Essstörungen im Kindergarten

Grundsätzlich gilt: Kinder müssen nicht zum Essen erzogen werden. Essen ist eine natürliche Bedürfnisbefriedigung, verbunden mit sinnlichem Genuss und Wohlbefinden. Ob das Essverhalten eines Kindes als normal oder als auffällig angesehen wird, hängt mehr als andere Wahrnehmungen von der Einschätzung der Bezugspersonen ab.

Es ist festzustellen,  dass Essstörungen fast immer auf emotionale Spannungen oder Mangelerlebnisse hindeuten. Fühlt sich ein Kind zu wenig angenommen und beachtet,
kann es dies unbewusst über auffälliges Essverhalten mitteilen. Gleiches gilt für Kinder, die zu stark
reglementiert werden, so dass sie kaum selbstständig handeln und aktiv werden können. Diese Kinder sind oft antriebsarm und essen vermehrt, während sie sich gleichzeitig zu wenig bewegen.

Es gilt deshalb, immer auch die sozial-emotionale Komponente des Essverhaltens eines Kindes in den Blick zu nehmen. Wenn Kinder zu Hause sich selbst überlassen sind und unter einem Mangel an Zuwendung und Kommunikation leiden, hilft es nicht viel, die Essproblematik des Kindes isoliert anzugehen. Vielmehr müssen die gesamten Lebensumstände der Familie betrachtet werden, um
langfristig stabile Veränderungen erzielen zu können.

Dennoch ist es auch im Alltag der Kindertageseinrichtung wichtig, gute Rahmenbedingungen
zu schaffen. Um ein gesundes Essverhalten der Kinder zu fördern und so einen Beitrag zur
Prävention in Bezug auf Essstörungen zu leisten, sollten folgende Aspekte bedacht und umgesetzt werden:

In der Kindertageseinrichtung sollte die Freude am Essen gefördert werden.
Hilfreich ist es, die Kinder im Rahmen von "Kochtagen" in den Prozess der Zubereitung mit einzubeziehen, sie mitentscheiden und mithelfen zu lassen.
Die Kinder sollen erleben, wie sich Lebensmittel in wahre Leckerbissen verwandeln.

Fragen, die klären helfen, inwieweit ein Kind auffälliges Essverhalten zeigt:
- Seit wann und in welcher Häufigkeit zeigt das Kind Verhaltensauffälligkeiten beim Essen?  Wird es    durch dieses Verhalten im Tagesablauf eingeschränkt?
- Wie ist die emotionale Gesamtverfassung des Kindes? Wirkt es eher traurig und zurückgezogen oder    interessiert und glücklich?
- Welchen Eindruck machen die Eltern? Vertreten sie selbstbewusst ihre Meinung oder wirken sie eher  verschlossen? Sind sie selbst über- oder untergewichtig?
- Wie sieht das mitgebrachte Frühstück/Vesper des Kindes aus? Achten die Eltern auf gesunde    Ernährung?
- Welche Mengen verzerrt das Kind? Schlingt es das Essen herunter oder stochert es nur lustlos darin  herum? Wie oft und wie lange hält es sich bei freien Essenszeiten am Esstisch auf?
- Wie wird Esskultur in der KiTa gelebt? Welche Faktoren könnten das auffällige Essverhalten des  Kindes begünstigen?
- Hat das Kind Kontakte zu anderen Kindern in der Gruppe? Wird es akzeptiert oder ausgegrenzt?
- Zeigt das Kind noch andere (Verhaltens-) Auffälligkeiten?
- Wie verhalte ich mich als Erzieherin diesem Kind gegenüber? Fällt es mir auf Grund seiner   Essproblematik oder seines Wesens schwer, es anzunehmen? Bin ich als Erzieherin
 ein gutes Vorbild in Bezug auf das Essverhalten? Welche Möglichkeit habe ich, das Kind zu    unterstützen  und zu stärken?

Wichtig ist eine angenehme Atmosphäre beim Essen.
Hier kann ein liebevoll gedeckter und dekorierter Tisch einen Beitrag leisten.
Gemeinsame Rituale vor dem Essen helfen den Kindern, sich im Alltag zurechtzufinden. Sie geben Struktur und Sicherheit. Tischreime oder Lieder werden von den Kindern in der Regel sehr gut angenommen. Eine feste Sitzordnung am Esstisch ermöglicht der Erzieherin, auffällige Esser neben sich zu setzen und bei Bedarf zu unterstützen. Miteinander zu essen gibt Gelegenheit, Achtsamkeit und Rücksichtnahme zu üben.

Gute Tischmanieren wie nicht zu schmatzen, nicht mit vollem Mund zu sprechen oder nicht mit dem Essen zu spielen, sollten selbstverständlich sein. Dementsprechend sollten Kinder lernen, mit
Besteck umzugehen. Ein vielfältiges Nahrungsangebot ist wichtig. Die Erziehungspersonen entscheiden, welche Nahrung angeboten wird. Wenn von den Kindern neue Speisen abgelehnt werden, sollte die Erzieherin Geduld haben. Sie kann das Kind immer wieder ermuntern, etwas Neues zu probieren, zwingen sollte sie es hingegen nicht.

Getränke (Wasser, Tee) sollten in der Kindertagesstätte reichhaltig zum Essen und zu jeder
Tageszeit angeboten werden. "Verbotene" Lebensmittel gibt es nicht. Auch Süßes darf gegessen werden. Entscheidend ist, wann und wie viel davon. Das gemeinsame Essen am Tisch bietet auch die
Möglichkeit zur Förderung der Selbstständigkeit. Kinder lernen so beim Essen, ihr eigenes Maß zu finden und einzuhalten.

Essen findet am Tisch statt; alle Kinder bilden dementsprechend eine Tischgemeinschaft.
Wenn ein Kind nicht essen möchte, sollte es dennoch am Tisch sitzen und den anderen Gesellschaft
leisten. Für die Kinder ist es wichtig, wie sich die Erzieherin selbst am Esstisch verhält, wie sie ihre Vorbildfunktion ausfüllt. Die Erzieherin sollte langsam und genussvoll essen und bereit sein, von allem zu probieren. Aber auch sie darf bestimmte Dinge nicht mögen.

Auf ein störungsfreies Essen sollte geachtet werden.
Die Spielsachen der Kinder oder das Telefon der Erzieherin haben nichts auf dem Esstisch zu suchen.
Unterhaltungen hingegen sind erwünscht, denn sie sorgen für eine entspannte Atmosphäre.

Wenn ein Kind mit gutem Appetit gegessen hat, muss es nicht gelobt werden. Viel essen ist kein Verdienst und wenig essen kein Fehler.

Das Beendigen einer Mahlzeit sollte je nach Alter und Belastbarkeit der Kinder so gestaltet werden, dass man erst aufsteht, wenn alle zu Ende gegessen haben. Zu Ende heißt nicht: bis alle Teller leer
sind, sondern bis alle am Tisch satt sind. Ein gemeinsames Ritual kann das Essen beschließen.

Um dass Verhalten eines essgestörten Kindes zusätzlich positiv zu beeinflussen, sollten tägliche Bewegungsmöglichkeiten als Ausgleich zum oft bewegungsarmen Gruppenalltag genutzt werden.
Gleichzeitig ist zu bedenken, dass viele Kinder ihren Körper nicht mehr intensiv erleben, so dass es
wichtig ist, sie für die eigene Körperwahrnehmung zu sensibilisieren. Die fehlenden Körpererfahrungen erschweren nicht nur die Bewegungskoordination und die Ausbildung eines gesunden Selbstbewusstseins, auch die geistige Entwicklung wird beeinträchtigt.
Gerade übergewichtigen Kindern vermitteln sportliche Aktivitäten, aber auch Massagen und Stilleübungen wichtige Erfahrungen.

Auch eine Stärkung des Selbstwertgefühls ist bei übergewichtigen Kindern besonders wichtig. So sollten die Erzieherinnen dem Kind nicht das Aussehen, sondern die positiven Eigenschaften und Fähigkeiten spiegeln. Kinder fühlen sich dann ernst genommen und entwickeln die Fähigkeit, Verhaltensweisen positiv zu verändern.

Nicht zuletzt kann auch die Projektarbeit zum Thema "Gesundheit und Ernährung" dazu beitragen, dass Kinder lernen, ihren Körper zu achten, Körperempfindungen wahrzunehmen und gesund zu leben.

Bei Essstörungen ist es immer ratsam, dass der Kinderarzt hinzugezogen wird. Eine genaue diagnostische Abklärung zeigt, ob das Körpergewicht noch im Toleranzbereich liegt oder bereits behandlungsbedürftig ist. Auch wenn organische Ursachen seltener sind, müssen sie diagnostisch
ausgeschlossen werden. Zudem ist eine Abklärung der psychodynamischen Probleme und gegebenenfalls eine therapeutische Behandlung (z.B. Verhaltenstherapie, Familientherapie) zu veranlassen. Im Rahmen der Behandlung von Essstörungen ist der gemeinsame Wille der gesamten Familie notwendig, wenn sie sich auf ein geeignetes Therapieprogramm einlässt. Die Durchführung erfordert in der Regel viel Geduld und Verständnis, auch für mögliche Rückschläge. Übermäßiger
Erwartungsdruck belastet das Kind. Wichtig ist: Je früher eine Therapie beginnt, desto höher sind die Erfolgschancen.

Möglichkeiten der Einflussnahme:
- Die Freude am Essen fördern.
- Eine angenehme Atmosphäre schaffen.
- Gemeinsame Rituale pflegen.
- Eine feste Sitzordnung einhalten.
- Auf gute Tischmanieren achten.
- Die Bedeutung eines vielfältigen Nahrungsangebots berücksichtigen.
- Die Selbstständigkeit förden.
- Die Gemeinschaft der Kinder am Tisch unterstützen.
- Auf die eigene Vorbildfunktion achten.
- Ein störungsfreies Essen garantieren.
- Die Mahlzeit positiv beenden.

Auszüge aus der Broschüre:
Symptome und Ursachen sowie Interventionsmöglichkeiten im Rahmen des Tätigkeitsfeldes von Erzieherinnen
Die Broschüre wurde im Auftrag des Landesjugendamtes des Landes Brandenburg erstellt.
http://www.brandenburg.de/sixcms/media.php/bb2.a.5704.de/Verhaltensauffaellige_Kinder_Kita.pdf





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