Material:
  • Knete
  • Bastelmaterial
  • Stifte und Papier
  • viele Zettel mit Begriffen, bzw. bei jüngeren Kindern Abbildungen
  • 2 Dosen, Ziehsäckchen oder ähnliches 
  • eine Wasserlandschaft, z.B. ein blaues Tuch für einen Fluss oder ein Meer und drum herum ist dann das Land

So geht’s:

Dazu bereiten Sie zwei Dosen mit Karten vor. In der einen Dose sind Kärtchen mit Gegenständen, Obst- oder Gemüsesorten, Berufen, Ortsbeschreibungen… in der anderen Tiere, die in und am Wasser vorkommen. Die Kinder ziehen aus beiden Dosen je eine Karte. Klären Sie kurz ab, was die Mädchen und Jungen auf den Bildern erkennen, z.B. „Rohr“ und „Frosch“ (dabei ist es nicht wichtig, dass die Kinder das gleiche erkennen, wie Sie. Das Rohr könnte auch „Leitung“ oder „Schlange“ oder eben etwas ganz anderes sein).

Die Mädchen und Jungen haben nun zwei Begriffe, die sie kombinieren können, z.B. ein „Rohr-Frosch“. Wie stellen sie sich einen „Rohrfrosch“ vor? Lassen sie die Tiere durch die Kinder malen, kneten oder basteln.

Wie wäre es, wenn sich die Mädchen und Jungen noch Antworten zu folgenden Fragen überlegen: Was frisst dieses Tier? Wo leben solchen Tiere, im Wasser, an Land oder auch in der Luft? Was brauchen sie noch zum Leben? Wie bewegen sie sich?

Wissenswertes:

Die Zoologie wird auch Tierkunde genannt und gehört zur Biologie. Tiere werden erforscht in ihrem Körperbau, wie, wo und mit wem sie leben, mit wem sie verwandt sind, wie sie wandern, bzw. sich verbreiten und wie sich verhalten. Das Ziel ist es, einen Überblick über alle Lebewesen und ihre Zusammenhänge zu bekommen. In dieser Forschungsidee lernen die Mädchen und Jungen, sich Gedanken über Tiere zu machen. Ein Ziel ist, Interesse für die Natur und ihre Beobachtung zu entwickeln.

 

Entdeckertour: Von der Quelle bis ins Meer

Wasser ist der Ursprung allen Lebens, es ist in uns und wir begegnen ihm in unterschiedlichster Weise – als Regenguss, Badesee, Wassereis und vieles mehr. Einige Anregungen zum Entdecken, Forschen und Nachdenken über Wasser stellt die Stiftung Haus der kleinen Forscher bis zum diesjährigen "Tag der kleinen Forscher" in drei Videos vor. Kommt mit auf Entdeckertour und folgt den Wegen des Wassers von der Quelle über Umwege bis ins Meer!

Hier geht es zu den Videos der Entdeckertour

 

Über die Stiftung "Haus der kleinen Forscher"

Die gemeinnützige Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ engagiert sich für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) – mit dem Ziel, Mädchen und Jungen stark für die Zukunft zu machen und zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Partner der Stiftung sind die Helmholtz-Gemeinschaft, die Siemens Stiftung, die Dietmar Hopp Stiftung und die Deutsche Telekom Stiftung. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.


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Interview: Medienkonsum in Zeiten von Corona

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Digitale Medien sind aus dem Familienleben nicht mehr wegzudenken – gerade jetzt in Corona-Zeiten. Doch wie viel Medienkonsum ist für mein Kind eigentlich in Ordnung und wie behalte ich das Gesehene und Gespielte meines Nachwuchses im Blick? Ein Gespräch mit Medienpädagogen und Psychotherapeut Steve Ziemann.

 

Welche Bedeutung haben digitale Medien in der Corona-Krise für Familien?

Steve Ziemann: Aus meiner Überzeugung nimmt die Bedeutung der digitalen Medien für Familien zurzeit stark zu. Das liegt zum einen an der Generation, denn die Kinder wachsen damit ganz einfach auf, aber natürlich haben Eltern in der Corona-Zeit auch eine größere Verantwortung. Sie haben die Rolle des Erziehers, Lehrers, Betreuers und Unterhalters. Sie müssen die Kinder beschäftigen, für Ablenkung sorgen, beim Lernen unterstützen, Wissen übermitteln, Beispiele bringen und die Zeit füllen, die sonst mit Schule, Kita, Sportverein, Jugendgruppe etc. belegt wäre. Das stellt für viele eine Herausforderung dar und da können digitale Medien sehr hilfreich sein. 

 

Ausnahmezeiten brauchen auch Ausnahmen. Wie wichtig sind trotzdem Medienregeln in diesen Tagen?

Steve Ziemann: Regeln sind Regeln. Sie sollten omnipräsent und unumstößlich sein, weil Regeln einen wichtigen Grund haben: sie geben Eltern und Kindern Struktur und Halt. Sie sind deswegen gerade in Ausnahmesituationen besonders wichtig. Ohne sie entstehen Unsicherheit und Frust. Wichtig ist es aber, die Regeln nach der Situation anzupassen. Wenn es vor Corona die Regel gab, nur eine bestimmte Anzahl von Minuten Medien zu konsumieren, kann man das jetzt ausweiten. Aber auch dafür sollten ganz klare Absprachen kommuniziert und dann auch durchgesetzt werden. Die Gefahr besteht darin, die Kinder vor dem Fernseher oder dem Tablet zu „parken“, aber das sollte man vermeiden. Da ist Augenmaß gefordert und man sollte die Regeln je nach Kind aber auch an die äußere Situation anpassen. Also wenn es Lockerungen bei den Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen gibt, sollte der Medienkonsum wieder reduziert werden. Wichtig ist es, konsequent zu bleiben. Eltern sollten die Maßnahmen erklären, aber nicht rechtfertigen.

 

Gibt es „guten“ und „weniger guten“ Medienkonsum? Stichwort: Serien schauen vs. Aktiv etwas gestalten – Stopmotion Filme, etc.

Steve Ziemann: Eltern sollten sich überlegen: wofür soll der Medienkonsum dienen? Zur Unterhaltung, als Unterricht oder Pausenfüller oder um gemeinsam Zeit mit der Familie zu verbringen und Spaß zu haben. Dann muss darauf geachtet werden, dass das Format alters- und entwicklungsgerecht ist und auf zu viel Action, zu schnelle Reize, zu komplizierte Storylines verzichtet wird. Eine Überreizung mittels Bild, Ton und Story fasziniert die Kinder zwar kurzzeitig, aber sie können wenig damit anfangen oder für sich etwas daraus ziehen. Deswegen wurde als Beispiel bei der neuen Webserie KNOPF & KNÖPFCHEN auf kleinkindgerechten Content Wert gelegt. Es werden lebensnahe Situation gezeigt, begleitet durch die Eltern und einer ähnlichen Familiensituation, wie der eigenen. Durch die angenehmen Stimmen, die einprägsame Musik, die Wiederholungen und die positiv besetzten Bezugspersonen, die Teddybären Knopf und Knöpfchen, fühlen sich Kinder sicher, sie lernen moderat etwas und werden unterhalten, ganz ohne Reizüberflutung.

 

Was sind aus ihrer Sicht Qualitätskriterien für eine gute Kinderserie?

Steve Ziemann: Die Qualitätskriterien hängen ab vom Anspruch, den wir an die Serie haben. Gut ist es, wenn sie kindgerecht, lustig, unterhaltend, alltagsnah und ohne Reizüberflutung neue Anregungen und in Maßen neue Informationen übermittelt. Medien sollten den Eltern die Möglichkeit geben, Inhalte in ihre Erziehung einzubauen und darüber mit den Kindern zu sprechen („Schau mal, so wie bei uns!“), umso besser gelingt der Transfer von Gesehenem zur Lebenswelt des Kindes. Es darf auch einfach nur mal lustig sein, denn wenn es Spaß macht, bleiben die Kinder dabei und adaptieren es. 

 

Welche Chancen sehen Sie in den „Medien“-Konsum während der Corona-Zeiten? Besteht zum Beispiel die Chance, dass neue, pädagogisch-wertvolle Formate entstehen oder die Offenheit der Eltern für bewussten/wertvollwen Medienkonsum wächst?

Steve Ziemann: Definitiv ist das eine ganz große Chance. Der Stellenwert von e-Learning wächst und spielt eine immer größere Rolle. Internet und digitale Medien werden immer wichtiger und gehören zum Alltag der Kinder. Wichtig ist nicht nur zu wissen, wie man sie nutzen kann, sondern auch, verantwortungsvoll damit umzugehen. Das Bewusstsein und die Akzeptanz, wie integrativ Medien verwendet werden können, ist ein Benefit von Corona.

Es gibt Beispiele wie Mebis und die Anton App, die es schon lange vorher gab. Aber jetzt werden sie richtig akzeptiert und gehören zur Normalität. Sie werden auch nach Corona sinnvoller Bestandteil bleiben. Blended learning wird im Schulalltag Einzug halten, remote learning wird immer mehr Möglichkeiten über die digitalen Medien bieten. Man sollte diese Welt nicht allein der Schule überlassen, sondern auch zuhause nutzen und Eltern ihre Kinder dazu anhalten, diese Möglichkeiten zu wahrzunehmen und z.B. zu einem Thema, das sie interessiert, zu recherchieren.

 

Wir Eltern stehen dieser Tage unter besonderem Druck – Homeoffice, Kinderbetreuung, Haushalt, Kochen. Aus Zeitgründen ist es überhaupt nicht möglich, den Medienkonsum der Kinder vollends zu begleiten oder zu beobachten. Wie behalte ich trotzdem im Auge, was meine Kinder spielen oder schauen?

Steve Ziemann: Es ist etwas zweischneidig. Eltern müssen wissen, was Kinder schauen. Sie müssen nicht die ganze Zeit dabei sein, aber wenn Kinder uneingeschränkten Zugang zu Medien haben, werden sie aus Neugier, Interesse oder Zufall früher oder später über Inhalte stolpern, die für sie nicht angemessen sind. Daher sollte es zwei regulierende Faktoren geben: Die Eltern sollten den Medienkonsum kontrollieren, in dem Sie z.B. feste Bildschirmzeiten ausmachen, den Zugang begrenzen oder mittels Kindersicherung einschränken.

Der zweite Faktor ist, die eigene Moralentwicklung der Kinder zu unterstützen. Ein Kind merkt recht schnell, wenn etwas nicht für es geeignet ist. Aber bevor es etwas sieht, dass es erschreckt, ist es besser schon im Vorfeld mit ihm zu reden und dabei zur Verantwortung zu erziehen, anstatt Angst zu machen. Man kann auch mit Belohnung oder Sanktionen arbeiten: Wenn das Kind unkontrolliert herumschaltet, darf es nicht mehr fernsehen.

Wichtig ist, dass die Kinder mit der Mediennutzung nicht allein gelassen werden und sich abgeschoben fühlen. Sie sollen jederzeit in der Lage sein, Fragen zu dem Gesehenen stellen zu können.

 

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht im Moment der analoge Ausgleich? Der Spaziergang mit Abstand oder ein bisschen Zeit im Garten.

Steve Ziemann: Definitiv mindestens genauso wichtig wie vor Corona auch. Der größte Nachteil in dieser Krise ist nicht die veränderte Mediennutzung oder geschlossene Kitas und Schulen. Die fehlenden soziale Kontakte, das Treffen mit Gleichaltrigen, der peer group, macht Kindern und Jugendlichen sehr zu schaffen. Der Mensch ist ein soziales Wesen und die soziale Einbindung ist ungemein wichtig. Werte wie sozialer Austausch, Bindung, Nähe, Liebe sind umso wichtiger in den Zeiten, in denen der Kontakt zu Freunden oder Familienmitgliedern wie z.B. den Großeltern fehlt. Gerade dann braucht es verstärkt „quality time“ mit den Bezugspersonen, die zur Verfügung stehen, in der Regel Eltern und Geschwistern. Das gelingt besonders durch analoge Aktivitäten, wie Bücher vorlesen, Brett- oder Kartenspiele mit der Familie, Basteln, Malen, gemeinsam kochen…

Außerdem muss es einen Ausgleich zum Zuhause-Hocken geben: Möglichkeiten draußen zu spielen, sich zu bewegen, um gesund zu bleiben aber auch, um sich lebendig und frei(er) zu fühlen. Wenn der Handlungsspielraum eingeschränkt wird, fühlt sich schon ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft wie ein Stück Freiheit an, die man genießen kann.

Insgesamt möchte ich sagen: es gibt eigentlich keine schlechten Medien, sondern die Dosis macht das Gift. Wenn der Konsum über die Maße steigt, hat er negative Auswirkungen. Solange er Kinder nicht gefährdet und solange anderen Sachen nicht vernachlässigt werden, ist alles gut.

 

Über Steve Ziemann

Steve Ziemann ist Diplom Pädagoge approbierter Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Seine psychotherapeutische Ausbildung absolvierte er bei der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie in München. Nach langjähriger Tätigkeit auf psychiatrischen Stationen verschiedener Kliniken und bei niedergelassenen Psychiatern und Psychotherapeuten, machte er sich 2019 selbstständig und hat in seiner Praxis mit vielen verschiedenen psychischen Störungsbildern zu tun. Die richtige Mediennutzung ist dabei ein besonders wichtiges Thema in vielen Altersstufen. Zusätzlich widmet er sich auch der Prävention und der Forschung im Bereich Krisenintervention.

Medientipp: KNOPF & KNÖPFCHEN

Die zwei Teddybären KNOPF & KNÖPFCHEN®, einer gesprochen von Max von der Groeben („Bibi & Tina“, „Fack ju Göhte“), wohnen in einem knuffigen Gartenhäuschen. Der kleine, quirlige und der große, kluge Bär unterhalten sich am liebsten über Themen, die Kinder tagtäglich beschäftigen, wie z.B. Zähneputzen, Schuhe binden, Seifenblasen pusten oder auch nur eine Sonne malen. Spielerisch taucht die Serie in die Alltagswelt der Kinder ein und beobachtet, wie sie kleine Erlebnisse und große Erfahrungen sammeln. Begleitet von einem fröhlichen Erkennungs- und Abschiedslied lernen sie mit Freude und Begeisterung jeden Tag etwas Neues.

Trailer –Knopf & Knöpfchen

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Psychologie am Esstisch: Tipps & Tricks

Das Essverhalten von Kindern wird durch ganz unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Dazu zählen an erster Stelle Lernprozesse und die Erziehung, denn in den ersten fünf Lebensjahren durchlaufen die Essgewohnheiten einen stetigen Wandel. Aber auch Innen- und Außenreize beeinflussen das Verhalten am Esstisch. Hat das Kind keinen Hunger oder fühlt sich unwohl, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es nichts isst. Andererseits können Aussagen wie ,,Ohne Essen darfst du nicht spielen‘‘ das Kind unter Druck setzen. Ein weiterer Faktor sind genetische Präferenzen, denn Vorlieben und Abneigungen können genetisch bedingt sein. Darüber hinaus bestimmen auch kulturelle Einflüsse und familiäre Gewohnheiten die Vorliebe für gewisse Speisen.

Tipps und Tricks: Was Sie tun können
  • Lehnt das Kind bestimmte Nahrungsmittel ab, lautet das Zauberwort ,,Mischen‘‘. Ein leckerer Mix einer Lieblingsspeise kann einiges verändern.
  • Ist das Kind vor dem Essen unruhig, lassen Sie es mit dem Essen sofort anfangen, sobald es auf dem Teller liegt.
  • Ist das Kind während des Essens unruhig, lassen Sie es im Stehen weiter essen. Hat es keinen Hunger mehr, darf es den Tisch verlassen.
  • Will das Kind noch mehr essen, lassen Sie es sich auf Grundlage einer gesunden Ernährung satt essen.
  • Lehnt das Kind Obst und Gemüse ab, versuchen Sie, seine Fantasie anzuregen. Viele Obst- und Gemüsesorten machen Muckis.
Tipps & Tricks: Was Sie nicht tun sollten
  • ,,Gute‘‘ Argumente vorbeten bringt oft nicht viel. Basteln Sie eine Urkunde für den Fall, dass das Kind eine Woche lang das Obst aus der Brotdose isst.
  • Aufgeben ist keine Option. Immer wieder dasselbe anzubieten, hat sich als effektive Methode erwiesen.
  • Belohnen Sie das Kind nicht mit Süßigkeiten. Es könnte glauben, Schokolade und Co. seien wichtiger als eine ausgewogene Mahlzeit.

Die Vorlieben von Kindern durchlaufen einen Wandel. Dieses Spielchen sollten Sie entspannt mitspielen und den Kleinen das Gefühl vermitteln, dass Essen Freude macht.