Zehn Jahre offener Ganztag

Das pädagogische Konzept des offenen Ganztags klingt vielversprechend. Hohe pädagogische Ansprüche und hehre Bildungsziele hat sich die Institution des offenen Ganztags auf ihre Fahne geschrieben. Viele Eltern und Pädagogen stellen jedoch ernüchtert fest, dass es an der praktischen Umsetzung dieser großen Ideen an vielen Stellen noch hapert.

Die offenen Ganztagsschulen gibt es in Deutschland seit etwa zehn Jahren. Sie bieten neben einem Mittagstisch und einer Hausaufgabenbetreuung in der Regel diverse pädagogische Freizeitangebote in den Bereichen Kreativität, Sport und Musik sowie mitunter diverse Förderangebote.

Qualitätssicherung auf freiwilliger Basis
Als Ziele des Konzepts des offenen Ganztags stehen die individuelle Förderung und die Eröffnung von neuen Lernchancen, aber auch das soziale Lernen sowie die Partizipation und die Öffnung von Schule durch Kooperation im Vordergrund. Doch zu weit mehr als diesen hehren Worten auf dem Papier reicht es bisher oftmals nicht. Die Mängel bei der Umsetzung in die Praxis haben die offenen Ganztagsschulen erkannt; seit 2007 gibt es zur Verbesserung der Qualität im offenen Ganztag das QUIGS-Programm, welches seit 2008 evaluiert wird. Anders als in den Kitas ist die Anwendung von Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung an Schulen allerdings immer noch freiwillig. Hier stellt sich die Frage: Wodurch zeichnet sich pädagogische Qualität überhaupt aus? In der Praxis bemängeln Eltern wie auch Mitarbeiter, dass die pädagogische Arbeit den selbst gesetzten Anspruch weit verfehlt und der offene Ganztag oftmals nicht mehr ist als eine „Verwahranstalt“. Ob es das leidige Dauerthema Hausaufgabenbetreuung ist, die Tatsache, dass pädagogische Angebote zu selten fachlich gut und mit pädagogischem Anspruch durchgeführt werden oder dass Eltern wie Besucher im offenen Ganztag den Eindruck haben, hier herrsche mitunter das Konzept einer „Die-Affen-rasen-durch–den-Wald-Pädagogik“ vor. Offenbar haben zehn Jahre Erfahrung und ein Qualitätsprogramm nicht ausgereicht, um zu einer Verbesserung, geschweige denn zu einer Verwirklichung des pädagogischen Anspruchs zu gelangen, und das trotz motiviertem und vielerorts engagiertem Personal.

Mangelhafte finanzielle Ausstattung
Doch zurück zur Ausgangsfrage, wodurch sich pädagogische Qualität überhaupt auszeichnet. In erster Linie wird sie bestimmt durch pädagogisch qualifiziertes Personal ‒ und das ist im offenen Ganztag „Mangelware“. Aus jahrelanger Erfahrung als Mitarbeiterin und später Leiterin in einer offenen Ganztagsschule kann ich berichten, dass die Ausstattung mit qualifiziertem Personal zu wünschen übrig ließ. Die Fluktuation unter den Mitarbeitern war extrem hoch. Die Verweildauer von über 50 Prozent der Mitarbeiter bewegte sich zwischen drei Wochen und drei Monaten. Dies lag vor allem an den schlechten finanziellen Konditionen sowie an der Überforderung der Mitarbeiter aufgrund fehlender pädagogischer Ausbildung. Die Mitarbeiter waren zweifelsohne engagiert und bemüht, doch mit den Herausforderungen des pädagogischen Alltags oftmals alleine gelassen. Die finanziellen Mittel sind zu knapp ‒ sowohl für das Personal als auch für dessen Weiterbildung. Das geht letztlich auf Kosten der Mitarbeiter und der Kinder.

Kaum qualifiziertes Personal
Überhaupt stellt die mangelnde pädagogische Qualifikation des Personals im offenen Ganztag ein großes Problem dar. So fordern die Qualitätsleitlinien des offenen Ganztags lediglich für die Leitung eine pädagogische Ausbildung wie Erzieher/-in, Sozialpädagoge/-pädagogin oder Lehrer/-in, für Mitarbeiter ist dies gewünscht, aber nicht verbindlich vorgeschrieben. Für ausgebildete Erzieher/-innen ist der offene Ganztag bisher noch nicht zu einem attraktiven Arbeitsfeld geworden. Dies liegt neben der schlechten Bezahlung unter anderem auch daran, dass die Erzieherausbildung erst schleppend das pädagogische Thema offener Ganztag in ihr Programm integriert und eine spezifische Qualifikation auf diesem Gebiet vielerorts gar nicht verfügbar ist. Wie sollen unter solchen Umständen engagierte Mitarbeiter die hohen Ansprüche, die gestellt werden, in die Praxis umsetzen? Die tägliche Arbeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im offenen Ganztag gleicht einem Kampf gegen Windmühlenräder. Auch ich habe mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Praxis jahrelang erlebt, wie an allen Fronten für die Kinder und die pädagogischen Ziele gekämpft wird und wie versucht wird zu stemmen, was kaum zu stemmen ist.

Das muss besser werden
Doch Kritik und pädagogisches Lamento reichen nicht aus, um der Misere Abhilfe zu schaffen. Was also sollte konkret getan werden? Zunächst wäre es notwendig, die pädagogische Arbeit im offenen Ganztag konsequent in die Erzieherausbildung zu integrieren. Als Schulleiterin einer Bildungsinstitution, die auf die Externenprüfung zum staatlich anerkannten Erzieher bzw. zur staatlich anerkannten Erzieherin vorbereitet, konnte ich diesen Schritt verwirklichen. Wer in der Bildungsakademie Düsseldorf eine Umschulung mit diesem Abschluss anstrebt, erwirbt während der knapp zweijährigen Ausbildungszeit das Zertifikat zur Fachkraft „Offener Ganztag“. Hier werden angehende Erzieher/-innen im Unterricht sowie durch ein Praktikum auf den pädagogischen Alltag im offenen Ganztag vorbereitet.
Für pädagogisch nichtqualifizierte Bewerber/-innen oder Mitarbeiter/-innen bietet die Bildungsakademie Düsseldorf die Weiterbildung zur Fachkraft „Offener Ganztag“ als sechsmonatige Vollzeitschulung oder in einer einjährigen, berufsbegleitenden Form an. Die berufsbegleitende Form wendet sich besonders an Personen, die bereits im offenen Ganztag tätig sind und sich nachträglich qualifizieren wollen. Auf dem Stundenplansteht bei dieser Weiterbildung neben Entwicklungspsychologie und pädagogischen Handlungskonzepten viel praktisch orientierter Unterricht zur methodisch-didaktischen Angebotsplanung mit Kindern unterschiedlicher Altersklassen aus den Bereichen Kunst und Kreativität, Bewegungs-, Theater-, Erlebnis-, Entspannungs-, Musik- und Spielpädagogik. Aber auch typische Problembereiche wie beispielsweise die Hausaufgabenbetreuung, der Umgang mit Lernstörungen, Behinderungen oder Verhaltensauffälligkeiten werden durch spezielle Unterrichtsfächer eigens aufgegriffen.

Wichtig ist im Rahmen dieser Weiterbildung allerdings nicht nur die pädagogisch fundierte Qualifikation, sondern auch die Vermittlung organisatorischen Know-hows wie Qualitätsmanagement, Eltern- und Teamarbeit sowie Planung und Durchführung von Projektarbeiten.
Die Umschulungsmaßnahmen zum Erzieher/zur Erzieherin oder zur Fachkraft „Offener Ganztag“ der Bildungsakademie Düsseldorf werden von der Bundesagentur für Arbeit über Bildungsgutschein finanziert. Für Interessenten der berufsbegleitenden Weiterbildungen besteht die Möglichkeit der Förderung über Bildungsscheck und Bildungsprämie.
Damit die Verbesserung der pädagogischen Qualität im offenen Ganztag eine weitestmögliche Verbreitung findet, bietet die Bildungsakademie Düsseldorf die oben genannten Weiterbildungen auch in der E-Learning-Variante an. Dies stellt nur einen kleinen Beitrag dar, um die Situation im offenen Ganztag zu verbessern und das wertvolle tägliche Engagement der Mitarbeiter/-innen zu unterstützen.

Ein Beitrag aus der aktuellen kinderzeit verfasst von Ina Welzenbach M.A.
Schulleiterin der Bildungsakademie Düsseldorf und Fachbereichsleiterin für Psychotherapiebeim Europäischen Verband für Naturheilkunde e.V. in Duisburg sowie als freiberufliche Autorin

Nähere Informationen finden Sie unter Bildungsakademie Düsseldorf – BIAD GmbH, Münsterstr. 359, 40470 Düsseldorf, Tel: 0211 635535-0, E-Mail: info@biad.de; www.biad.de



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