Rückengerecht arbeiten in der Kita

Mit den Kindern auf dem Fußboden knien oder in der Sandkiste hocken, die Kleinsten auf den Wickeltisch heben, sich zum Basteln auf Kinderstühle zwängen und dann vielleicht noch verdreht am Schreibtisch sitzen ... Das Berufsleben von Erzieherinnen und Erziehern kann anstrengend sein.

Doch diese Anstrengung bietet auch Möglichkeiten, sein tägliches Bewegungspensum zu erfüllen, sagt die BGW-Rückenexpertin und Physiotherapeutin Ilka Graupner. ""Ein wichtiger Ansatzpunkt für einen gesunden Rücken ist in der Kita jedenfalls gegeben: Abwechslung und Bewegung gehören hier fest zum Arbeitsalltag.""

Ihr Rat: ""Nach dem ‚TOP-Modell‘ lässt sich ein rückengerechter Arbeitsplatz gestalten. Dabei spielen ergonomische Möbel genauso eine Rolle wie eine durchdachte Arbeitsorganisation und Bewegungen, die Muskeln und Gelenke richtig belasten.""

Am Anfang steht die Gefährdungsbeurteilung, die in eine Maßnahmenplanung nach dem TOP-Prinzip mündet: In erster Linie sollen Gefahrenquellen beseitigt werden.

Wenn das nicht möglich ist, müssen Gefährdungen durch Schutzmaßnahmen minimiert werden. Und zwar vorrangig durch
technische Maßnahmen (T), dann durch organisatorische Maßnahmen (O) und erst dann durch personen- und verhaltensbezogene Maßnahmen (P). Graupner erläutert das Vorgehen an einem Beispiel aus dem Kita-Alltag: So hat die Gefährdungsbeurteilung ergeben, dass die Erzieherin täglich zehn Kinder mit einem Gewicht von mehr als zehn Kilo auf den Wickeltisch hebt. Damit daraus keine gesundheitlichen Probleme entstehen, stellt sich zuerst die Frage, ob die Gefährdung komplett zu verhindern oder technisch zu lösen ist: Kommen die Kinder vielleicht auch alleine auf den Tisch?

An dieser Stelle lohnt sich ein unvoreingenommener Blick auf mögliche Lösungen besonders, rät Graupner. Auch was auf den ersten Blick nicht umsetzbar erscheint, bietet oft ganz neue Perspektiven für spätere Maßnahmen. Viele Tipps aus der Praxis haben auch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder die Betriebsärzte auf Lager, die ohnehin in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen sind.

Kann technisch-baulich die Gefährdung – im aktuellen Fall das Heben und Tragen der Kinder – noch nicht vollständig beseitigt werden, wird dann auf der organisatorischen Ebene beispielsweise geprüft, ob die schweren Wickelkinder auf mehrere Erzieherinnen verteilt werden können. Erst danach werden personenbezogene Maßnahmen ergänzt – wie das Trainieren und Anwenden rückengerechter Tragetechniken oder regelmäßiges Krafttraining.

Um bei dem Beispiel zu bleiben: Für die Erzieherin wurden schließlich – ganz im Sinne des Maßnahmenmix – Lösungen auf allen drei Ebenen gefunden. Es konnte ein Wickeltisch mit Treppe angeschafft werden. Gleichzeitig wurde die Aufgabe „Wickeln“ im Team anders aufgeteilt. Und zusätzlich hat sich die Erzieherin entschlossen, an einer Rückenschule der Krankenkasse teilzunehmen.

Richtig sitzen, heben und tragen


Ilka Graupner rät zu einem überlegten Vorgehen, das die tatsächliche Situation vor Ort miteinbezieht. ""Ziel muss es sein"", sagt Graupner, ""ergonomische Arbeitsplätze zu schaffen, die durch ihre Konstruktion zu einer aufrechten, körpernahen, physiologischen und dynamischen Körperhaltung einladen."" Speziell für das Heben und Tragen ist der Ausgangspunkt dabei die Lastenhandhabungsverordnung.

Organisatorisch lässt sich wiederum sicherstellen, dass Tätigkeiten abgewechselt werden oder Hilfsmittel zur rechten Zeit am rechten Ort zur Verfügung stehen. Auch Unterweisungen und Schulungen im rückengerechten Arbeiten sorgen für Entlastung.

In der Praxis kommt dann beim Heben die Technik eines Gewichthebers zum Einsatz: etwas in die Knie gehen und das Kind, das hochgehoben oder getragen werden soll, langsam anheben. Schwere Spielgeräte sollten grundsätzlich mithilfe von Sackkarren oder Rollbrettern bewegt werden, Tische und Stühle lassen sich leichter auf Filzgleitern ziehen.

""Und auch das Schuhwerk verdient mehr als nur einen Blick"", betont Ilka Graupner. Bequeme geschlossene Schuhe mit flachen Absätzen und einer leichten Polsterung an den Fersen reduzieren das Risiko von Sturz- und Stolperunfällen und verschaffen dem Rücken eine gesunde Ausgangsposition.

Bewegungsmöglichkeiten nutzen

Was den Kindern Spaß macht, tut auch den Erzieherinnen und Erziehern gut: Bewegungsspiele, Dehn- oder Entspannungsübungen lassen sich ohne großen Aufwand in die Abläufe integrieren. ""Regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivität, beruflich und privat, erhält die Kraft und Ausdauer der Muskeln und fördert die Lebensqualität und Gesundheit"", bekräftigt Graupner.

""Erwachsene sollten täglich mindestens 30 Minuten körperlich aktiv sein, dabei etwas schwerer atmen als normal und leicht ins Schwitzen kommen. Das gelingt bereits beim Radfahren oder beim ‚strammen‘ Spazierengehen. Will man Kraft und Kondition aufbauen, sollte gezielt unter Anleitung trainiert werden"", empfiehlt die Rückenexpertin. Die Einrichtung kann das mit entsprechenden Angeboten zur Gesundheitsförderung unterstützen.

Auf zwei Punkte kommt es Ilka Graupner besonders an: ""Man sollte darauf achten, einseitige Bewegungen oder Fehlhaltungen zu vermindern, und gezielt für Ausgleich sorgen. Und begreifen Sie doch ruhig mal Ihren Arbeitsalltag als tägliches Training: Aus der richtigen Haltung beim Bewegen von Lasten und anderen Aktivitäten könnte dann sogar ein kleines Bauch-Beine-Po-Training werden …""

„TOP“-Ideensammlung für einen starken Rücken in der Kita


Autorin: Anja Hirschberger

Quelle: bgw-online.de

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