Rechtssicheres Arbeiten in der Kita

Erste Hilfe nach Unfällen in Ihrer Kita – So handeln Sie rechtssicher Immer mal wieder passieren sicher auch bei Ihnen in der Einrichtung Unfälle, bei denen erwartet wird, dass Sie richtig handeln. Aber dies ist nicht immer so einfach. Hier ein paar Beispiele aus der Praxis.

Keine Strafe, wenn die Schwere der Verletzung nicht ersichtlich ist

Ein 5-jähriger Junge klagt über leichte Kopfschmerzen. Er ist während des Freispiels am Klettergerüst ausgerutscht und ca. 1 Meter gefallen, wobei er sich den Kopf angestoßen hat. Die Erzieherin fragt den Jungen, ob sie die Eltern verständigen soll.

Der Junge sagt, dass er in der Einrichtung bleiben will, da die Eltern verreist seien und er später zur Oma gehen werde. Die Erzieherin bringt ihn in den Erste-Hilfe-Raum, damit er sich auf der Liege ausruhen kann. Nach dem Kindergarten wird er von seiner Oma abgeholt.

In der Nacht befällt den Jungen eine plötzliche Übelkeit. Er muss sich mehrmals erbrechen und klagt über starke Kopfschmerzen. Der Notarzt lässt ihn sofort ins Krankenhaus bringen. Dort wird ein Schädelbasisbruch festgestellt.

Die Eltern des Jungen werfen der Einrichtung vor, nicht für eine ausreichende ärztliche Versorgung gesorgt zu haben. Sie drohen mit einer Strafanzeige gegen die Erzieherin wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 Strafgesetzbuch [StGB]) und unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB).

Rechtslage:
Eine Strafanzeige gegen die Erzieherin hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder kann ihr der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB noch der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB gemacht werden.

Begründung:
Für die Erzieherin war die Schwere der Verletzung nicht erkennbar, ebenso wenig war eine Abstimmung mit den Eltern möglich. In der gegebenen Situation hat sie das aus ihrer Sicht Erforderliche getan. Dass dies, wie sich im Nachhinein herausstellte, unzureichend war, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Die Einrichtung ist im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den ihr anvertrauten Kindern verpflichtet, Schaden von Leib und Leben und an der Gesundheit abzuwenden. Daraus ergibt sich die Verpflichtung der Einrichtung, bei Unfällen die erforderlichen ärztlichen Hilfsmaßnahmen zu veranlassen.

Unterlässt sie dies und erleidet das Kind dadurch einen Körperschaden, so kann die verantwortliche Erzieherin sich einer unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB und einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB schuldig machen. Nach § 323c StGB sind bei Unglücksfällen das Erforderliche und Zumutbare zu veranlassen.

Tipps zum sicheren Umgang mit Erste-Hilfe-Maßnahmen

Informieren Sie beim 1. Elternabend die Eltern über die ärztliche Notversorgung, die Sie in der Einrichtung vornehmen können.

Weisen Sie darauf hin, wie wichtig die telefonische Erreichbarkeit der Eltern ist, und bitten Sie um Mitteilung bei Veränderungen.

Aktualisieren Sie diese Daten 2-mal im Jahr mit Hilfe eines Formblattes.
Wägen Sie sorgfältig ab, was notwendig ist:
a) Das Kind in Begleitung nach Hause zu bringen
b) Das Kind in Begleitung zum Hausarzt oder ins Krankenhaus zu bringen
c) Abwägen, ob akuter Handlungsbedarf durch ärztliche Notversorgung besteht
Überlassen Sie im Zweifel immer dem Arzt und den medizinischen Fachleuten die Entscheidung.

Es ist nicht immer leicht, bei Unfällen einen kühlen Kopf zu behalten. Anhand oben beschriebener Fälle und Tipps werden Sie aber zukünftig besser gerüstet sein.

Rechtssicheres Arbeiten II

Sommerfest in der Kita – Wann haben Eltern eine Aufsichtspflicht?

Das Thema Aufsichtspflicht gehört zu den großen Fallen von Kita-Leiterinnen und Erzieherinnen. Eine Verletzung hat für Sie schwerwiegende Folgen. Trotzdem sind Informationen in diesem Bereich fast immer zu kompliziert oder zu allgemein gehalten. Gerade in nicht alltäglichen Situationen – insbesondere bei Festen in Ihrer Einrichtung – benötigen Sie aber fundiertes Wissen.
So wird die Aufsichtspflicht an Sie delegiert

Die Eltern haben die elterliche Sorge und besitzen die Aufsichtspflicht (gesetzliche Grundlage für die Aufsichtspflicht ist § 1626 BGB). Mit der Schließung des Betreuungsvertrages delegieren die Eltern ihre Aufsichtspflicht an den Träger. Der Träger überträgt diese auf die Kita-Leitung und über die Kita-Leitung auf die Mitarbeiter. Der Inhalt des Betreuungsvertrages legt im Groben Dauer und Inhalt der Aufsichtspflicht fest.

Inhalt der Aufsichtspflicht in der Kita
Die Aufsichtspflicht beinhaltet 2 Aspekte:

Schutz des Kindes

Schutz vor Schaden durch das Kind gegenüber Dritten
Unklar ist oft, wer die Aufsichtspflicht in der Kita hat

Wo der Verantwortungsbereich Ihrer Einrichtung anfängt, ist meist nicht konkret geregelt. Bei der Delegation der Aufsichtspflicht gibt es oft

Zuständigkeitskonflikte,

Verantwortungslücken,

Mehrfachzuständigkeiten.

Spätestens nach einem Schaden wird jedoch geregelt, wer nun tatsächlich die Aufsichtspflicht hatte.

Die Klärung von Zuständigkeitsbereichen ist also das A und O, um vorbeugend Zuständigkeitslücken zu schließen. Oft verlassen sich Erzieherin und Eltern gleichermaßen darauf, dass der andere aufpasst!

Am Beispiel eines Sommerfestes in Ihrer Kita zeigt Ihnen der Informationsdienst „Die Kita-Leiterin“ im Folgenden, wann die Eltern bei einer solchen Veranstaltung die Aufsichtspflicht tragen und wann Sie als Kita-Leitung bzw. Ihre Mitarbeiterinnen.
Wann haben Sie die Aufsichtspflicht?
Praxisbeispiel 1:

Bevor die Sommerfestaufführung anfängt, sammeln Sie alle Kinder im Gruppenraum, um sie mit Hilfe Ihrer Kollegin umzuziehen. Die Eltern warten währenddessen im Garten.

In diesem Fall haben Sie die Aufsichtspflicht übernommen, obwohl die Eltern in der Einrichtung sind. Der Grund: Die Kinder wurden der elterlichen Aufsicht entzogen. Sie haben die Kinder von den Eltern weggeholt.

Wann haben die Eltern die Aufsichtspflicht?
Praxisbeispiel 2:

Am Ende der Aufführung sorgen Sie für die Aufmerksamkeit der Eltern und weisen die Kinder auf der Bühne laut und deutlich an, zu den Eltern zu gehen. Danach laden Sie die Eltern mit ihren Kindern zum gemütlichen Beisammensein im Garten ein.

Jetzt haben die Eltern die Aufsichtspflicht. Denn Sie haben den Eltern das Kind wieder übergeben und ihnen auch die damit verbundenen Pflichten und Rechte rückübertragen. Wichtig sind immer Klarheit und Eindeutigkeit bei der Übergabe von einem in den anderen Aufsichtsbereich.

Ihre Organisationspflichten
Der Träger hat Organisationspflichten zu erfüllen. Das heißt, er hat dafür zu sorgen, dass eine Aufsichtspflichtverletzung weitgehend ausgeschlossen ist z. B. durch angemessenes Personal. Als Leitung haben Sie dabei eine besondere Verantwortung inne. Sie müssen das Personal aufklären, beraten, einsetzen und unterstützen und den Träger über Organisationsprobleme entsprechend informieren.

Ihre Verkehrssicherungspflicht
Sie sind auch verpflichtet, alle Vorkehrungen zu treffen, damit die Einrichtung gefahrlos benutzt werden kann. Es geht gewissermaßen um die Aufsicht über Gegenstände und Gebäude. Die Verkehrssicherungspflicht bezieht sich sowohl auf Kinder Ihrer Einrichtung als auch auf die Besucher. Gefahrenquellen müssen Sie daher ausschalten oder vorläufig absichern und den Einrichtungsträger informieren.

Rechtssicheres Arbeiten III
Wegeunfall – Was Sie beachten müssen, damit der gesetzliche Versicherungsschutz auch wirklich greift

Täglich machen Sie und Ihre Kolleginnen sich auf den Weg von Ihrer Wohnung zur Kindertagesstätte oder nach der Arbeit auf den Heimweg. Oft erledigen Sie auf dem Heimweg noch rasch private Einkäufe für das Abendessen oder Sie tanken Ihren Pkw, um auch am nächsten Tag wieder pünktlich in der Kindertageseinrichtung zu erscheinen.

Sie sollten die Rechtslage bei Wegeunfällen kennen und auch Ihre Kolleginnen darüber informieren, für den Fall, dass auf dem Weg von oder zur Arbeit ein Unfall passiert.

Das Bundessozialgericht (BSG) legte in seinem Urteil vom 05.05.1998, Az.: B 2 U 40/97 3, relevante versicherungsrechtliche Voraussetzungen zu Grunde, die im Falle eines Wegeunfalls sowohl für Sie als Kita-Leiterin und Ihren Träger als Arbeitgeber als auch für Ihr Personal als Arbeitnehmer von großer Bedeutung sind:

Das sollten Sie im Falle eines Wegeunfalls wissen
Verunglückt eine Erzieherin Ihrer Kindertageseinrichtung auf dem Weg zur Arbeit oder auf ihrem Nachhauseweg, ist sie durch die Berufsgenossenschaft abgesichert.

Resultieren Beeinträchtigungen aus dem Unfall der Erzieherin, hat sie Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Wenn Ihr Personal Ihnen einen Wegeunfall meldet, sollten Sie sich über die rechtliche Sachlage informieren.

Stellen Sie anhand der folgenden Kriterien zunächst fest, ob es sich tatsächlich um einen solchen Unfall handelt.

Nur auf dem direkten Hin- und Rückweg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz – also der Kita oder dem Kindergarten – ist Ihr Personal bei einem Unfall versichert. Unerheblich ist dabei, wie der Unfall geschieht – ob Ihre Mitarbeiterin mit dem Pkw, dem Fahrrad oder als Fußgängerin verunglückt, ist rechtlich unerheblich.

Umwege sind grundsätzlich nicht mitversichert. Wenn Ihre Mitarbeiterin auf dem Heimweg einen Umweg macht, um einer Freundin einen Besuch abzustatten, ist sie bei einem Unfall nicht über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert.

Bei Unterbrechungen des direkten Weges, die privaten Zwecken dienen, besteht kein gesetzlicher Versicherungsschutz. Zu Wegunterbrechungen zählen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beispielsweise private Einkäufe oder routinemäßige Arztbesuche.

Bei Wegeunfällen gilt die 2-Stunden-Regelung. Diese bedeutet: Wenn eine Erzieherin ihren Arbeitsweg länger als 2 Stunden unterbricht, beispielsweise um nach ihrem Dienst einen Arzt wegen einer akuten Erkältung zu konsultieren, damit sie am nächsten Tag wieder arbeitsfähig ist, zählt ein Wegeunfall nur von der Kindertagesstätte bis zum Arzt. Ein eventueller Unfall danach gilt nicht als „Wegeunfall“.

Praxisbeispiel 1
Eine Erzieherin erklärt sich auf die Bitte der Leiterin hin bereit, nach Dienstschluss auf dem Nachhauseweg einen kleinen Umweg zu fahren und für die Einrichtung Servietten und Tischdekoration für das bevorstehende Elternfest zu kaufen. Auf dem Parkplatz des Dekorationsgeschäftes wird die Erzieherin von einem Auto erfasst und erheblich verletzt.

Versicherungsrechtliche Sicht: Die Erzieherin handelte im Auftrag der Leiterin, deshalb ist der Einkauf keine private Unterbrechung des Arbeitsweges. In diesem Fall greift die gesetzliche Unfallversicherung.
Praxisbeispiel 2

Die teilzeitbeschäftigte Erzieherin, deren Arbeit erst um 11:30 Uhr beginnt, nimmt vor der Arbeit einen Friseurtermin wahr. Sie stürzt auf der Treppe des Friseurgeschäftes und verletzt sich schwer.

Versicherungsrechtliche Sicht: Der Friseurtermin stellt eine private Unterbrechung des Arbeitsweges dar. Es handelt sich nicht um einen Wegeunfall, deshalb steht diese Erzieherin nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Informieren Sie sich bei einem Wegeunfall Ihrer Mitarbeiterinnen über die näheren Umstände. Setzen Sie Ihr Personal über die Kriterien in Kenntnis, unter denen die gesetzliche Unfallversicherung bei einem Wegeunfall greift. Damit vermeiden Sie bei Ihrem Personal Enttäuschungen und Missmut für den Fall, dass der gesetzliche Versicherungsschutz nicht eintritt.

Mehr Informationen auch zu anderen Themen unter www.kita-leiterin.de
Dort können Sie die Broschüre auch für 30 Tage kostenlos kennenlernen.

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